Die Biene Maja und ihre Abenteuer. Waldemar Bonsels
Peppi geschmeichelt, „darauf hält man. Wollen Sie auch die Rückseite sehen?“
„Wenn ich bitten darf“, sagte Maja.
Der Käfer drehte die gefächerten Fühler zur Seite und ließ einen Sonnenstrahl darüber gleiten.
„Famos, nicht?“ fragte er.
„Ich hätte so was nicht für möglich gehalten“, entgegnete Maja. „Meine eigenen Fühler sind sehr unscheinbar.“
„Nun ja,“ meinte Peppi, „jedem das Seine. Dafür haben Sie zweifellos schöne Augen und die goldene Färbung Ihres Körpers hat viel für sich.“
Die kleine Maja strahlte vor Glück. Es hatte ihr noch niemand gesagt, dass etwas an ihr schön sei. Sie wurde ganz übermütig vor Lebensfreude und nahm rasch noch ein Klümpchen Honig.
„Es ist eine ausgezeichnete Qualität“, sagte sie.
„Bitte nehmen Sie nur noch,“ sagte Peppi, etwas erstaunt über den Appetit seines Gastes, „es ist Rosenhonig erster Ernte. Man muss sich etwas in acht nehmen, damit man sich nicht den Magen verdirbt. Es ist auch noch Tau da, wenn Sie vielleicht Durst verspüren.“
„Vielen Dank“, sagte Maja. „Ich möchte nun fliegen, wenn Sie erlauben.“
Der Käfer lachte.
„Fliegen und immer fliegen,“ sagte er, „das liegt euch Bienen im Blut. Ich begreife diese ruhlose Art nicht recht. Es hat doch viel für sich, am Platze zu bleiben, finden Sie nicht?“
„Ach, ich fliege so gern“, sagte die kleine Maja.
Der Käfer öffnete ihr höflich den roten Vorhang.
„Ich will Sie noch hinausbegleiten. Ich führe Sie zu einem Aussichtsblatt, von dem Sie bequem abfliegen können.“
„O, danke,“ sagte Maja, „ich kann abfliegen, wo ich will.“
„Das haben Sie vor mir voraus,“ sagte Peppi, „ich habe etwas Mühe mit der Entfaltung der unteren Flügel.“
Er drückte ihr die Hand und schob den letzten Vorhang zur Seite.
„O Gott, der blaue Himmel,“ jubelte Maja, „leben Sie wohl.“
„Auf Wiedersehen“, sagte Peppi und blieb eine Weile auf dem höchsten Rosenblatt sitzen, um der kleinen Maja nachzusehen, die schnell in einer geraden Linie hoch in den Himmel hinaufflog, in den goldenen Sonnenschein und in die reine Morgenluft.
Dann seufzte er heimlich auf und zog sich nachdenklich wieder in den kühlen Rosenkelch zurück. Es wurde ihm etwas warm, obgleich es noch früh war. Er summte sein Morgenlied vor sich hin, das im roten Schein der Rosenblätter und im warmen Sonnenglanz erklang:
Alles steht in gold und grün
warm und sommerlich.
Nur solang die Rosen blühn,
ist es schön für mich.
Meine Heimat weiß ich nicht,
köstlich ist mir dies:
dass ich so im Rosenlicht
meinen Tag genieß’.
Wenig weiß ich von der Welt,
wo ich glücklich bin.
Wenn die Rose welkt und fällt,
muss auch ich dahin.
Und draußen zog langsam der strahlende Frühlingstag über die blühende Erde herauf.
Drittes Kapitel: Der Waldsee und seine Leute
Ach, dachte die kleine Maja im Dahinfliegen, nun habe ich vergessen, Peppi nach den Menschen zu fragen. Ein so erfahrener Mann, wie er, hätte mir sicherlich die beste Auskunft geben können. Aber vielleicht würde sie heute noch selbst einem Menschen begegnen. Voll Unternehmungslust und Frohsinn ließ sie ihre blanken Augen über das weite bunte Land schweifen, das sich unter ihr in seiner sommerlichen Pracht ausbreitete.
Sie kam an einem großen Garten vorüber, in dem es von tausend Farben leuchtete. Es begegneten ihr vielerlei Insekten, die ihr Wandergrüße zuriefen und frohe Fahrt und gute Ernte wünschten. Jedes Mal wenn sie einer Biene begegnete, schlug anfänglich ihr Herz ein wenig, denn sie fühlte sich in ihrer Untätigkeit doch etwas schuldig und fürchtete sich, Bekannte zu treffen. Aber sie merkte bald, dass die Bienen sich weiter nicht um sie kümmerten.
Da sah sie plötzlich den blauen Himmel in unendlicher Tiefe unter sich leuchten. Sie dachte zuerst in großem Schrecken, sie wäre vielleicht viel zu hoch geflogen und hätte sich im Himmel verirrt, aber da sah sie, dass sich am Rande dieses unterirdischen Himmels die Bäume spiegelten, und sie erkannte zu ihrem Entzücken, dass es ein großes, stilles Wasserbecken war, das blau und klar im ruhigen Morgen dalag. Sie ließ sich voll Freude bis dicht auf die Oberfläche nieder und konnte nun sich selbst im Spiegelbild im Wasser fliegen sehen, sie sah ihre hellen Flügel wie reines flimmerndes Glas blinken, gewahrte, dass ihre Beinchen richtig am Körper lagen, wie Kassandra es sie gelehrt hatte, und sah die schöne Goldfarbe ihres Körpers im Wasser scheinen.
Es ist wirklich eine Wonne, so über eine Wasserfläche dahinzufliegen, jubelte sie. Sie erblickte große und kleine Fische, die in der hellen Flut dahinschwammen, oder ganz ruhig darin zu schweben schienen. Maja hütete sich wohl, ihnen zu nahe zu kommen, denn sie wusste, dass ihr vom Geschlecht der Fische Gefahr drohte.
Als sie am andern Ufer des Sees anlangte, lockte das warme Schilf sie und die riesengroßen Blätter der Seerosen, die wie grüne Teller auf dem Wasser lagen. Sie wählte eines der verborgensten Blätter, über dem die hohen blanken Schilfhalme sich in der Sonne wiegten, und das selbst beinahe ganz im Schatten lag. Nur ein paar runde Sonnenflecke lagen darauf, wie Goldmünzen.
„Herrlich,“ sagte die kleine Biene, „also wirklich ganz herrlich.“ Sie begann sich ein wenig zu säubern, indem sie mit beiden Armen hinter ihren Kopf griff und ihn etwas nach vorn zog, als ob sie ihn abreißen wollte. Aber sie hütete sich, zu fest zu ziehen, es handelte sich nur darum, den Staub zu entfernen. Dann strich sie mit den Hinterbeinchen über die Flügeldecken, so dass sie sich nach unten bogen und wundervoll blank wieder in ihre alte Lage zurückschnellten.
Da kam ein kleiner stahlblauer Brummer zu ihr, ließ sich neben ihr auf dem Blatt nieder und schaute sie erstaunt an.
„Was wollen Sie hier auf meinem Blatt?“ fragte er.
Maja erschrak.
„Man wird sich doch wohl einen Augenblick ausruhen dürfen“, sagte sie. Sie erinnerte sich, dass Kassandra ihr mitgeteilt hatte, dass das Volk der Bienen überall in der Insektenwelt in großem Ansehen stehe. Nun wollte sie einmal eine Probe machen, ob es ihr gelänge, sich in Respekt zu setzen. Aber ihr Herz klopfte doch etwas, weil sie sehr laut und entschieden geantwortet hatte.
Der Brummer erschrak in der Tat sichtlich, als er merkte, dass Maja nicht willens war, sich etwas vorschreiben zu lassen. Mit verdrossenem Summen schwang er sich auf einen Schilfhalm, der sich über das Blatt neigte, auf dem Maja saß, und sagte um vieles höflicher von oben herunter aus dem Sonnenschein:
„Sie sollten lieber einiges arbeiten, wie es sich für Sie gehört, aber wenn Sie der Ruhe bedürfen ... immerhin. Ich werde hier warten.“
„Es sind doch wirklich Blätter genug da“, meinte Maja.
„Alles vermietet“, sagte er. „Man ist heutzutage froh, wenn man ein kleines Grundstück sein eigen nennt. Wäre mein Vorgänger nicht vor zwei Tagen vom Frosch gefangen worden, so hätte ich heute noch keine rechte Unterkunft. Immer bald hier, bald dort zu übernachten, hat viel gegen sich. Es hat halt nicht jeder ein so geordnetes Staatswesen, wie Sie es pflegen. Übrigens mein Name ist Hans Christoph, mit Verlaub mich Ihnen vorzustellen.“
Maja