Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande. Ulrich Renz

Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande - Ulrich Renz


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will nicht auf den Campingplatz“, heulte Ute los, „ich verbring doch meinen Urlaub nicht irgendwo auf dem Acker! Ich will auch am Pool chillen und schick essen gehen!“

      „Das ist ja gerade das Tolle“, sagte Mama geduldig, „wir können alles nutzen, was die Anlage zu bieten hat, Swimmingpool, Cafés und das Restaurant. Aber wir müssen nicht in den teuren Appartements wohnen. Das könnten wir uns einfach nicht leisten, die Flüge kosten ja schon ein Vermögen.“

      Gelegenheit für Papa, seine altbekannte Botschaft loszuwerden, dass wir „den Gürtel nun mal enger schnallen“ müssten, weil wir doch noch unser Haus abzubezahlen hätten. „Und das kostet uns jeden Monat fast tausend Euro.“ Eigentlich eine traurige Botschaft, aber er machte dabei einen ganz vergnügten Eindruck. Sparen ist sowas wie sein Lieblingssport.

      „Alles steht uns offen“, fuhr Mama fort, „und natürlich dürfen wir auch den Strand nutzen. Und abends essen wir in diesem tollen Restaurant, da gibt es sogar Bio-Essen!“ Sie blätterte weiter. „Und hört euch das an, es gibt da auch ein Clubprogramm: ‚Für die aktive Freizeitgestaltung für alle Altersgruppen ist gesorgt, von Aerobic, Bogenschießen über Surfen, Schminkkurs bis Yoga und Zumba! Und jeden Abend ein buntes Unterhaltungsprogramm für Jung und Alt mit internationalen Stars in lockerer Atmosphäre‘.“

      „Muss man aber nicht hingehen“, murmelte Papa. Party ist nicht sein Ding.

      Ute dagegen schien die Sache mit dem Clubprogramm wieder versöhnlicher zu stimmen. „Schminkkurs“ war wahrscheinlich das Zauberwort gewesen. Jedenfalls hörte das Gemaule auf.

      „Und dann haben wir uns noch was anderes überlegt …“ Mama hatte offenbar noch was im Köcher, ihrem bedeutungsvollen Blick nach zu urteilen. „Weil ihr beiden ja gerade nicht so viel miteinander anfangen könnt – es ist eben eine schwierige Phase so am Anfang der Pubertät …“

      Sie kann es einfach nicht lassen.

      „Wollt ihr nicht jeder einen Freund oder Freundin mitnehmen?“

      „Melanie!“, platzte Ute gleich raus.

      „Dann bleib ich zu Hause“, entfuhr es mir, obwohl ich eigentlich von Glückshormonen überschwemmt war. Aber Ute und Melanie, das ist für einen normalen Menschen einfach nicht auszuhalten.

      Natürlich hatte ich mich jetzt der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht. Ute sprang auf und rannte raus, nicht ohne die Tür so hinter sich zuzuschlagen, dass es ein mittelschweres Erdbeben gab.

      Mama nahm mich ins Gebet und war sofort wieder bei ihrem Lieblingsthema. „Du weißt doch, Motte, dass die Pubertät vor allem für Mädchen eine schwierige Zeit ist, in der die Umgebung viel Feingefühl aufbringen muss.“

      „Also gut.“ Das mit dem Feingefühl hatte mich auf eine Idee gebracht. „Klar darf sie Melanie mitnehmen, aber ich bin nun mal auch in der Pubertät, jedenfalls so gut wie. Ich bring es einfach nicht übers Herz, von meinen Freunden nur einen mitzunehmen. Sollen die anderen denn zu Hause bleiben? Wenn, dann müssen alle mit.“

      „Aber meinst du denn wirklich, dass Mariekje …“

      Gut, da hatte sie wahrscheinlich recht, MMs Mutter würde ihre Tochter nie und nimmer zusammen mit Jungs verreisen lassen. „Aber Simon und JoJo auf jeden Fall!“

      Mama schaute zu Papa. „Was meinst du? Ist doch eigentlich ein vernünftiger Vorschlag, Reinhard, oder?“ Damit war die Sache eigentlich schon geritzt. Es kommt bei uns nicht so oft vor, dass Papa anderer Meinung ist als Mama.

      In dem Moment kam Ute wieder ins Zimmer gestürmt, in Tränen aufgelöst. Sie hängte sich Mama an den Hals, als ob sie am Ertrinken wäre. „Melanie kann nicht mitkommen, ihre Eltern lassen sie nicht!“ Mehr konnte sie vor lauter Schluchzen nicht sagen.

      „Aber weißt du was, Ute?“, sagte Papa mit einem Augenzwinkern, das offenbar tröstend gemeint war. „Vielleicht kommt ja Simon mit.“

      Böser Fehler. Er hatte es offenbar noch nicht mitgekriegt oder wieder vergessen. Mama schaute ihn beschwörend an und gab ihm einen Stoß in die Rippen.

      „Simon ist mir so was von egal!“, brach es auch schon aus Ute heraus. Und schon hing sie wieder schluchzend an Mamas Hals.

      Das Aus für Utes heiße Liebe zu Simon war gerade ein paar Wochen her. Und war, ich muss es gestehen, ganz und gar meine Schuld. Ich hatte es einfach nicht mehr mit ansehen können, wie der arme Simon von Ute regelrecht verfolgt wurde, er tat mir echt leid. Aber auch mit Ute konnte es so nicht weitergehen. Sie hatte nichts anderes mehr im Kopf als ihren „Saisai“, es war einfach nicht mehr normal. An einem schönen Sonntagabend sagte ich ihr dann klipp und klar, dass ihr Saisai rein gar nichts von ihr wolle und nur zu lieb sei, ihr das offen ins Gesicht zu sagen. „Merkst du denn nicht, dass du ihn nur nervst? Jetzt komm mal auf den Teppich!“ – So ungefähr. Es hatte jedenfalls gewirkt. Und zwar schlagartig. Drei Tage lang verkroch sie sich in ihrem Zimmer und hatte vermutlich pausenlos Melanie am Telefon, dann kam sie mit der Mitteilung wieder heraus, dass sie sich Simon „aus dem Herz gerissen“ hätte, und dass da jetzt eine große Wunde klaffte, die sich wohl nie, nie, nie wieder schließen würde und dass Simon für immer und ewig die „Liebe ihres Lebens“ bleiben würde, und sie auf ihn warten würde – lebenslänglich! – bis er so weit sei. Bis dahin würde sie keinen – wirklich keinen! – anderen „Mann“ auch nur mit dem Arsch anschauen, sondern geduldig warten, bis sie in ihrer gemeinsamen Liebe vereint seien. So sprach sie ein paar Tage lang. Mama war schon so verzweifelt, dass sie Ute zum Psychologen schleppen wollte. Aber dann wurde sie langsam wieder normal – soweit man bei einem Mädchen, das viel zu früh in den Strudel der Pubertät gezogen wurde, von normal sprechen kann.

      Ute war inzwischen auf Mamas Schoß eingeschlafen. Mama streichelte ihr durchs Haar. „Große Ereignisse werfen nun mal ihre Schatten voraus“, sagte sie und schaute lächelnd von Papa zu mir: „Das wird ein Traumurlaub!“

      2. KAPITEL

      Tja, und ein paar Wochen später fing der Traumurlaub tatsächlich an – und zwar in der absoluten Traumbesetzung: ohne Melanie, dafür mit allen meinen Freunden. Und zwar wirklich allen, MM inklusive. Ja, Wunder geschehen auch heute noch.

      Das MM-Wunder hatte allerdings ein Weilchen auf sich warten lassen. „Das erlaubt meine Mutter niemals“, hatte MM sofort gesagt, als ich ihr zum ersten Mal von unseren Ferienplänen erzählte. Und damit natürlich recht gehabt. „Du hast wohl einen Vogel! Mit drei Jungs!“, beschied ihr ihre Mutter kurz und knapp. Jungs sind für sie etwas, von dem Mädchen unbedingt fernzuhalten waren. Ganz besonders ihre Tochter. Sie stellt sich was weiß ich vor, was sonst passieren würde.

      Die Rettung kam von Tati – so nennt MM ihren Papa. Genauer gesagt von der Tatsache, dass er so was wie ein halber Grieche ist; sein geliebter Großvater „Babu“ stammt nämlich aus Griechenland. Er ist vor Urzeiten nach Deutschland gekommen, als Tati noch ein kleiner Junge war. Tati spricht sogar noch ein bisschen Griechisch, so erzählte mir MM einmal.

      Tatis rettende Idee war: „Wir könnten doch alle zusammen mit den Blohms fahren!“ Sie traf bei seiner Frau aber wohl nicht auf Gegenliebe. „Auf einen Campingplatz? Im Ernst? Urlaub im Schmodder?“ Ihre Welt ist eher die der Sterne-Hotels, was von der Inhaberin einer Mode-Boutique vielleicht auch nicht anders zu erwarten ist.

      Tati ließ aber nicht locker. Es folgten tagelange Ausein-andersetzungen zwischen MMs Eltern, bei denen es wohl ziemlich hoch herging, wie MM berichtete. Am Ende einigten sie sich aber, und zwar auf die denkbar beste Lösung: Tati würde zusammen mit MM mit uns in den Urlaub kommen, und Frau Marienhoff würde zu Hause bei ihrer Boutique bleiben. Ich habe es ja schon gesagt, Wunder geschehen auch heute noch. Tati musste natürlich hoch und heilig versprechen, dass er immer ein wachsames Auge auf MM haben würde. „Vor allem, dass mir die Kleine um Punkt zehn im Bett ist!“

      Bei JoJo war die Sache dagegen


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