Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande. Ulrich Renz

Motte und Co Band 4: Die Insel der Drogenbande - Ulrich Renz


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kann es eigentlich nicht ausstehen.

      Als Luigi uns die Getränke brachte, reichte Ute ihr Bitter Lemon an Papa weiter. So ist sie dann auch wieder. Manchmal finde ich meine Schwester richtig klasse.

      Tatis „Retsina“ stellte sich als Weißwein heraus, der in einem riesigen Krug serviert wurde. Tati bot Papa und Mama davon an, die aber ablehnten. Dann schenkte er sich selber ein, nahm einen großen Schluck und sagte selig: „Retsina, der Geschmack von Griechenland!“ Und schenkte sich gleich wieder nach.

      Ich fing einen misstrauischen Blick von Mama auf. Alkohol ist nicht so ihr Ding. Aber besser Tati trinkt Retsina, finde ich, als dass er sich mit der Erziehung seiner Tochter beschäftigt.

      JoJos „on the rocks“ bedeutete offenbar nichts anderes, als dass die Cola Gläser voller Eiswürfel waren. Ich finde Cola aber ohne Eiswürfel besser, die brennen immer so an den Lippen. Außerdem hat man mehr Cola, wenn das Glas nicht voller Eiswürfel ist.

      Das „bunte Showprogramm“ startete mit der Kinderdisco. Eine junge Frau mit vielen bunt umwickelten Zöpfchen und riesigen Ohrringen wurde von erwartungsvollen Kindern umringt, die offenbar schon wussten, wie der Hase läuft. Sie stellte sich als Tanja vor und gehörte zum Team der Animateure, wohl so eine Mischung aus Sportlehrern und Stimmungskanonen.

      Und dann dröhnte das „Clublied“ aus allen Lautsprechern, viele Gäste sangen mit und die Kinder und die Animateurin tanzten im Kreis. Anfangs sah das noch nach einer Vorführung aus, artete dann aber in ein wildes Gehopse aus.

      Ein paar Tische von uns entfernt saßen die Typen mit den Seitenscheiteln und tranken Bier. Sie lästerten laut über alles und jeden, bis sie von einem Herrn im Anzug zurechtgewiesen wurden, der offenbar der Manager war. Wieder fiel mir der kleine Sommersprossige auf, der sich in der grölenden Gesellschaft sichtlich unwohl fühlte. Er schaute immer wieder verschämt zu Ute rüber.

      Aber die hatte nur Augen für das, was sich jetzt auf der Bühne abspielte. Dort waren mehrere junge Männer und Frauen in coolen Sportklamotten aufgetaucht. Mit einem Lächeln wie aus der Zahnpasta-Werbung stellte einer von ihnen sich als „Chrissy“ vor, „euer Surflehrer“. Er war braungebrannt und muskulös, hatte knallblaue Augen und die langen blonden Haare über dem Kopf hochgeknotet.

      Ute konnte gar nicht mehr aufhören, ihn mit offenem Mund anzustarren. Sie musste fast gewaltsam von ihrem Stuhl gezerrt werden, als Papa und Mama jetzt zurück zum Campingplatz wollten.

      „Ab morgen dürft ihr abends mitmachen“, sagte Mama, „aber jetzt ab ins Bett, das war ein langer Tag heute.“

      Wir verabschiedeten uns von Tati, der mit seinem Retsina ganz glücklich schien, und zuckelten zum Campingplatz hinauf.

      Papa, Mama und Ute verschwanden im Wohntempel. Und MM, JoJo, Simon und ich zogen weiter zu unserem Indianer-Lager. Wir standen einen Moment unschlüssig vor unserem Zelt, bis Simon mit der genialen Idee kam: „Wir schlafen Hängematte!“

      „In der Hängematte, Alter“, sagte MM und puffte Simon in die Seite. „Siegwart könnte dir mal richtiges Deutsch beibringen …“

      Simon grinste bloß. Perfektes Deutsch war nicht sein Ehrgeiz. Auch jetzt, wo er schon ein ganzes Jahr aus Amerika zurück war, produzierte er seine berühmten Ami-Fehler noch in Serie.

      Schon bald lagen wir alle in unseren Hängematten. Um uns rum zirpten die Grillen, am Himmel waren Unmengen an Sternen. Keiner sagte ein Wort.

      Wir waren erst einen Tag im Urlaub, ging mir noch durch den Kopf, aber es fühlte sich an, als ob es schon eine Ewigkeit wäre. Und damit war ich auch schon eingeschlafen.

      4. KAPITEL

      In den nächsten Tagen groovten wir uns dann vollends ein ins Ferienleben. Unsere Hautfarbe ging schon Richtung Dunkelbraun, außer bei JoJo, der sich nicht von seiner Ganzkörpermontur trennen konnte. In MMs braunem Gesicht leuchteten ihre meerblauen Augen so, dass ich gar nicht mehr hinschauen konnte. Es war jedes Mal so, als ob ich einen leichten Stromschlag bekäme. Aber das musste sie ja nicht wissen. Sie hatte wahrscheinlich recht, dass es besser war, wenn wir „normale Freunde“ blieben.

      Inzwischen hatten wir mit sämtlichen Bewohnern auf dem Campingplatz Bekanntschaft gemacht. Die meisten waren Deutsche oder Österreicher, mit Ausnahme der holländischen Familie, die wir schon am ersten Tag im Swimmingpool gesehen hatten. Die Kinder waren wie die Orgelpfeifen, das kleinste noch ein Baby, das älteste ein Junge von vielleicht 16 Jahren. Auch außerhalb des Pools hatten sie immer Sachen in orange an – der holländischen Nationalfarbe, wie uns JoJo aufklärte („Weiß doch jeder, der Fußball guckt“). Zu allem Überfluss hatten alle acht auch noch orangene Haare, ungefärbt. Die ganze Familie sah aus, wie man sich eben Holländer so vorstellt: Die Mama, Britta, hatte blonde Haare und eine Stupsnase, der Papa war zwei Meter groß. Eines der Mädchen hieß Leonie und lief mit einem Eimerchen rum, in dem sie einen toten Fisch herumtrug, den sie jedem zeigen musste. „Fisch slaapt!“, sagte sie dazu.

      Papa war inzwischen seinen Verband los und hatte nur noch ein Pflaster um den Daumen. Er hatte sich mit dem Platzwart angefreundet, der sich mit dem Namen „Evangelos“ vorgestellt hatte und in dem hellblau gestrichenen Häuschen gleich neben dem Eingangstor zur Straße wohnte. Wir hatten ihn „Koala“ getauft, wegen den Haarbüscheln in den Ohren. Papa und der Koala unterhielten sich in einer merkwürdigen Mischung aus Altgriechisch und Englisch, vor allem aber mit Händen und Füßen. Papa war ganz beglückt, über den Koala einen „authentischen Einblick ins Leben der Griechen“ zu gewinnen, wie er sich ausdrückte. „Authentisch, von griechisch authentikos, echt“, kam natürlich gleich noch hinterher.

      Der abgefahrenste Typ auf dem ganzen Campingplatz aber war der „Rastamann“.

      So nannten wir den zerzausten Hippie, der in einem verrosteten VW-Bus hauste, der keine Räder mehr hatte, sondern auf Steinen aufgebockt war. Seine Rasta-Mähne ging bis über die Schultern, dazu hatte er einen ebenso verfilzten, schon grauen Bart, den er auf beiden Seiten des Kinns zu Zöpfchen geflochten hatte. Es war schwer zu sagen, wie alt er war, aber bestimmt war er älter als Papa und Mama, jedenfalls hatte er tiefe Furchen im Gesicht. Außer einer langen bunten Stoffhose hatte er nie etwas an, auch keine Schuhe. Auf der Schulter und auf beiden Unterarmen hatte er Tattoos mit merkwürdigen Mustern und Schriftzeichen und an allen Fingern trug er breite Silberringe.

      Meistens saß er im Schneidersitz vor seinem Bus und bastelte Schmuck aus Messing, bunten Steinen und Lederbändchen, den er am Strand den Touristen verkaufte.

      Wie sich herausstellte, war er Deutscher. Er hatte uns gleich am ersten Morgen angesprochen, als wir auf dem Weg zum Wohntempel bei ihm vorbeikamen. Am Anfang war er mir, ehrlich gesagt, etwas unheimlich, und den anderen ging es wohl genauso. Aber als wir dann so miteinander sprachen, legte sich das. Er hatte eine warme Stimme und grüne, offene Augen. Er wollte von jedem von uns den Namen wissen, fand „MM“ ziemlich lustig und wollte wissen, wie man zu so einem Namen kommt.

      „Wenn man eigentlich Mariekje Marienhoff heißt und die Leute einen Knoten in die Zunge bekommen“, erklärte MM, und wir anderen hielten natürlich die Klappe. Schließlich musste nicht jeder wissen, dass MM am Anfang eigentlich mal für „Mathe Mausi“ gestanden hatte, als MM neu in unsere Klasse gekommen war und wir alle sie für eine Streberin hielten, weil sie schon zwei Klassen übersprungen hatte.

      Der Rastamann hieß eigentlich Erwin. Er lebte schon seit Ewigkeiten auf der Insel. Warum er denn nicht zurückgegangen sei, wollte JoJo wissen.

      „Ich habe hier doch alles, was ich brauche“, war seine Antwort, „Luft, Sonne, Freiheit.“ Dabei schaute er uns lächelnd an, aber irgendwie wirkte er auch ein bisschen traurig.

      „Was wollte denn dieser Hippie von euch?“, fragte Mama mich, als wir am Wohntempel ankamen. Der Frühstückstisch unter dem Vordach war schon gedeckt.

      „Nichts, wir haben uns nur ein bisschen unterhalten.“

      „Man


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