Sophienlust Box 16 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 16 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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jungen Dame hatte es wohl nichts zu tun?«

      Alexander nahm die Hand der Stewardess und sah sie nachdenklich an. »Doch«, erklärte er leise. »Mir fällt erst jetzt wieder ein, dass du sie ja gesehen und im Restaurant sogar beschäftigt und betreut hast. Findest du es sehr erstaunlich, wenn ich dir sage, dass sie meine Tochter ist?«

      Bonny blinzelte, als schaue sie plötzlich in ein zu grelles Licht. »Deine – was?«

      »Meine Tochter Alexa. Leider ist ihre Mutter tot.« Er sagte es traurig und ernst, denn er trauerte aufrichtig um Vivian, der das Leben so viel schuldig geblieben war.

      »Das verstehe ich nicht. Ihr habt doch auf die Mutter gewartet neulich. Da lebte sie offenbar noch. Oder war es nicht die Mutter?« Bonny kam die Sache etwas unheimlich vor. Auch hatte sie den Eindruck, dass Alexander auf seltsame Weise verändert sei. Hätte er nicht so ernst und traurig ausgesehen, sie wäre geneigt gewesen, das Ganze für einen Scherz zu halten. Denn woher sollte er plötzlich eine fünfjährige Tochter haben?

      »Ihre Mutter ist vor ein paar Tagen gestorben. Es blieb mir gerade noch Zeit, sie zu heiraten. Alexa trägt jetzt meinen Namen.«

      »Alex, du hast ein sterbendes Mädchen geheiratet, weil es ein Kind von dir hatte?«, stammelte Bonny unsicher. »Bist du wenigstens überzeugt, dass die Kleine wirklich dein eigenes Fleisch und Blut ist?«

      »Ich habe die Frau geheiratet, die ich immer liebte, Bonny«, wies er die hübsche Stewardess beinahe scharf zurecht. »Einen Zweifel an der Herkunft meiner Tochter gibt es nicht.«

      »Das …, das passt einfach nicht zu dir, Alex. Ich hab’ mir immer eingebildet, dass du dir nicht viel aus Mädchen machst.« Bonny schluckte einmal.

      »Woraus du ersiehst, dass man sich irren kann, Bonny. Doch ich will dir gestehen, dass ich es selbst nicht gewusst habe. Und jetzt muss ich mich erst daran gewöhnen, dass ich nur noch an meinem Kind gutmachen kann, was ich an der Mutter versäumt habe – sechs Jahre lang!«

      »Was …, was wird aus dem Kind, Alex? Es muss doch irgendwo bleiben, wenn es keine Mutter mehr hat.«

      »Zunächst hatte sich eine Ärztin des Krankenhauses, in dem Vivian starb, Alexas angenommen. Durch deren Vermittlung befindet sich die Kleine jetzt in einem sehr guten Kinderheim. Ich bin Frau Klinger natürlich sehr zu Dank verpflichtet. Ehrlich gesagt, ich wäre ohne ihre Hilfe in arger Verlegenheit gewesen.«

      »Nun hast du also plötzlich eine Tochter. Kommt dir das nicht geradezu unwahrscheinlich vor?«, wunderte sich Bonny, indem sie die reizende kleine Nase kraus zog. »Es passt einfach nicht zu dir.«

      »Alexa ist ein hübsches Kind. Das kannst du nicht abstreiten«, spottete Alexander Rethy.

      »Doch, doch – sehr niedlich. Trotzdem, es kommt so …, so unerwartet. Ich muss mich an den Gedanken erst gewöhnen.«

      »Für dich macht es doch nun wirklich keinen Unterschied, Bonny«, tröstete der Flugkapitän die Stewardess.

      Sie hob die Schultern. »Vielleicht doch, Alex. Das kannst du gar nicht beurteilen.«

      Sie hätten wohl noch länger geplaudert, wenn die Arbeit nicht ihr Recht gefordert hätte. Alexander Rethy übernahm die Papiere für seinen nächsten Flug und führte einige Telefongespräche. Vor allem vertiefte er sich in den soeben eingegangenen Wetterbericht. Kurz bevor er sich ins Cockpit seiner Maschine begeben musste, rief er noch einmal in Sophienlust an. Nachdem Frau Rennert ihm versichert hatte, dass mit Alexa alles in bester Ordnung sei, ließ er Dr. Josefa Klinger an den Apparat rufen.

      »Ich wollte mich verabschieden, Doktorin. Ist alles im Lot bei Ihnen? Erholen Sie sich, und lassen Sie sich von Alexa nicht allzu sehr tyrannisieren.«

      »Mir geht’s blendend. Hier muss man sich einfach erholen. Das macht die Sophienluster Luft, Herr Rethy. Alexa ist bereits ganz zu Hause hier. Jetzt liegt sie schon im Bett. Sicher möchte sie gern mit Ihnen sprechen. Ich lasse nachsehen, ob sie noch wach ist.«

      »Danke, Frau Doktor. Geben Sie nur gut auf sich acht. Für mich ist es wunderbar, dass Sie zusammen mit meiner Kleinen in Sophienlust sind. Sie hatte ja nur ihre Mutti. Irgendwann wird die Sehnsucht kommen und die Erkenntnis, dass sie von Vivian für immer allein gelassen worden ist. Ich danke Ihnen nochmals für alles, was Sie für das Kind und für mich getan haben.«

      »Nichts zu danken. Es sollte wohl so sein, Herr Rethy. Hier kommt Alexa.«

      »Hallo, Vati. Wann kommst du mich besuchen?«

      »Hm, so bald werde ich nicht kommen können. Aber ich schicke dir Postkarten von unterwegs, Alexa. Leider muss ich viel unterwegs sein. Es ist ein unpraktischer Beruf, wenn man Flugkapitän ist.«

      »Henrik sagt, es ist große Klasse«, erklärte Alexa überzeugt. »Stimmt es, dass du ein Flugzeug allein in die Luft steigen lässt?«

      »Nun ja, das stimmt, Alexa. Aber ich kann dich aus diesem Grund nicht gerade oft besuchen. Jetzt geht es gleich los.«

      »Aber es ist Abend, Vati.«

      »Man fliegt auch nachts, Kleines. Ich erkläre es dir später mal genau. Irgendwann werde ich dich auch mitnehmen, wenn du ein bisschen größer bist. Dann fliegen wir zusammen nach Amerika.«

      »Oder in den Himmel, zu Omi und Mutti?«

      Ihm stockte der Atem. »Nein, Alexa, so hoch kann kein Flugzeug der Welt fliegen«, sagte er schließlich bedrückt. »Dahin kommen wir nicht, solange wir leben.«

      »Schade, Vati. Es wäre am schönsten, wenn es doch ginge.«

      »Nicht traurig sein, Kleines.«

      »Nein, Vati, ich bin ja im Haus der glücklichen Kinder, und ich habe Mutti versprochen, dass ich fröhlich bleiben werde.«

      »Recht so, Alexa. Bis bald. Sei lieb und vergiss mich nicht. Ich bin dein Vati.«

      »Ja, Vati, Tante Josi hat es mir erklärt. Ich konnte es nämlich nicht verstehen, weil alles so schnell gegangen ist. Magst du mich überhaupt? Du hast mich doch vorher nicht gekannt.«

      »Ich mag dich sehr gern, Alexa.«

      Dann kam Dr. Josefa Klinger nochmals an den Apparat, und endlich hängte er ein. Ein wehmütiges Lächeln stand in seinem sonnengebräunten Gesicht, als er zu seiner Maschine ging. Zum ersten Mal ließ er jemanden zurück – ein kleines Mädchen, seine Tochter Alexa!

      Bonny nickte ihm zu. Sie stand mit Käppchen und Handschuhen am Einstieg zur Ersten Klasse und empfing die Fluggäste, die die umständlichen Kontrollen schon hinter sich hatten.

      Bonny war Alexander Rethy sehr sympathisch. Sie war ein typisches Hamburger Mädchen, blond und sauber und anständig.

      Doch schon bald hatte der Flugkapitän keine Zeit mehr, an Alexa oder Bonny zu denken. Auch an Josefa Klinger dachte er nicht mehr, als er die Checkliste zur Hand nahm und nun gemeinsam mit seinem Co-Piloten Punkt für Punkt die Kontrolle aller Geräte durchführte, wie es sich für einen gewissenhaften Flugzeugführer vor dem Start gehörte. Dann erhielt er das Zeichen, dass er zum Start fahren könne. Die Leute vom Turm meldeten, dass alles klar sei, die Männer vom Bodenpersonal traten von der Maschine zurück. Jemand winkte ihn zum Start ein. Es war wie immer und doch anders, weil diesmal jemand zurückblieb: ein kleines blondes Mädchen.

      Als Alexander Rethy die Boeing schon hoch in der Luft hatte, wurde ihm klar, dass die zurückliegenden wenigen Tage die ereignisreichsten seines Lebens gewesen waren. Er hatte Vivian wiedergefunden, und sie war seine Frau geworden. Unbewusst hatte er es sich immer gewünscht, doch erfüllt hatte sich sein Wunsch erst an dem Tag, an dem Vivian gestorben war. Und jetzt wartete dort unten irgendwo in der Dunkelheit sein Kind auf ihn, die kleine Alexa, die seit wenigen Tagen seinen Namen trug.

      Der Flugkapitän besann sich nun und hielt die übliche kleine Ansprache an seine Passagiere, indem er ihnen einen angenehmen Flug wünschte. Er flog für eine amerikanische Linie. Also sprach er zunächst Englisch, dann Deutsch, zuletzt Französisch.

      Der Co-Pilot


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