Die Riesen kommen. Herbert George Wells
und daß offenbar nichts gleichmäßig und stetig wuchs; und soweit er herausbringen konnte, konnte nichts gleichmäßig und stetig wachsen; es war, als müßte jedes lebende Wesen erst Kraft zum Wachstum anhäufen, es wuchs nur eine Zeitlang kräftig und mußte dann eine Weile warten, ehe es wieder weiter wachsen konnte. Und in der verhüllten und hochtechnischen Sprache des wirklich gründlichen »Naturwissenschafters« vermutete Redwood, der Prozeß des Wachstums verlange wahrscheinlich die Anwesenheit einer beträchtlichen Menge einer notwendigen Substanz im Blut, die nur sehr langsam gebildet wurde, und wenn diese Substanz vom Wachstum aufgezehrt sei, werde sie nur sehr langsam ersetzt, und inzwischen habe der Organismus zu warten. Er verglich seine unbekannte Substanz mit dem Öl bei Maschinen. Ein wachsendes Tier war, vermutete er, wie eine Lokomotive, die eine Strecke laufen kann und dann geölt werden muß, ehe sie weiterlaufen kann. (»Aber warum sollte man die Lokomotive nicht von draußen ölen?« sagte Mr. Bensington, als er den Aufsatz las.) Und all dies, sagte Redwood mit der köstlichen Sprunghaftigkeit seiner Klasse, könnte sehr wahrscheinlich ein Licht auf das Geheimnis gewisser der röhrenlosen Drüsen werfen. Als ob sie überhaupt etwas damit zu tun hätten!
In einer späteren Mitteilung ging Redwood weiter. Er gab ein wahres Lexikon von Zeichnungen – genau wie Raketenbahnen sahen sie aus und der Angelpunkt davon – soweit es einen Angelpunkt hatte – war, daß sich das Blut von jungen Hunden und Katzen und der Saft von Sonnenblumen und Pilzen in der Phase, die er die »Wachstumsphase« nannte, im Verhältnis gewisser Elemente von ihrem Blut und Saft an den Tagen unterschied, wo sie nicht besonders wuchsen.
Und als Mr. Bensington, der die Zeichnungen seitlich und umgekehrt betrachtet hatte, klar zu werden begann, worin dieser Unterschied bestand, überkam ihn ein großes Erstaunen. Denn man sieht, der Unterschied konnte wahrscheinlich an der Gegenwart gerade der Substanz liegen, die er kürzlich in seinen Untersuchungen über solche Alkaloide zu isolieren gesucht hatte, wie sie das Nervensystem am meisten stimulieren. Er legte Redwoods Aufsatz auf das Patentlesepult, das unbequem von seinem Lehnsessel fortschwang, nahm seine goldene Brille ab, hauchte darauf und putzte sie sehr sorgfältig.
»Bei Gott!« sagte Mr. Bensington.
Dann setzte er die Brille wieder auf und wandte sich von neuem dem Patentlesepult zu, das sofort, als er mit dem Ellbogen gegen seinen Arm stieß, ein kokettes Kreischen ausstieß und den Aufsatz mit all seinen Zeichnungen zerstreut und verknittert auf den Boden abwarf. »Bei Gott!« sagte Mr. Bensington, als er mit geduldiger Nichtachtung der Gewohnheiten dieses Möbels seinen Magen über die Lehne des Sessels spannte, und da er die Broschüre noch immer außer Griffweite fand, so ließ er sich zur Verfolgung auf alle Viere nieder. Auf dem Boden kam ihm der Gedanke, den Stoff die Nahrung der Götter zu nennen ...
Denn man sieht, wenn er recht hatte, und wenn Redwood recht hatte, so konnte er durch Injektion oder durch Zugabe dieser seiner neuen Substanz zur Nahrung die »Ruhephase« beseitigen, und statt, daß das Wachstum so fortschritt:
mußte es (wenn man mich versteht) so laufen:
IV
Die Nacht nach seiner Unterredung mit Redwood konnte Mr. Bensington kaum einen Augenblick schlafen. Einmal freilich schien es, als ob er in eine Art Halbschlaf verfiel, aber es war nur einen Moment, und da träumte er, er habe ein tiefes Loch in die Erde gegraben und gösse Tonnen um Tonnen von der Nahrung der Götter hinein, und die Erde schwölle und schwölle, und alle Grenzen der Länder barsten, und die Königliche Geographische Gesellschaft war wie eine große Schneidergilde insgesamt an der Arbeit und machte den Äquator weiter ...
Das war natürlich ein lächerlicher Traum, aber er zeugt besser für den Zustand geistiger Erregung, in den Mr. Bensington geriet, und für den wirklichen Wert, den er auf seine Idee legte, als irgend etwas von dem, was er sagte oder tat, wenn er wach und auf seiner Hut war. Sonst hätte ich ihn nicht erwähnt, denn im allgemeinen glaube ich, ist es durchaus nicht interessant, wenn sich die Leute von ihren Träumen erzählen.
Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen hatte auch Redwood in dieser Nacht einen Traum, und dies war sein Traum:
Es war eine in Feuer ausgeführte Zeichnung auf einer langen Rolle des Abgrunds. Und er, Redwood, stand auf einem Planeten vor einer Art schwarzer Tribüne und hielt einen Vortrag über die neue Art des Wachstums, die nun möglich war, und zwar vor der »Mehr als Königlichen Institution ursprünglicher Kräfte« – ursprünglicher Kräfte, die bislang stets, selbst im Wachstum von Rassen, Reichen, Planetensystemen und Welten, so gelaufen waren: –
Und in einigen Fällen sogar so: –
Und er setzte ihnen ganz klar und überzeugend auseinander, daß diese langsamen, diese selbst retrogressiven Methoden durch seine Entdeckung sehr bald ganz außer Mode kommen würden.
Lächerlich, natürlich! Aber auch das zeigt –
Daß einer dieser Träume als irgendwie über das hinaus, was ich kategorisch gesagt habe, bedeutungsvoll oder prophetisch anzusehen wäre, behauptete ich keinen Moment.
Die Experimentalfarm
I
Mr. Bensington wollte diesen Stoff ursprünglich, sobald er nur einmal wirklich imstande war, ihn zu präparieren, an Kaulquappen versuchen. Man stellt solche Versuche zunächst immer an Kaulquappen an; dazu sind Kaulquappen da. Und sie kamen überein, daß er die Experimente leiten sollte, und nicht Redwood, denn Redwoods Laboratorium war voll von dem ballistischen Apparat und von Tieren, die zu einer Untersuchung über die »Tägliche Variation in der Stoßlust des jungen Bullenkalbs« nötig waren, einer Untersuchung, die Kurven von abnormer und ganz verblüffender Art ergab – und die Anwesenheit von Glashäfen mit Kaulquappen war durchaus nicht erwünscht, so lange diese Untersuchung fortging.
Als aber Mr. Bensington seiner Cousine Jane einen Teil dessen mitteilte, was ihm auf der Seele lag, legte sie ein promptes Veto gegen die Einführung irgendwelcher beträchtlichen Anzahl von Kaulquappen oder ähnlichen experimentalen Geschöpfen in ihre Wohnung ein. Sie hatte nichts dagegen, wenn er eins der Zimmer in der Wohnung für die Zwecke einer nichtexplosiven Chemie benutzte, bei der, soweit sie in Frage stand, nichts herauskam; sie duldete, daß er einen Gasofen und einen Ausguß hatte, und auch einen staubdichten Schrank der Zuflucht vor dem wöchentlichen Gewitter der Reinigung, dessen sie sich nicht begeben wollte. Und da sie Leute gekannt hatte, die dem Trunk ergeben waren, so sah sie seine Begier nach Auszeichnung in gelehrten Gesellschaften als einen ausgezeichneten Ersatz für die gröbere Form der Verderbtheit an. Aber irgendwelche Art von Lebewesen – »krabbelig«, wie sie sein mußten, wenn sie am Leben waren, und »stinkig«, wenn tot – die konnte und wollte sie nicht dulden. Sie sagte, so etwas sei sicherlich ungesund, und Bensington sei ein notorisch schwächlicher Mann – es sei Unsinn, wenn er das leugne. Und als Bensington versuchte, die ungeheure Bedeutung dieser möglichen Entdeckung klarzumachen, sagte sie, das sei alles recht schön, aber wenn sie zugäbe, daß er alles im Hause scheußlich und ungesund machte (und darauf liefe alles hinaus), dann sei sie überzeugt, werde er sich zu allererst beklagen.
Und Mr. Bensington ging ohne Rücksicht auf seine Hühneraugen im Zimmer auf und ab und redete ohne den geringsten Erfolg fest