Fürstenkrone Box 14 – Adelsroman. Marisa Frank
Hubertus. Er konnte sich nicht länger beherrschen. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Zu seiner Verwunderung kam der Mann seiner Aufforderung sofort nach.
»Hören Sie, Graf«, sagte er mit der gleichen drohenden Stimme. »Ich bin mit der Fürstin verlobt. Und wir werden heiraten. Gehen Sie weg und kommen Sie nie wieder! Diana, die Fürstin, hat Sie vergessen und will durch Ihr Erscheinen nicht noch einmal beleidigt und gedemütigt werden!«
Hubertus entnahm Fürst von Großborns Worten nur die Tatsache, dass Diana sich im Schloss befand.
Er vergaß den Wagen seines Kusins, der vor dem Tor stand. Mit einer heftigen Bewegung schob er Friedrich von Großborn beiseite, so dass er gegen das eiserne Gitter geschleudert wurde und stürzte an ihm vorüber.
Der Fürst rief ihm etwas nach. Einen kurzen, knappen Befehl, aber Hubertus hörte nicht darauf. Hätte Friedrich in diesem Augenblick eine Pistole gehabt, vielleicht hätte er geschossen. Sein Hass war stärker als jedes Gefühl, das er in seinem Leben empfunden hatte.
Hubertus lief am langgestreckten Bassin entlang. Er keuchte, als er die wenigen Stufen der äußeren Freitreppe hinaufsprang.
Fürst von Buchenhain hatte ihn vom Fenster des Weißen Salons aus kommen sehen und war ihm eilig entgegengegangen.
In der Halle des Schlosses stießen die beiden Männer, der junge und der alte, zusammen.
Hubertus warf den Kopf in den Nacken. Eiserner Wille, sich durch niemanden und nichts aufhalten zu lassen, beherrschte ihn.
»Hindern Sie mich nicht, zu Diana zu gehen, Fürst!«, schleuderte er Fürst von Buchenhain statt einer Begrüßung entgegen.
Dianas Vater maß den jungen Mann aufmerksam. Er war ein Heißsporn. Unberechenbar und wild. Aber er war jung.
»Ich hindere Sie nicht, Graf«, antwortete der Fürst fast milde.
In diesem Augenblick wurde die Eingangstür zur Halle noch einmal geöffnet. Fürst Friedrich von Großborn trat ein.
Seine Lippen waren schmaler als ein Strich. Sein Gesicht grau.
Der Sekretär des Fürsten trat aus der Bibliothek.
»Zeigen Sie Graf von Homberg bitte, wo sich die Zimmer meiner Tochter befinden«, bat Fürst von Buchenhain gelassen.
Der Sekretär führte Hubertus die marmorne Treppe hinauf.
Friedrich von Großborn maß den Fürsten mit leicht zusammengekniffenen Augen.
»So ist das also«, brachte er dann leise hervor.
»Ja, Fürst. So ist das. Sie und ich haben versucht, das Schicksal in eine uns gemäße Richtung zu lenken. Es ist uns nicht gelungen. Stimmen Sie mir nicht zu, Fürst, wenn ich meine, dass es jetzt an der Zeit ist, uns dem Schicksal zu beugen?«
»Ich stimme Ihnen nur darin zu, Fürst, dass es an der Zeit ist, unsere Wege zu trennen.«
»Ich bedaure es, Fürst.«
»Es fällt mir nicht leicht, das zu glauben, Fürst von Buchenhain.«
Friedrich von Großborn strich sich mit der Hand über das schüttere Haar, kniff die Lippen noch einmal fest aufeinander, verneigte sich kaum merklich vor Fürst von Buchenhain und verließ dann das Schloss.
Fürst von Buchenhain hörte die Schritte seines Sekretärs auf der Marmortreppe.
Er wandte sich rasch ab, denn er wollte jetzt mit niemandem sprechen.
Während eben dieser Minute stand Hubertus stumm neben Dianas Bett.
Stumm sahen sie sich an.
Und stumm neigte Hubertus sich zu Diana hinab, um mit seinem Mund ihre heißen Lippen zu berühren.
Er ließ sich neben dem Bett nieder und presste ihre Hand gegen seine Augen.
Die Hand wurde feucht.
Diana zog sie sanft fort und legte sie auf Hubertus’ Haar.
»Hast du ihn schon gesehen?«, fragte sie fast unhörbar.
»Wen?« Hubertus dachte an den Fremden, der ihm den Einlass verwehren wollte.
»Unseren Sohn.«
»Du – du …« Hubertus konnte nicht weitersprechen.
Er umschlang Diana mit beiden Armen. Sie streichelte seinen Rücken und sein Haar. Ein wissendes Lächeln umspielte dabei ihre Lippen.
Alles, was geschehen war, wurde bedeutungslos. Die Monate der Verzweiflung, der Einsamkeit, der Schmerzen. Ihre Sehnsucht zu sterben, weil sie geglaubt hatte, die Qualen und die Einsamkeit nicht länger ertragen zu können.
Hubertus war gekommen. Und mit ihm war der Lebenswille in Diana zurückgekehrt.
»Ich habe es vielleicht immer gewusst«, flüsterte sie.
»Ich konnte nur leben, weil ich unser Buch geschrieben habe, liebe, liebste Diana.«
Ein Lächeln stahl sich in Hubertus’ blaue Augen. Es entzündete das gleiche Lächeln in Dianas schwarzen Augen.
In dieser Sekunde trat Schwester Mathilde ein. Sie trug das winzige Baby auf dem Arm.
»Dein Vater ist zu uns gekommen, mein Kleiner«, flüsterte Diana, als Schwester Mathilde ihr das Baby in den Arm legte.
Die Schwester warf Hubertus einen aufmerksamen und ein wenig misstrauischen Blick zu. Hätte er denn nicht ein wenig früher kommen können? Das war er also, der junge Mann, nach dem die Prinzessin in ihren Fieberträumen immer gerufen hatte.
Hubertus betrachtete seinen Sohn voller Staunen.
Er wagte gar nicht, ihn zu berühren.
»Ist er nicht hübsch?«, fragte Diana mit leuchtenden Augen.
Hubertus fand das gar nicht. »Babys müssen wohl so aussehen?«, fragte er unsicher.
»Er ist ein sehr hübsches Kind«, entgegnete die Krankenschwester bestimmt.
Sie reichte Diana, die zu ihrem Kummer nicht stillen konnte, das Fläschchen und verließ dann den Raum.
Das Baby sog genußvoll an der Flasche. Hubertus hatte eine Hand auf Dianas Arm gelegt. Nur das Schmatzen des Kindes war zu hören.
Als es die Flasche fast ausgetrunken hatte und einschlafen wollte, reichte Diana Hubertus das Baby und bat: »Dein Sohn möchte jetzt von dir getragen werden.«
Hubertus wagte kaum sich zu bewegen, als er den Kleinen auf dem Arm hielt. Seine Erschütterung und seine Freude waren so stark, dass er am liebsten geweint hätte.
»Wie heißt er denn?«, fragte Hubertus.
»Weißt du es nicht? So wie du, mein Liebster.«
»Meinst du, er wird sich an mich gewöhnen, Diana?«
»Sieh doch nur, wie er sich in deinen Arm kuschelt. Er weiß bestimmt, dass er bei seinem Vater ist.«
Hubertus neigte seinen Kopf hinab und berührte mit seinen Lippen voller Zärtlichkeit die zerkrauste Stirn seines Sohnes.
»Ich lass deine Mama und dich nie mehr allein, mein Sohn!«
Dann legte er den Sohn Diana auf das mit feinsten Spitzen versehene Kopfkissen zurück.
»Es ist schön, euch beide nebeneinander liegen zu sehen.«
»Küsse mich, Hubertus.«
In Dianas Augen schimmerte es feucht.
Hubertus küsste eine Träne, die über ihre blasse Wange kullerte, voller Zärtlichkeit und Liebe fort.
»Jetzt hast du keine Angst mehr?«, fragte er leise.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich weine nur, weil ich so schrecklich glücklich