Der Bergpfarrer Staffel 18 – Heimatroman. Toni Waidacher
raunte er mit einschmeichelnder Stimme in ihr Ohr. »Nur laß mich nicht zu lange warten. Ich verzehre mich nach dir!«
Er schaute sie lächelnd an.
»Bis morgen, Babette. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.«
Sie lächelte tapfer zurück und nickte.
Nachdem Adrian gegangen war, setzte sie sich auf das Bett und überlegte. Gerne hätte sie sich mit Florian ausgesprochen, doch der zeigte sich unversöhnlich. Aber dazu hatte er ja auch allen Grund. Babette konnte nicht sagen, daß sie an seiner Stelle anders reagiert hätte, als er es getan hatte.
Immer wieder war sie versucht, nach nebenan zu gehen und zu klopfen. Aber sie war sicher, daß er nicht öffnen würde, also unterließ sie es doch. Ein Blick auf die Uhr belehrte sie, daß es höchste Zeit war, schlafen zu gehen, wenn sie sich am nächsten Morgen nicht wie gerädert fühlen wollte.
Sie stellte den Wecker auf halb vier und ging ins Bad. Als sie dann kurz darauf im Bett lag und die Augen schloß, sah sie immer noch Florians Gesicht.
Verbittert und anklagend hatte er sie angesehen.
*
Florian Unger war wutentbrannt nach St. Johann zurückgefahren. Dabei galt diese Wut nicht Babette, sondern Adrian Heller. Am liebsten hätte er diesen Kerl auf den Mond geschossen, nur ging das leider nicht.
Ria Stubler war erstaunt gewesen, als der Chemiker alleine zurückkam.
Vor allem so früh!
»Hat’s ihnen net gefallen am Achsteinsee?« fragte sie.
Florian winkte ab.
»Doch, doch«, antwortete er kurz und stieg die Treppe hinauf.
In seinem Zimmer hockte er sich auf einen Stuhl und brütete vor sich hin. Der ganze Urlaub war verdorben, und obendrein hatte er auch noch die Frau verloren, in die er sich so Hals über Kopf verliebt hatte.
Er hätte vor Verzweiflung schreien mögen!
Doch wem hätte das etwas genutzt?
Irgendwann raffte er sich auf und machte einen Spaziergang. Er wollte nicht in seinem Zimmer sein, aber auch nicht unter Leuten. Schließlich setzte er sich auf eine Aussichtsbank, die am Rande einer Bergwiese stand, und schaute ins Tal hinunter. Aber für die Schönheiten der Natur hatte er keinen Blick. Mit seinen Gedanken war er bei Babette, und die Vorstellung, daß sie jetzt mit diesem Schnösel zusammen war, peinigte ihn bis aufs Blut. Immer wieder malte er sich aus, was die beiden wohl gerade machten, und die schlimmste Phantasie war, sie in seinen Armen zu sehen.
Es war schon später Nachmittag, als er heimging. Der Sportwagen stand noch nicht vor der Pension; sie waren also immer noch am See.
Irgendwann hörte er Stimmen auf dem Flur und lauschte, ob er sie erkannte. Ja, es waren ganz eindeutig Babette und dieser Heller, die sich da draußen unterhielten. Florian schlich zur Tür. Im ersten Moment wollte er horchen, was die beiden sich zu sagen hatten, doch dann kam es ihm albern vor, und er öffnete.
Ein Schwall eisigen Wassers hätte keine andere Wirkung auf ihn haben können, als die Szene, die sich ihm bot.
Babette lag in den Armen des anderen und ließ sich von ihm küssen.
Dieser Anblick gab Florian einen tiefen Stich ins Herz. Für Sekunden schien sich alles um ihn herum zu drehen. Er konnte nicht anders, als wie gebannt auf die beiden zu starren. Erst als er das schuldbewußte Gesicht Babettes sah, ging ein Ruck durch ihn hindurch, und er knallte die Tür ins Schloß.
Wie gelähmt stand er da und war unfähig, sich zu rühren.
So verhielt es sich also, Babette war auf den Burschen hereingefallen!
Florian schluckte den dicken Kloß hinunter, der in seinem Hals steckte, und rang nach Luft. Als es kurz darauf an die Tür klopfte, reagierte er nicht. Babette rief seinen Namen, doch die Tür blieb verschlossen.
Gab es wirklich noch etwas zwischen ihnen zu bereden, wie sie sagte?
Nein. Aber er hatte ihr etwas zu sagen.
Florian schloß die Tür auf und öffnete sie einen Spalt. Blaß sah sie aus, und das schlechte Gewissen stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Bitte, darf ich hereinkommen?« fragte sie mit zitternder Stimme.
»Warum?« gab er schroff zurück. »Du hast dich doch offenbar entschieden.«
Und die Tür fiel wieder ins Schloß.
An diesem Abend verließ Florian Unger sein Zimmer nicht mehr. Seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen, aber er verspürte auch keinen Hunger. Er machte sich früh fürs Bett fertig und versuchte zu schlafen, was ihm angesichts der Ereignisse aber überhaupt nicht gelang. Erst gegen zwei Uhr schloß er die Augen. Als der Wecker klingelte, hatte er gerade mal eineinhalb Stunden geschlafen.
Die Dusche erfrischte ihn nur mäßig. Zwar konnte sie den Schlaf vertreiben, nicht aber das Gefühl des Verlorenseins und der inneren Traurigkeit. Am liebsten wäre er liegengeblieben und hätte auf die Tour verzichtet. Aber er hatte sich so auf den Aufstieg gefreut, und wenigstens etwas Schönes wollte er in diesem Urlaub noch erleben.
Vielleicht, hoffte er, verzichtete Babette ja darauf.
Die Geräusche aus dem Nachbarzimmer belehrten ihn allerdings eines Besseren. Offenbar machte sie sich auch für den Ausflug in die Berge fertig. Florian wußte nicht, ob er sich darüber freuen sollte.
Plötzlich kam ihm ein schrecklicher Verdacht.
Was, wenn der Kerl, dieser Heller, vorhatte, sich ebenfalls anzuschließen?
Der Dreistigkeit nach zu urteilen, mit der er sich gestern zwischen ihn und Babette gedrängt hatte, war es ihm durchaus zuzutrauen!
Florian wartete, bis er hörte, wie die Lehrerin leise die Tür ins Schloß zog und die Treppe hinunterging. Erst dann verließ er ebenfalls das Zimmer und folgte ihr.
Ria Stubler hatte gesagt, daß sie das kleine Frühstück in dem Aufenthaltsraum bereitstellen würde. Als Florian davor stand, glaubte er, hinter der geschlossenen Tür Stimmen zu vernehmen. Er öffnete sie und trat ein.
Als hätte ihn der Schlag getroffen, stand er da und starrte Babette und Adrian an.
Was nun? Kehrtmachen? Oder sich durch die Situation kämpfen?
Seine Gestalt straffte sich, als er die Tür zuzog und an den Tisch ging, auf dem Teller mit eingepackten Broten und Thermoskannen standen.
*
Babette hatte schlecht geschlafen. Als sie aufstehen mußte, ärgerte sie sich darüber, daß sie sich zu der Bergtour hatte überreden lassen. Aber jetzt wollte sie auch keinen Rückzieher machen. Als sie geduscht und angezogen war, fühlte sie sich schon wieder ein wenig besser. Sie hoffte, daß dieser Tag ihr Gelegenheit geben würde, ein vernünftiges Wort mit Florian zu wechseln. Schließlich waren sie erwachsene Leute und mußten als solche über alles in Ruhe sprechen können.
Gestern abend hatte sie nichts mehr essen können und freute sich jetzt auf das Frühstück. Sie ging hinunter und betrat den Aufenthaltsraum. Es brannte nur ein kleines Licht über dem Tisch, auf dem die Sachen standen, deshalb erkannte sie Adrian nicht sofort.
»Überraschung!« rief er und lachte sie an.
»Du?« fragte sie ungläubig, als sie sah, daß er Wanderkleidung trug. »Gehst du etwa auch mit?«
Er kam zu ihr. »Da staunst du, was?« sagte er und umarmte sie. »Guten Morgen, Schatz.«
Er gab ihr einen Kuß, den sie nur flüchtig erwiderte.
»Aber wieso…?«
»Ganz einfach. Ich habe mit Pfarrer Trenker gesprochen und gefragt, ob ich mich euch anschließen darf. Und er war einverstanden.«
»Weiß Florian das auch?«
»Ich hab’s