Weihnachtstraum. Hans-Peter Schneider
Großes Kompliment! Und Ihre neue Frisur, Frau Wachter, die ist einfach klasse. Nicht wahr?«
Wieder blickte meine Mama uns drei auffordernd an.
»Sie sehen richtig gut aus, richtig vital. Die Frisur unterstreicht das«, bestätigte mein Vater.
»Sie schauen total sportlich aus, Frau Wachter!«, bestätigte auch Finni.
»Also mir wäre nicht aufgefallen, dass da sieben Kilo weg sind«, sagte ich, »aber wahrscheinlich fällt das bei der Masse halt nicht so ins Gewicht wie bei anderen. Und Ihre Haare, naja, also, Ihre lila Haare, puh, die sind einfach nur richtig schei …«
»Schick! Richtig SCHICK, möchte Hannes sagen!«, fiel mir meine Mama einfach ins Wort. Unglaublich, dass einen die Erwachsenen nie ausreden lassen. Aber da verabschiedeten sich die Wachters dann doch tatsächlich freundlich lächelnd. Meine Eltern und Finni lächelten höflich zurück, sahen dabei aber so aus, als würden sie am liebsten im Boden versinken. Ich lächelte nicht, denn schließlich wäre das in dieser Situation gelogen gewesen. Ich grinste stattdessen zufrieden über den Erfolg meiner Ehrlichkeit. Ehrlichsein war doch gar nicht so schlimm, wie ich das erwartet hatte.
Kaum war die Tür zu, schrien mich meine Eltern an: »Was fällt dir ein, Hannes, so unverschämt zu sein?!?«
»Mama, ich habe dir versprochen, ehrlich zu sein. Und versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen!«
Kurz vorm Explodieren schienen meine Eltern tatsächlich innezuhalten und zu überlegen. Meine Worte hatten gesessen. Endlich war ich wieder voll im Spiel!
Es erklärt sich von selbst, dass ich von meinem Wahrheitsversprechen noch vor dem Mittagessen höchst offiziell von meiner Mama erlöst wurde. Wobei, eigentlich hat sie sich damit ja nur selbst erlöst, denn nachmittags sind noch weitere Besucher zu uns gekommen, die uns in neuen Kleidungsstücken und mit neuen Topffrisuren Geschenke und Plätzchen und vieles mehr vorbeibrachten.
Ich fand übrigens alle Geschenke, Plätzchen, Frisuren, Klamotten, Witze und so weiter einfach nur sensationell und schön, ist doch klar – etwas anderes würde mir ehrlicherweise (oder eigentlich UNehrlicherweise) nie über die Lippen kommen. So ehrlich muss ich dann doch sein.
3
Genießen. Besinnen. Innehalten!
Bastelanleitung für die Weihnachtszeit
Heute: So bastelt man sich das perfekte Weihnachten!
Einkaufsliste:
– Mehr Kugeln
– Mehr Geschenke
– Mehr Lichterketten
– Mehr Liederdownloads und CDs
– Mehr Weihnachtsfilme
– Mehr Spezialitäten
– Mehr teure Weine
– Mehr Dekoration
– Egal, was noch, Hauptsache mehr, mehr, mehr!
Kostenlos bereits zu Hause:
– Familie
– Eine Kerze
– Lieder
– Geschichten
Verstaubt irgendwo in verborgenen Winkeln:
– Ruhe
– Langsamkeit
– Herzlichkeit
– Fröhlichkeit
– Zufriedenheit
– Glück
– Liebe
Und so EINFACH geht’s:
1. Kaufe NICHTS, sondern streiche die komplette Einkaufsliste mit einem dicken roten Stift durch!
2. Hole alles, was du bereits zu Hause hast, heraus!
3. Setze dich mit deiner FAMILIE im Wohnzimmer vor EINE KERZE! Lösche alle anderen Lichter im Raum! Genieße das Licht!
4. Singe mit deiner Familie zusammen weihnachtliche LIEDER! Genieße den Klang!
5. Lest euch gegenseitig GESCHICHTEN vor! Genieße die Worte!
6. Genieße den Augenblick! Die verstaubten, verborgenen Gegenstände werden DICH nun finden!
7. Genieße DEIN perfektes Weihnachten!
NICHTS zu Weihnachten
Geschenke unterm Weihnachtsbaum
Wird es heuer keine geben
Wir leben unsren Weihnachtstraum
Wollen ohne Kaufstress leben
Zur Weihnacht gibt es nix!
Das ist fix!
So haben wir es fix besprochen
Mit Freunden und Verwandten
Versprochen, wird auch nicht gebrochen
Weil wir den Vorteil kannten
Doch nähert sich der Weihnachtsabend
Fängt die Hand zu schwitzen an
So mancher denkt, das Unheil ahnend:
Ob man NICHTS verschenken kann?
NICHTS unterm Baum ist doch sehr leer
NICHTS macht eigentlich NICHTS her
Drum schleicht der Mann auf leisen Sohlen
Zum Juwelier am Eck
Auch SIE hat sich drum fortgestohlen
Zum Schuhfachhändler Gegg
Drum ziehen auch Verwandte los
Zum Kleinigkeiten kaufen
Drum wächst der Stapel, riesengroß
Zu dem Geschenkehaufen
(Pantoffeln, Buch und Schnapspralinen
Krawatte, Socken, Ringe
Kuschelbär und Bohrmaschinen
Und manch andre Dinge)
Es wird geschenkt und ausgepackt
Es wird gelacht und sich gefreut
Hätte man heute NICHTS verpackt
Hätte man’s heute sehr bereut
Plötzlich fällt der strenge Blick
Auf einen, der sich stillhält
Der sich ohne viel Geschick
An den geschenkten Grill stellt
Dort steht der Onkel Theodor
Und hat gar NICHTS geschenkt
Sein schmales Lächeln tritt hervor
Ein jeder ist gekränkt
Denn: NICHTS ist gar nicht viel
Auch wenn man eigentlich NICHTS will!
Nach Urteil unsres Hausgerichts
Da kam man überein
»Theodor, das war heut NICHTS!
Wie kann man nur so sein!«
Der Theodor war tief getroffen
Und innerlich gekränkt
Auf nächste Weihnacht darf er hoffen
Denn da wird sicher NICHTS geschenkt
Drum achtet drauf, dass ihr es wisst:
wie wenig NICHTS denn wirklich ist!
4
In der Zeit, in der du dich über verpasste Chancen