Sword Art Online Novel - Band 11. Reki Kawahara

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der Hände und Füße des Ersten korrigiert. Doch jetzt ließen beide mit einer übertriebenen Geste die Arme sinken.

      Keine Sorge, ich werde mir von euch schon keine Technik abgucken, dachte Eugeo. Er nickte ihnen flüchtig zu und machte sich auf den Weg in eine abgelegene Ecke der Halle. Er hatte erwartet, dass sie ihn wie immer ignorieren würden. Doch heute trat aus irgendeinem Grund einer von ihnen vor und rief ihm zu: »Nanu, Kadett … Eugeo. Heute mal ganz allein unterwegs?«

      Es war der Student, der gerade mit dem Schwert ausgeholt hatte. Er hatte eine kräftige, hochgewachsene Statur und trug eine grellrote Uniform. Sein blondes Haar hing in langen Wellen herab. Ein Lächeln trat in sein perfekt ebenmäßiges Gesicht. Aber seine kleine Kunstpause zwischen »Kadett« und »Eugeo« war ein Seitenhieb auf Eugeos Abstammung aus einer Bauernfamilie, die keinen Familiennamen hatte.

      Auf solch eine kleine Stichelei zu reagieren, wäre nur eine Verschwendung von Trainingszeit gewesen, also überging Eugeo die Bemerkung und grüßte zurück. »Guten Abend, Kadett Antinous. Ja, leider ist mein Mitbewohner …«

      Doch der andere Student schnitt ihm mit schriller Stimme das Wort ab. »Was für eine Frechheit! Wenn du Raios’ Namen in den Mund nimmst, hast du ihn mit ›Sir Elite-Kadett ersten Ranges‹ anzureden!«

      Er hatte seine grauen Haare mit Öl zurückgekämmt und trug eine blassgelbe Uniform. Allmählich doch genervt wandte sich Eugeo ihm zu und verbeugte sich leicht. »Ich bitte vielmals um Verzeihung, Kadett Zizek.«

      Sofort trat der Student einen Schritt auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. »Du häufst Frechheit auf Frechheit! Mich sprichst du gefälligst mit ›Sir Elite-Kadett zweiten Ranges‹ an! Du trittst die Geschichte und Traditionen unserer ehrwürdigen Akademie mit Füßen …!«

      »Lass es gut sein, Humbert«, sagte Raios und klopfte seinem Freund von hinten auf die Schulter. Der verstummte sofort und trat zurück.

      Humbert Zizek, der grauhaarige Student, war in der Tat auf dem zweiten Rang der zwölf Elite-Kadetten, die hier im Wohnheim lebten. Der blonde Raios Antinous war der oberste Elite-Kadett und damit der Nachfolger von Volo Levantein, der sich vorletzten Monat einen heftigen Kampf mit Kirito geliefert hatte.

      Im Gegensatz zu Volo, der die Aura eines stoischen Kämpfers gehabt hatte, trug Raios die Opulenz des Hochadels zur Schau. Doch ihre Schwertkunst ähnelte sich sehr. Das lag zum einen natürlich daran, dass sie beide den Hoch-Norkia-Stil praktizierten. Es war allerdings schwer zu akzeptieren, dass Raios, mit seinem kultivierten, aber auch boshaften Charakter den gleichen Stil wie Volo ausübte, bei dem alles auf einen entscheidenden, mächtigen Angriff gesetzt wurde.

      Als Eugeo einmal mit Kirito darüber gesprochen hatte, hatte der gemeint, dass das Schwertkönnen der adligen Studenten zur Hälfte auf ihrem gewaltigen Selbstwertgefühl beruhe, das sie sich von klein auf angeeignet hatten. Raios’ Hingabe für die Schwertkunst und die Härte seines Trainings konnten sich zwar nicht mit Volos messen, aber sein Selbstwertgefühl übertraf das seines Vorgängers bei Weitem. Deswegen hatte Raios’ Schwertkunst laut Kirito diese unangenehme, aufdringliche Schwere.

      »Aber bedeutet Selbstbewusstsein nicht das Gleiche wie Stolz? Wenn sie so viel Stolz haben, warum lassen sie sich dann zu diesen albernen Schikanen herab?«, widersprach Eugeo, dem es nicht einleuchten wollte.

      Kirito dachte kurz darüber nach und antwortete: »Stolz muss man sich selbst gegenüber immer wieder beweisen. Aber das gilt nicht für das Selbstwertgefühl. Ich glaube, Raios und die anderen bilden ihr Selbstwertgefühl über den Vergleich zu anderen. Deswegen versuchen sie uns bei jeder Gelegenheit herabzusetzen, weil wir nicht aus Centoria, geschweige denn adlig sind. Anders können sie sich ihr Selbstwertgefühl nicht bewahren.«

      Für Eugeo war das schwer zu begreifen, aber wenn es so war, würde es sie nur in ihrem Selbstwertgefühl bestärken, wenn er sich ihnen gegenüber demütig verhielt.

      Er war durchaus versucht, sich genauso provokativ und verächtlich zu verhalten wie sie. Aber im Gegensatz zu seinem Partner beherrschte Eugeo nicht die Kunst, immer haarscharf an der Grenze zur Regelüberschreitung zu balancieren. Zudem widerstrebte es ihm, unnötig Zwietracht zu säen.

      Obwohl er sich für seinen folgsamen Charakter schämte, verbeugte er sich entschuldigend vor ihnen und setzte seinen Weg in die Ecke der Trainingshalle fort.

      Als er über die unlackierten Holzdielen ging, die gerade erst im Wald nahe der Zentralstadt geschlagen worden und noch ganz frisch waren, verflog sein beklommenes Gefühl allmählich. Bei all den Steingebäuden in der Zentralstadt war dieser Ort mit seinem frischen Holzduft eine willkommene Abwechslung.

      Raios und die anderen haben vielleicht von klein auf von einem Privatlehrer die Schwertkunst erlernt, aber ich habe dafür sieben Jahre lang im Wald von Rulid jeden Tag zweitausendmal auf die Gigas Cedar geschlagen. Es mag mir zwar an Selbstvertrauen fehlen, aber auch ich habe meinen Stolz … auch wenn ich kein Schwert, sondern eine Axt geschwungen habe.

      Er blieb vor den Stämmen stehen, die zu Übungszwecken an der westlichen Wand aufgestellt waren. Auch sie wurden regelmäßig zusammen mit dem Boden ausgewechselt, und die Seiten hatten noch kaum Kerben.

      Er packte sein Holzschwert aus Platineiche mit beiden Händen, nahm die Grundstellung ein und beruhigte seine Atmung. Er hob das Schwert über seinen Kopf und schwang es dann mit einem kurzen Kampfschrei hinab. »Ha!«

      Das Schwert traf mit einem schweren Aufprall auf die rechte Seite des Stamms, der bis in seinen Kern erschüttert wurde.

      Er spürte den angenehmen Widerstand in seinen Händen und trat wieder einen Schritt zurück. Dieses Mal schlug er von links zu. Dann von rechts, dann wieder von links. Nach zehn Wiederholungen verschwand alles außer ihm selbst, dem Schwert und dem Stamm aus seinem Bewusstsein.

      Eugeos allabendliches Training bestand nur aus vierhundert Überkopfhieben von beiden Seiten. Er übte nicht wie Raios und Humbert gerade die komplizierten Formen, die sie im Unterricht erlernten. Sein Partner und Lehrer Kirito hatte ihm erklärt, dass das nicht nötig sei.

      In dieser Welt sei es entscheidend, was man in sein Schwert legte, hatte er Eugeo erklärt, als er ihn in der Schwertkunst unterrichtet hatte. »Die Geheimtechniken des Norkia-,

      Baltio- und unseres Aincrad-Stils sind sehr mächtig. Wenn man erst mal den Dreh heraushat, wie die Techniken zu aktivieren sind, bewegt sich das Schwert fast wie von selbst. Das Problem ist das, was danach kommt. In Zukunft werden die Kämpfe zunehmen, in denen Geheimtechnik mit Geheimtechnik aufeinanderprallt, wie in meinem Duell gegen Volo. In dem Fall entscheidet das Gewicht des Schwertes über den Ausgang des Kampfes.«

      Gewicht.

      Eugeo begriff, dass damit nicht einfach das physische Gewicht des Schwertes gemeint war.

      Volo Levantein, der sich mit Kirito duelliert hatte, legte all seinen Stolz und seine Verantwortung als Nachkomme einer Familie von Ausbildern der Ritterorden in sein Schwert. Für Golgorosso Balto, dem Eugeo ein Jahr lang als Page gedient hatte, war es sein Vertrauen in seinen gestählten Körper. Für Kiritos Mentor Sortiliena Serlut war es ihre vollendete Geschicklichkeit mit dem Schwert. Und Raios und Humbert bildeten das »Gewicht« ihres Schwertes aus dem Selbstwertgefühl als Angehörige des hohen Adels.

      Was soll ich dann in mein Schwert legen?

      Als Eugeo diese Frage gestellt hatte, hatte Kirito mit seinem typischen Grinsen geantwortet, dass er das selber herausfinden müsse. Doch dann war er offenbar zu dem Schluss gekommen, dass er es dabei nicht bewenden lassen konnte. Also hatte er hinzugefügt, dass Eugeo es beim bloßen Einstudieren der Formen nicht finden würde.

      So hatte Eugeo während ihrer Reise nach Centoria und auch nach der Aufnahme an der Akademie Tag für Tag eifrig seine Schwerthiebe geübt. Er war weder ein Adliger noch ein Schwertkämpfer. Alles, was er hatte, war seine langjährige Erfahrung simpler Axtschwünge im Wald südlich von Rulid.

      Nein, eigentlich gab es da noch etwas: seinen Wunsch, Alice zurückzuholen, die von der Axiom-Kirche verschleppt worden war. Auch während er jetzt sein Holzschwert


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