Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 14 – Familienroman - Elisabeth Swoboda


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besser beherrschen.«

      »Billie hat dir doch nichts getan«, sagte Irene – eigentlich gegen ihren Willen, denn sie hatte nicht vor, sich auf eine längere Debatte einzulassen.

      »Das weiß ich. Es war nur …« Otmar zögerte und sprach schließlich die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, nicht aus, um Irene nicht zu verletzen. Die Sehnsucht, anstelle des Hundes sein Kind vor sich zu sehen und von ihm begrüßt zu werden, hatte ihm einen Augenblick lang die Beherrschung geraubt.

      »Ich war einfach schlecht aufgelegt«, vollendete er den begonnenen Satz. »Wollen wir den Vorfall nicht einfach vergessen« bat er.

      »Ja, reden wir nicht mehr davon«, stimmte Irene zu.

      Otmar wertete dies als Zeichen der Versöhnung und umarmte seine Frau, was sie jedoch regungslos geschehen ließ. Gleich darauf hielt sie den fast fertigen Plüschhasen mit ausgestrecktem Arm von sich weg und begutachtete ihn mit zurückgelehntem Kopf von allen Seiten. »Ich hätte die Ohren doch lieber mit rotem Stoff füttern sollen«, meinte sie dabei.

      Otmar hatte sich die Versöhnungsszene etwas anders vorgestellt. Aber er fand nicht die rechten Worte, Irene das begreiflich zu machen. Außerdem hoffte er, dass sich mit der Zeit alles von selbst wieder einrenken würde. Deshalb sagte er nur: »Rosa ist genau die richtige Farbe für die Ohren. Der Hase ist dir sehr gut gelungen.«

      Mit diesem Lob gedachte er Irene zu erfreuen. Doch nichts in ihrer Miene ließ darauf schließen, dass ihm das gelungen war.

      *

      Anselm nahm Irenes Geschenk mit großer Freude entgegen. Die beiden schlossen sich immer enger aneinander an. Irene besuchte den Jungen nun jeden Tag. Meist wanderte sie dann mit ihm zum Tierheim, wo sie Billie, der schon wieder gut laufen konnte, zu einem Spaziergang durch den Wald abholten.

      Obwohl Anselm ein eher scheues Kind war, hatte er zu Irene solches Zutrauen gefaßt, dass er mit ihr freimütig über alles, was ihm in den Sinn kam, plauderte. Unter anderem beschrieb er ihr mit begeisterten Worten die elektrische Eisenbahn, die er von seinem Vater zu seinem fünften Geburtstag bekommen hatte.

      Irene hörte ihm aufmerksam zu, doch sie war der Meinung, dass die Phantasie mit dem Jungen durchging. Im Kosmetiksalon hatte sie von Frau Kaufmann einigen Tratsch über deren Chefin, Frau Nissel, vernommen. Zwangsläufig war dabei auch die Rede auf Anselm, der ja Irene sozusagen, hingeschickt hatte, gekommen. Frau Kaufmann, froh, eine so interessierte Zuhörerin gefunden zu haben, hatte sich dabei kein Blatt vor den Mund genommen.

      »Der arme Junge«, hatte sie gesagt. »Er kann einem richtig leid tun. Die einzige Person, die sich wirklich um ihn gekümmert hat, war seine Großmutter. Und die ist jetzt tot. Ich weiß nicht, was nun mit dem Jungen geschehen soll.«

      »Er hat doch eine Mutter«, hatte Irene eingewandt.

      »Ach, Frau Nissel!« Das hatte ziemlich abschätzig geklungen. »Ich will gewiss nichts Schlechtes über sie sagen. Sie hat mich immer gut behandelt und ist geradezu die ideale Chefin. Mit den Kundinnen weiß sie in einmaliger Weise umzugehen, nur auf die Behandlung von Kindern versteht sie sich weniger.«

      »Ist sie nicht nett zu Anselm?«, hatte Irene gefragt.

      »O doch. Sie liebt ihn sehr. Aber sie ist einfach nicht fähig, auf das Kind einzugehen. Man kann ihr daraus gar keinen Vorwurf machen. Sie ist eben nicht der Typ dafür. Es ist so ganz und gar nichts Mütterliches an ihr.«

      »Und Anselms Vater?«, hatte Irene zu fragen gewagt.

      »Vater? Von einem Vater habe ich nie etwas gesehen oder gehört.«

      *

      Denise betrachtete die wachsende Freundschaft zwischen Anselm und Irene einerseits wohlwollend, andererseits mit Besorgnis. Der Junge gewöhnte sich immer mehr an Irene. Er sprach nun nicht mehr so oft von seiner Großmutter und schien den Schmerz über ihren Tod teilweise überwunden zu haben. Dafür begann beinahe jeder seiner Sätze mit den Worten: Tante Irene.

      Denise überlegte besorgt, wie wohl Anselms Mutter darauf reagieren würde. Da von Frau Nissel noch immer keinerlei Nachricht eingetroffen war, wusste Denise nicht, wie sich Anselms Zukunft gestalten würde. Der Junge hatte erst vor kurzem seine Großmutter verloren. Würde er nun plötzlich von Irene getrennt werden, wäre das ein schwerer Schlag für ihn.

      Irene verdrängte Denise gegenüber diese Absicht und fragte sie um ihre Meinung. Denise äußerte Bedenken. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mutter so ohne weiteres auf ihr Kind verzichtet«, sagte sie.

      »Das habe ich nicht gemeint«, beeilte sich Irene zu versichern. »Ich will ihr das Kind doch nicht wegnehmen. Aber da Anselm bisher hauptsächlich bei seiner Großmutter war, habe ich gedacht, ob nicht ich deren Platz einnehmen könnte. Ich würde gewiss gut zu ihm sein.«

      Denise betrachtete Irene mit nachdenklichen Blicken. Sie hatte von ihrer Stieftochter Andrea von Lehn die rätselhafte Geschichte von Billies Verletzung vernommen und fragte sich, ob sie es überhaupt wagen durfte, Irene das Kind anzuvertrauen. Freilich glaubte sie ebensowenig wie Hans-Joachim und Andrea, dass Irene die Schuld an Billies sogenanntem Unfall trug. Denise fand Irene sehr sympathisch, und dass Anselm so schnell Vertrauen zu ihr gefaßt hatte, sprach für sie.

      Vorsichtig fragte Denise: »Sie sind doch verheiratet? Was sagt Ihr Mann zu dem Plan, Anselm zu sich zu nehmen?«

      Irene errötete. »Ich habe ihn noch nicht gefragt. Aber ich bin überzeugt, dass er sich freuen würde. Er hat Kinder sehr gern. Seit wir verheiratet sind …« Irene brach ab und seufzte leise.

      »Sie wollen also Ihrem Mann eine Freude machen?«, fragte Denise, die Irenes Seufzer richtig interpretiert hatte.

      »O nein«, wehrte Irene erschrocken ab. »Es geht mir nicht um Otmar oder um mich. Es stimmt, unsere Ehe ist nicht gerade glücklich. Wenn wir Kinder hätten, wäre das bestimmt ganz anders. Aber ich will Anselm nicht dazu benützen, den Bruch in unserer Ehe zu kitten. Es geht mir einzig und allein um das Wohl des Jungen. Sollte Otmar gegen Anselm voreingenommen sein, so …« Irene scheute sich, den Satz zu vollenden. Sie hatte sagen wollen …, so würde ich mich eben von ihm trennen. Sie erschrak, wie selbstverständlich sie diesen Gedanken hatte aussprechen wollen. Lag ihr wirklich nichts mehr an Otmar?

      Denise beobachtete Irene schweigend und sagte schließlich: »Es hat keinen Sinn, sich jetzt schon den Kopf über Anselms Zukunft zu zerbrechen. Einstweilen ist er in Sophienlust gut aufgehoben. Wenn seine Mutter zurückkommt, wird sich ja herausstellen, was sie mit ihm vorhat.«

      »Ja. Aber da ist noch eine Sache, die ich mir nicht erklären kann. Anselm erzählt so gern von seinem Vater. Aber von Frau Kaufmann habe ich gehört, dass Anselm seinen Vater gar nicht kennt. Dabei schildert ihn der Junge so plastisch und mit allen möglichen Details.«

      Denise lächelte: »Das tun Kinder gern. Sie malen sich Phantasiegestalten aus und steigern sich mit einer solchen Intensität in ihre Träume hinein, dass sie schließlich selbst daran glauben. Ich halte Anselms Vater auch für ein derartiges Wunschbild.«

      *

      Nach diesem Gespräch hing Irene immer stärker ihren Träumen nach. Wenn Otmar Anselm nicht akzeptieren würde – nun, dann würde sie allein für den Jungen sorgen. Sie würde ihre Arbeit wieder aufnehmen und sich eine Stelle als Lehrerin suchen. Dann würde ihr für das Kind noch genügend Zeit bleiben. Und sicher würde es mir gelingen, irgendwo eine Wohnung zu finden. Doch wahrscheinlich würde das gar nicht notwendig sein. Otmar würde sicher an Anselm Gefallen finden. Der Junge war doch ein so liebes und anschmiegsames Kind.

      Als Irene und Anselm wieder einmal mit Billie unterwegs waren, sagte Anselm plötzlich: »Schade, dass mein Vati Billie nicht kennt. Ich meine, deinen Billie. Mein Vati hat nämlich auch einen Hund, der Billie heißt.«

      Irene beschloss, auf das Spiel einzugehen. »Und wie sieht der Billie von deinem Vati aus?«, fragte sie.

      »Das weiß ich nicht«, erwiderte Anselm überraschenderweise. »Mein Vati hat ihn mir nie gezeigt. Er hat mir bloß von ihm erzählt.«

      »Aber


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