Vom schönen Schein. Eva Rossmann

Vom schönen Schein - Eva Rossmann


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inszenierten Klischees. Jedenfalls darf ich mich glücklich schätzen, im erlauchten Kreis der „Top-Medien“ dabei zu sein. Zugang zu den gesamten Hochzeitsfeierlichkeiten, anders als die „allgemein akkreditierten Medien“, die sich nur zu bestimmten Zeiten in bestimmten Bereichen aufhalten dürfen.

      „Wie bei der Formel 1“, habe ich einem Kollegen aus Deutschland zugeflüstert.

      „Du schreibst sonst wirklich über Sport?“

      „Nein. Sehe ich so aus?“

      „Ich auch nicht.“

      CSO Kaiser räuspert sich und sieht zu uns herüber. „Also: volle Transparenz. Es ist ein Fest unter Freunden und ihr seid eingeladen, mitzufeiern. Wir wollen Daniel und Daniela am schönsten Tag in ihrem Leben begleiten. Wisst ihr, was Daniela zu mir gesagt hat? Dass es einfach großartig ist, dass ihre Hochzeit von so vielen Profis gecovert wird – wer sonst hat die Chance auf derart perfekt gestaltete Erinnerungen?“

      „Wer zahlt den Zinnober eigentlich?“

      Ich recke den Kopf. Der das sagt, steht etwas abseits. Aber ohne Top-Badge wäre er gar nicht in den Pressesalon gekommen. Kurze graue Haare, Cordsakko, könnte tatsächlich als Sportreporter durchgehen.

      Das Lächeln des CSO wird noch etwas breiter. „Wie Daniela heute früh schon sagte: Sie ist sehr dankbar dafür, dass die Medien ihre Arbeit tun. Das Paar hat ganz bewusst auf Exklusivstorys verzichtet. Keiner Ihrer Kollegen wird bevorzugt und zahlt dafür.“

      „Ich hab das anders gemeint. Das Schloss ist sicher nicht umsonst. Und der Shuttledienst vom Flughafen Wien für die VIP-Gäste, und, und …“

      „Sie haben recht, das Schloss ist unbezahlbar. Zum Glück steht es im Eigentum des Landes. Die Winzerfamilie, die es betreut, ist nicht nur international erfolgreich, es handelt sich bei ihnen auch um große Österreich- und Sportfans. Daniela und Daniel haben gebeten, von Hochzeitsgeschenken abzusehen. Stattdessen bitten sie alle geladenen Gäste, eine Kleinigkeit für eine gute Sache zu spenden. Es gibt drei Möglichkeiten: die Kinderkrebshilfe, den Fonds für Angewandte Virologie, das Klimabündnis der Tourismusgemeinden. Ich würde Sie dann ersuchen, eine Viertelstunde vor der offiziellen Trauung auf Ihren Plätzen zu sein. Die Sitzordnung haben wir Ihnen mit den übrigen Unterlagen bereits heute Vormittag via Mail geschickt.“

      Ich habe das glückliche Hochzeitspaar noch nicht zu Gesicht bekommen. Daniela sei, wie jede Braut, etwas aufgeregt und jetzt bei der Hochzeitsfriseurin. Daniel werde von seinen besten Freunden mit einer kleinen Runde Golf abgelenkt. Überall kommen wir trotz unseres Top-Badges natürlich doch nicht hin, aber die einschlägigen Witze meiner Kollegen über Transparenz in der Hochzeitsnacht habe ich schon hinter mir. Interessant, dass vor allem männliche Journalisten hier sind. Weil sich doch Männer mehr für Klatsch interessieren? Weil es mit der Sportbranche zu tun hat?

      Das Schloss, eine der gefragtesten Hochzeitslocations des Landes, präsentiert sich ganz in Weiß und Lila. Die Braut habe sich diese Farben gewünscht, heißt es. Sicher ein Zufall, dass ihre Skifirma ein lila Logo hat. Auch wenn das Wetter heute endlich schön ist, man wollte nichts dem Zufall überlassen. Die Trauung wird im großen Saal stattfinden, die Agape danach „im Hof“. Eine Untertreibung der Extraklasse. Es handelt sich um ein penibel gepflegtes Gelände für gut fünfhundert Personen. Mit Wegen aus Naturstein, kleineren und größeren Flugdächern, Sitzecken, Marmorbänken und, ganz rustikal, Heuballen samt Kissen. Auf der Bühne probt eine zehnköpfige Band. Fetzen von Love Is in the Air, She’s the One und I am from Austria klingen zu mir herüber. Die Weingärten fallen steil zur Donau ab. Nicht ganz einfach zu betreuen. Aber dafür gibt’s Arbeiter. Das hier ist beileibe kein Familienbetrieb mehr. Muss es auch nicht sein. Einen Teil des Winzerhofs kann ich von hier aus sehen. Er liegt am Ende eines sorgsam geschotterten Wegs, zwanzig, dreißig Meter den Hügel hinunter.

      Ich halte mein Gesicht in die Sonne. Vielleicht bin ich viel zu zynisch. Kann doch sein, dass Daniela Sagerer und Daniel Balaj einander wirklich lieben. Und irgendjemand muss das Trara rundherum ja inszenieren. So brauchen sie sich wenigstens keinen Hochzeitsplaner zu leisten. Auch wenn sie es könnten. Seit Balaj einige ATP-Turniere gewonnen hat, gehört er zu den Großverdienern im Tennis. Daniela hat zwar noch viel mehr gewonnen, aber Skifahren hat international nicht den Stellenwert von Tennis. Und Frauensport wird jedenfalls schlechter bezahlt. Allerdings hat sie einige lukrative Werbeverträge laufen. Sie ist aber auch der Mega-Ski-Star seit Marcel Hirscher. Und mindestens so sympathisch. Ich habe mich vorbereitet. Zumindest ein bisschen. Kennengelernt haben sich die beiden voriges Jahr auf der großen Sport-Gala. Sie wurden zu Sportlerin und Sportler des Jahres gekürt und danach, beim Feiern, gab es den ersten Flirt: Daniela Sagerer, vierundzwanzig, aus einer Tiroler Bauernfamilie. Daniel Balaj, dreißig, mit einem Vater, der auch bereits Tennisprofi war. Österreich hat ihn im Jugoslawienkrieg aufgenommen, und er hat für unser Land gewonnen. Wenngleich nicht so viel wie sein Sohn. Paradebeispiel für gelungene Integration, sozusagen. Auch wenn es immer noch Postings gibt, die von „dem Kosovo-Albaner“ reden, der sich damals den Zugang erschlichen hätte. Tatsächlich gab es da ein paar Ungereimtheiten. Aber: Es war eben schon immer so, dass sich Sportler mit der Einwanderung in unser so schönes Land leichter tun als Normalsterbliche.

      Über Monate blieb die Sportlerliebe unentdeckt und das war vielleicht die größte Leistung der beiden. Oder zumindest die größte Leistung ihrer Betreuerteams. Ein deutscher Boulevardreporter hat nachzuweisen versucht, dass Daniel und Daniela gar keine Zeit gehabt hätten, einander zu treffen. Er wollte damit wohl die eigene Erfolglosigkeit entschuldigen. Wie hatte es ihm passieren können, dass die Liebesgeschichte der beiden nicht über ihn, sondern über den neuen Sportmanager, ganz offiziell, bekannt gemacht wurde? Geschieht ihm recht, mieser Schmierer. Er ist natürlich auch da. Schreibt seit Jahrzehnten unter dem Namen Alfi. Und trägt eine Frisur, die jener von Donald Trump sehr ähnlich ist. In irgendeinem Society-Magazin hat er behauptet, Trump hätte sich die Frisur von ihm abgeschaut. Was ist das für eine Gesellschaft, in der sich Society-Reporter schon gegenseitig interviewen? Ich sehe auf die Uhr. Ich sollte zum Auto, um meine repräsentable Leinenjacke zu holen. In einer Stunde ist Hochzeit. Also zurück hinauf zum Schloss, durch den Gebäudekomplex, auf der anderen Seite dann wieder hinunter zu den Parkplätzen. Die Fernsehteams haben die näher gelegenen zugeteilt bekommen. Die Onlinemedien die am weitesten entfernten. Nur, weil wir weniger zu tragen haben, oder sagt das auch etwas über Hierarchien aus?

      Ich könnte freilich genauso gut den Weingarten ein Stück nach unten und dann die Schotterstraße nehmen. So wäre das Auf und Ab zu vermeiden. Der Weingarten ist rutschiger als gedacht. Ich halte mich an den Rebstöcken fest und sehe, dass sie gerade begonnen haben, auszutreiben. Eigentlich wollte ich nicht mehr, sondern weniger sportliche Betätigung. Jetzt fühle ich mich wie in einem Slalomhang. Paradedisziplin von Daniela Sagerer. Hätte man in die Hochzeitsfeierlichkeiten einbauen können. Weinbergslalom. Spektakulärer Ausblick auf die Donau. Ich schnaufe durch und beobachte, wie ein riesiges Frachtschiff langsam donauabwärts gleitet. Dann kneife ich die Augen zusammen. Ich bin seit vielen Jahren kurzsichtig, aber wer muss schon immer alles so genau sehen? Und seit es Navis gibt, habe ich auch beim Entziffern der Überkopfwegweiser keinen Stress mehr. Da sitzt jemand auf der Wiese zwischen den Rebstöcken. Offenbar gibt es noch andere, denen Weinberge lieber sind als Schlossherrlichkeit. Er, sie, es schaut, wie ich gerade eben, aufs Wasser, zum Schiff.

      Ich bin nicht aufmerksam genug, es zieht mir die Beine weg, ich rutsche, falle, lande wenig elegant auf dem Allerwertesten.

      Die Gestalt dreht sich abrupt zu mir um. Große erschrockene Augen.

      Mein Sturz war nicht besonders spektakulär. Im Allgemeinen bin ich auch nicht furchterregend. Ich brauche eine Sekunde, bevor mir klar ist: Die Augen sind so groß, weil entsprechend geschminkt. Und sie gehören zu Daniela Sagerer, der weltbesten Slalomfahrerin.

      „Alles in Ordnung“, sage ich und rapple mich auf. „Und mit Ihnen? Auch alles okay?“

      Sie nickt. „Ist nur … die Aufregung. Das ist bei den meisten so, sagt man.“

      „Sagt Kaiser.“ Ich zwinkere ihr zu. Wirkt, als könnte die Skiprinzessin etwas Aufmunterung brauchen. „Der hat alles unter Kontrolle.“

      Der


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