Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman. Marisa Frank
»So wie Hubertus Ihnen ähnelt, Graf.«
Sie lächelten einander an. Ein Band von Verstehen, von Zuneigung umschlang das junge Mädchen und den Grafen.
Diana wusste, dass Hubertus in einundzwanzig Jahren einmal so aussehen würde wie sein Vater. Durch sein dunkelblondes Haar würden sich dann auch silberne Strähnen ziehen, und sein schmales Gesicht wird von feinen Falten durchzogen sein.
Der Graf war eine überaus elegante Erscheinung. Er gehörte zu jenen Männern, die jede Frau, die einen großen Salon führt, gern zu ihren Gästen zählt.
Eine angeborene Liebenswürdigkeit und natürlicher Charme zeichnete den Grafen aus. Selbst wenn er wie jetzt ernst blickte, ging etwas Leichtes, Heiteres von ihm aus.
Er war ganz das Gegenteil des Fürsten von Buchenhain, für den Leichtigkeit Leichtsinn bedeutete und dessen Ernst manchmal bedrückend wirkte.
In dem Grafen von Homberg erkannte Diana einen Menschen, der niemals verurteilte, der alles verstand. So wie Hubertus.
Der Graf lächelte nun, wobei er seine blendend weißen Zähne zeigte. »Prinzessin, ich bin trotz allem glücklich, Ihnen begegnet zu sein. Es ist ganz so, als ob ein Traum noch einmal Wirklichkeit geworden ist.«
In diesem Augenblick trat Fürst von Buchenhain in die Halle. Sein Gesicht wirkte wie versteinert, und seine Bewegungen hatten etwas Militärisches an sich.
»Sie sind zeitig gekommen, Graf von Homberg. Ich bin Ihnen dafür Dank schuldig«, begrüßte er seinen Gast steif.
Der Graf deutete eine Verbeugung an.
»Sie haben sich während der vergangenen zwanzig Jahre nicht verändert, Fürst«, entgegnete er.
Diana wusste nicht zu sagen, ob Spott in seinen Worten mitschwang.
Sie traten in den Goldenen Salon.
»Darf ich Ihnen eine Erfrischung bringen lassen, Graf?«, fragte Fürst von Buchenhain.
»Nein, danke, Fürst. Ich habe unterwegs in einem Gasthaus gefrühstückt.«
Die Blicke beider Männer richteten sich auf Diana. Sie aber sah nur Graf von Homberg an, als dürfe sie von ihm allein die Erfüllung ihrer Hoffnungen erwarten.
*
»Bitte, nehmen Sie doch Platz, Graf«, bat Fürst von Buchenhain.
»Ich möchte lieber stehen bleiben, Fürst.«
Mit jener raschen Gebärde, die auch Hubertus an sich hatte, strich der Graf sich das Haar zurück.
Fürst von Buchenhain räusperte sich und sagte dann zu seiner Tochter: »Diana, Graf von Homberg wird dich über das mit seinem Sohn geführte Gespräch unterrichten.«
»Sie haben Hubertus aufgesucht, Graf?«, fragte Diana, während heiße Röte in ihr Gesicht stieg.
»Ja. Gestern abend war ich bei meinem ältesten Sohn. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass mein Sohn sein Elternhaus vor etwa einem Jahr verlassen hat, um sich als freier Künstler zu betätigen. Es war mir damals nicht gelungen, Hubertus zu bewegen, sein begonnenes Studium der Medizin fortzusetzen. Leider kam es über dieser Auseinandersetzung zu einer Entzweiung zwischen meinem Sohn und mir. Seit damals unterstützte ich Hubertus, wenn auch nur in geringem Maße.«
Dem Grafen war anzumerken, wie schwer es ihm fiel, den strengen Vater darzustellen.
Unzweifelhaft war damals seine Empörung und auch Erbitterung echt gewesen, als Hubertus ihm mitgeteilt hatte, dass er als freier Schriftsteller arbeiten werde. Der Graf wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig es war, einen soliden Beruf zu erlernen.
»Ich weiß, dass Hubertus ein bedeutender Schriftsteller sein wird«, sagte Diana mit aller Festigkeit. Ihre schwarzen Augen leuchteten, und ihre Wangen glühten.
Der Graf neigte den Kopf.
»Was hat Ihr Sohn auf Ihre Ausführungen geantwortet, Graf?«, fragte Fürst von Buchenhain den Grafen, als ob er mit einem Angeklagten sprechen würde.
Der Graf holte tief Atem.
»Mein Sohn stimmte mir bei, dass eine Verbindung zwischen der jungen Prinzessin und ihm keinerlei Grundlagen besitzt. Er…«
Diana stieß einen kleinen spitzen Ruf aus. Unwillkürlich ging sie zwei, drei Schritte auf den Grafen zu.
»Das kann nicht sein! Das glaube ich nicht!«, rief sie.
Der Graf zuckte unmerklich zusammen.
»Ihr Sohn wird also am kommenden Sonntag nicht nach Buchenhain kommen, Graf?«, wollte der Fürst wissen.
»Nein. Hubertus ist ins Ausland gereist. Heute früh.«
»Nein – nein, das ist nicht wahr!« Tränen schimmerten in Dianas Augen. Es waren Tränen der Empörung über diese beiden alten Männer, die gewagt hatten, über ihr Leben und das von Hubertus zu entscheiden.
»Wie lange wird Ihr Sohn sich im Ausland aufhalten, Graf?«
»Er wird Deutschland nicht wieder betreten, bis ich es ihm erlaube.«
»Gut.«
Diana warf den Kopf mit ungebärdiger Bewegung in den Nacken.
»Wie häßlich Sie sind, Graf! Und wie furchtbar du bist, Vater! Ihr tut, als seid ihr allmächtige Richter! Aber ihr seid alt, böse und verdorben!«
»Diana!«
»Ja, verdorben und böse!«
Der Fürst ging mit raschen Schritten auf seine Tochter zu und ergriff ihre Arme. Seine grauen Augen waren eiskalt und hart.
»Böse seid ihr«, stieß Diana schluchzend hervor.
Ihr Vater schüttelte sie.
»Geh auf dein Zimmer! Graf, Sie müssen meine Tochter entschuldigen! Sie weiß nicht mehr, was sie sagt!«
»O doch, ich weiß es. Und ich wiederhole es tausendmal! Weil ihr selbst kein Glück mehr empfinden könnt, erlaubt ihr auch uns nicht, glücklich zu sein! Ihr denkt nur an Geld, an Macht! Ihr habt Hubertus belogen, wie ihr mich belogen habt! Hinterhältig war das und böse.«
»Diana!«
Das Mädchen wurde plötzlich ganz ruhig. Ihr Gesicht zeigte unter dem olivfarbenen Ton eine bleiche Farbe. Sie richtete ihren tränenumschleierten Blick auf Graf Homberg.
»Ich hatte Sie für einen aufrichtigen Menschen gehalten, Graf!«
Graf von Homberg fuhr mit der Hand durch sein Haar. Er wollte etwas entgegnen, schloss jedoch seinen Mund und sah zur Seite.
Diana ging an dem Grafen und an ihrem Vater vorüber und verließ den Goldenen Salon, ohne ein Wort des Abschieds gesagt zu haben.
Sie trat in den Park, dessen Wege von dem langen, nächtlichen Regen aufgeweicht worden waren.
Bald war sie bis auf die Haut durchnäßt. Es tat gut, den Regen auf der Haut zu spüren. Der Regen vermischte sich mit Dianas Tränen und rann an ihr herunter.
Am Ende des Parks stand eine junge Buche. Diana umschlang sie mit ihren Armen und presste ihr Gesicht gegen den feuchten Stamm des Baumes.
Während ihrer Kindheit war sie oft einsam gewesen, denn ihr Vater hatte sie abgesondert von anderen Kindern erziehen lassen. In ihrer kindlichen Einsamkeit hatte sie damals von der Hoffnung gelebt, dass alles anders werden würde, wenn sie erst einmal erwachsen war.
An diesem Tag erkannte sie, dass ihre Einsamkeit niemals ein Ende nehmen würde. Sie wünschte sich zu sterben, wie ihre Mutter damals gestorben war.
Hubertus hatte ihr gezeigt, was Leben bedeuten konnte. Leben, das war Liebe, war Hingabe und auch Glück, das einer dem anderen schenkte. Einsamkeit war der Tod, war das Gegenteil von Liebe und Leben.
Hubertus’ Vater und Dianas eigener Vater