Mountain Darkness – befreit mich aus der Dunkelheit. Vanessa Vale
„Sie ist nicht gestolpert, Kit.“ Er sah zu Erins Körper auf dem Boden. „Sie wurde ermordet.“
2
NIX
Kit Lancaster.
Meine Fresse, Kit fucking Lancaster.
Hier. In Cutthorat. Ich hatte mich gefragt, wohin sie gegangen war. Nicht gegangen. Geflohen. Sie hatte sich buchstäblich mitten in der Nacht davongestohlen und ich hatte keine verdammte Ahnung warum. An einem Tag hätte sie zum Abendessen vorbeigekommen sollen, am nächsten war sie nach Billings gezogen. Kein Anruf. Keine SMS. Nicht einmal ein verdammter Notizzettel.
Wir hatten keine Dates gehabt, da ein Treffen zum Kaffee, um über den Polizeiball zu reden, nicht zählte. Und Küsse? Ein kleiner Schmatzer auf ihre Wange zählte definitiv nicht. Ich hatte so viel mehr gewollt. Fuck, ich hatte alles mit ihr gewollt. Ich hatte gehofft, sie würde in die Stadt zurückkehren, denn sie war die Eine, die mir entwischt war. Die Eine, die ich noch immer wollte, selbst nach einem Jahr. Zum Teufel, sie war Die Eine.
Und jetzt? Die Frau meiner Träume, die in jeder einzelnen meiner erotischen Fantasien vorkam, war in einen Mord verwickelt.
Erin Mills heute Morgen tot auf ihrem Wohnzimmerboden liegen zu sehen, war ein Schock gewesen, aber Kit zu sehen, die voller Blut war… fuck, ich war um zehn Jahre gealtert, als ich sie so gesehen und gedacht hatte, sie wäre ernsthaft verletzt worden. Das Blut war auf ihren Händen, ihren Unterarmen, sogar auf ihren Schlafkleidern und auf ihren Beinen gewesen. Ich hatte sie packen, sie festhalten und von den Schrecken wegbringen wollen, zu denen sie aufgewacht war. Aber das war das Letzte, das ich hatte tun können. Ich war ein Detective und sie… steckte bis zum Hals in Schwierigkeiten.
Sie war bedeckt mit Beweisen gewesen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie einen Tatort verändert, als sie Erin zu Hilfe geeilt war. Ihre DNA war nicht nur im ganzen Haus zu finden, weil sie dort gewohnt hatte, sondern auch überall auf der toten Frau, die brutal ermordet worden war. Es war mein Job, herauszufinden, was geschehen war und den Kriminellen vor Gericht zu bringen. Es gab ein Protokoll. Schritte, die befolgt werden mussten. Und keiner von diesen beinhaltete die Umarmung einer Zeugin – und potenziellen Verdächtigen – und Verunreinigung von Beweismitteln.
Fuck. Das war vor zwölf Stunden gewesen und ich dachte immer noch an sie. Meine Schicht war vorbei und ich fuhr gerade zum Mills Moments Büro. Ich wagte es nicht, irgendjemandem zu verraten, dass sich meine Gedanken nicht um das Opfer, sondern deren Mitbewohnerin gedreht hatten. Die Kollegin.
Kit war wunderschön gewesen, als sie in dem Wohnzimmer gestanden hatte, selbst mit ihrem panischen Blick und obwohl der Adrenalinschub, den ihr die Panik versetzt hatte, sie zum Zittern gebracht hatte. Perfekt. Ihre dunklen Haare waren vom Schlaf zerzaust gewesen. Ihr rundes Gesicht war frei von jeglichem Make-up gewesen. Sie hatte in ihrem knappen Schlafoutfit wie das Mädchen von nebenan ausgesehen. Es war verdammt sexy gewesen, wäre da nicht das verdammte Blut gewesen. Die Leiche. Das hatte meinen Schwanz davon abgehalten, vor den Ersthelfern hart zu werden.
Ich fuhr vor eine rote Ampel und rutschte auf meinem Platz herum.
Ich hatte zuvor schon einen gewaltigen Drang verspürt, Kit zu beschützen, aber jetzt? Hatte jemand tatsächlich Erin Mills töten wollen oder war der Mörder wegen Kit dort gewesen? War Erin ihm in den Weg gekommen? Warum hatte Kit nichts gehört? So viele Fragen, auf die es keine Antworten gab.
„Denkst du, sie wird dort sein?“, fragte Donovan, womit er mich aus meinen Gedanken riss. Ich telefonierte über Lautsprecher mit ihm und brachte meinen Freund auf den neuesten Stand bezüglich des Falls. Als Anwalt bei der Staatsanwaltschaft würde er es mit diesem Fall zu tun bekommen. Irgendwann. Wenn wir einen Häftling hatten. Aber er fragte nicht wegen des Falls nach Kit. Er fragte, weil sie zurück in der Stadt war. Zurück mitten in einem absoluten Schlamassel. Nachdem ich die Spurensicherung im Mills‘ Haus ihrem Job überlassen hatte, hatte ich Donovan angerufen und ihm erzählt, was passiert war. Ich hatte ihn darüber informiert, dass Kit zurück war, dass sie mitten in dem ganzen Drama steckte. Er hatte nicht gewusst, dass sie wieder in Cutthroat war, denn ansonsten hätte er es mir erzählt. Wir hatten darauf gewartet, wieder mit ihr zu sprechen. Eine Chance zu bekommen, um ihr zu sagen, wie wir empfanden, und sie zu der Unseren zu machen.
Das ist richtig. Der Unseren.
Ich setzte den Blinker und bog auf die Main Street. Für einen Sonntagabend in Cutthroat waren die Straßen ziemlich überlaufen, voller Touristen und Einheimischer, die das spektakuläre Wetter genossen. Es gab nichts Besseres als einen Sommer in Montana, abgesehen von den Wintern, wenn die schwarzen Abfahrten des Cutthroat Mountain epischen Pulverschnee hatten.
Ich dachte an Donovans Frage. Würde sie im Mills Moments Büro sein? „Sie ist auf keinen Fall zu ihrer Mom gegangen. Soweit ich weiß, hat Mrs. Lancaster ihr Haus seit Jahren nicht verlassen.“ Kits Leben zu Hause war ein verdammtes Desaster gewesen. Ihr Dad war gegangen, als sie sechs Jahre alt gewesen war und das hatte ihre Mutter völlig aus der Bahn geworfen. Depressionen und Angstzustände hatten sich zu einem extremen Sammelzwang und Agoraphobie entwickelt. Kit hatte sich quasi allein großgezogen und dabei noch um ihre Mom gekümmert.
„Nach dem zu urteilen, was Kit mir letztes Jahr erzählt hat, haben Lebensmittellieferungen und Online Shopping dabei geholfen. Erin ist offensichtlich ein verlorener Posten.“ Ich seufzte und rieb mit einer Hand über mein Gesicht. „Fuck, so meinte ich das nicht.“
Donovan gluckste. „Sie könnte in einem Hotel sein.“
Ich schüttelte den Kopf, auch wenn er mich nicht sehen konnte. „Ich habe die Hotels überprüft. Es gibt kein Zimmer in ihrem Namen.“ Das war einer der Vorteile, Detective zu sein. „Das Büro ist das Einzige, das noch übrigbleibt.“
Ich klappte meine Sonnenblende nach unten, weil mich die Sonne blendete, die nun tiefer am Himmel stand.
Da es zwischen zwei National Parks lag und zahllose Outdoorfans nach Montana kamen, um sich an der Wildnis zu erfreuen, war Cutthroat eine beliebte Stadt. Sie war unschuldig nach der einheimischen Forelle benannt worden, die in dem Fluss lebte, der entlang der östlichen Stadtseite verlief, und war eine kleine Stadt, aber auch hier gab es Kriminalität. In welcher Stadt gab es die nicht? Es gab zumindest so viel, dass ich weiterhin einen Gehaltscheck erhielt. Und beschäftigt war. Der letzte Mord war 1984 verübt worden, als eine Frau ihren Ehemann mit einer Kettensäge umgebracht hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass er sie mit einer Nonne aus dem Kloster, die auf dem Weg nach Missoula gewesen war, betrogen hatte. Dieser Fall war jedoch anders.
Ich hatte Erins finanzielle Unterlagen, Telefonberichte, die üblichen Daten eben, angefordert. Zudem hatte ich in Erfahrung gebracht, dass sich das Mills Moments Büro im ersten Stock eines der historischen Gebäude auf der östlichen Seite der Stadt befand. Da diese Gegend überfrachtet mit schicken Läden und Outdoor-Geschäften war, die sich an den reichen Outdoorsportler richteten, bedeutete diese Adresse, dass ihr Eventplanungs-Business gut lief. Gut genug, um einen Partner wie Kit zu brauchen.
Nachdem die Rettungssanitäter Kit ins Krankenhaus gebracht hatten – um sicherzugehen, dass sie nicht verletzt war und um ihre Kleidung zu katalogisieren und DNA-Proben zu nehmen – hatte ich auf die Spurensicherung und den Gerichtsmediziner gewartet. Es hatte Stunden gedauert, den Körper zu fotografieren, alles aufzunehmen, die Berichte zu tippen und mich mit meinem Chef sowie der Zeitung auseinanderzusetzen. Ein Mord sprach sich schnell herum, vor allem wenn es ich bei dem Opfer um Erin Mills handelte.
Die Autopsie würde morgen stattfinden und die Beweise wurden verarbeitet. Heute Abend gab es für mich nichts anderes zu tun. Außer Kit zu finden.
„Ich weiß lediglich, dass sie sie nach ein paar Stunden aus dem Krankenhaus entlassen haben“, fügte ich hinzu. „Ein Officer hat sie zu ihrem Auto gebracht.“
„Sie hat bei Erin gewohnt, kann dort aber nicht mehr bleiben, weil das Haus ein Tatort ist. Und da