Sword Art Online Novel - Band 11. Reki Kawahara

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durch die Trainingshalle.

      »Das genügt! Ich erkläre dieses Duell für unentschieden!«, verkündete Raios Antinous theatralisch, die roten Lippen zu einem dünnen Lächeln verzogen.

      Humbert hatte sich wieder aufgerichtet und rief mit unzufriedener Miene: »Raios! Ich … Ich kann ein Unentschieden gegen diesen Bauerntölpel nicht akzeptieren …!«

      »Humbert«, sagte der erste Elite-Kadett nur knapp mit ruhiger Stimme.

      Sein Partner senkte sofort den Kopf. Er befestigte sein Schwert wieder an der linken Hüfte und vollführte mit der rechten Faust auf der Brust einen flüchtigen Rittergruß. Dann drehte er sich auf dem Absatz um, ohne auch nur auf Eugeos Erwiderung des Grußes zu warten.

      Von Humbert begleitet, warf Raios Eugeo immer noch lächelnd einen Blick zu und tat so, als würde er ihm applaudieren.

      »Ich habe deinen bizarren Schwertstil mit großem Vergnügen beobachtet, Kadett Eugeo. Vielleicht solltest du nach dem Abschluss eine Berufung bei der kaiserlichen Akrobatentruppe anstreben.«

      »Besten Dank, dass du dich so um mich sorgst, Kadett Antinous«, entgegnete Eugeo und verzichtete als kleinen Seitenhieb bewusst auf die förmliche Anrede »Sir Elite-Kadett«.

      Doch Raios nahm davon keine Notiz. Er nickte gönnerhaft und schritt zum Ausgang. Humbert folgte ihm und funkelte Eugeo böse an.

      Raios’ weiche Lederschuhe gaben ein leises Quietschen von sich, als Raios über das Parkett lief. Neben Eugeo, der immer noch mitten in der Trainingshalle stand, blieb er stehen und raunte ihm zu: »Das nächste Mal werde ich dir die Macht des Adels zeigen.«

      »Von mir aus können wir das auch gleich hier und jetzt machen«, konterte Eugeo trotzig, obwohl er nach vierhundert Übungsschlägen und dem spontanen Duell eigentlich vollkommen erschöpft war.

      Doch Raios grinste nur breit und sagte im Weitergehen noch leiser: »Zum Kämpfen gehört weit mehr als das Herumfuchteln mit einem Schwert, du namenloser Bauer.«

      Mit einem kehligen Glucksen entfernte sich der Elite-Kadett ersten Ranges. Der wütend dreinblickende Humbert folgte ihm auf dem Fuß, ging aber ohne ein Wort vorbei. Schließlich hörte Eugeo, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde und dann wieder ins Schloss fiel.

      In der endlich eingekehrten Stille atmete Eugeo tief durch und dachte nach.

      Diese Kraft, die auf dem Selbstwertgefühl des Adels beruhte. Jetzt, nachdem er zum ersten Mal direkt damit in Berührung gekommen war, musste er feststellen, dass es eine noch mächtigere Kraft war, als er erwartet hatte. Wenn er seinen »Slant« weiter fortgesetzt hätte, wäre er wahrscheinlich überwältigt und seine rechte Schulter zertrümmert worden. Natürlich war Eugeo im Nachteil gewesen, weil er einen Angriff von oben von unten hatte parieren müssen. Aber das war noch nicht alles. Humbert war voller Verachtung für Menschen niedrigerer Gesellschaftsränge und sah auf Eugeo herab. Diese Gesinnung hatte Eugeos Schwert und Körper wie ein Fluch beherrscht.

      Die große Flexibilität des Aincrad-Stils, dank der man aus den verschiedensten Positionen eine Geheimtechnik

      einsetzen konnte, hatte ihn dieses Mal gerettet. Aber in den vielen Prüfungswettkämpfen, die im kommenden Jahr noch folgen würden, würde er sich nicht allein auf den Überraschungsmoment verlassen können. Es würde sicher auch Situationen geben, in denen er seinen Gegner frontal aus eigener Kraft bezwingen müsste.

      Bis dahin musste Eugeo unbedingt etwas finden, das er in sein Schwert legen konnte, um sich dem grenzenlosen Selbstwertgefühl von Humbert und Raios widersetzen zu können.

      Er hob das Schwert in seiner rechten Hand hoch und strich mit den Fingern der Linken über die malträtierte Klinge. Dabei flüsterte er ihm zu: »Ich danke dir. Ich hoffe, ich kann auch beim nächsten Mal auf dich zählen.«

      Dann steckte er das Schwert wieder in seinen Gürtel und ging los. In diesem Moment verkündete ein kurzer Glockenschlag, dass es halb sieben war. Kirito, der in seinem Zimmer büffelte, musste inzwischen sicher hungrig sein. Mit schnellen Schritten überquerte er den Parkettboden. Vor der Tür verbeugte er sich einmal in Richtung der menschenleeren Trainingshalle und machte sich dann eilig auf den Weg zum Speisesaal.

      Er ging durch einen kurzen Flur und betrat das Wohnheim der Elite-Kadetten. Auf dem Erdgeschoss gab es keine Privatzimmer, dafür aber ein großes Bad, einen Speisesaal und Gesellschaftsräume.

      Im Novizen-Wohnheim waren die Essenszeiten und auch der tägliche Speiseplan festgelegt gewesen. Das Wohnheim der Elite-Kadetten bot in beiden Aspekten mehr Freiheiten. Der Speisesaal war von sechs bis acht Uhr geöffnet, und ein eigens für die Elite-Kadetten zuständiger Koch bereitete

      ihnen aus dem breit gefächerten Tagesmenü zu, was sie wollten. Zudem konnten sie nicht nur im Speisesaal essen, sondern durften das Essen auch mit auf ihr Zimmer nehmen.

      Glücklicherweise schienen Raios und Humbert zuerst ins Bad gegangen zu sein, und im Speisesaal war keiner der anderen Elite-Kadetten. Eugeo ging hinüber zur Küchentheke und besah die Speisekarte, die auf einer Anschlagtafel ausgehängt war. Als Hauptgericht konnte man zwischen Lammbraten, frittiertem Fisch und Eintopf mit Geflügelklößchen wählen.

      Mal sehen … Er würde wohl den Eintopf nehmen, dazu eine große Portion Rohkostsalat mit Käse, die eingelegten Ori-Beeren und ein kaltes Silalwasser, überlegte er schnell.

      Etwas schockiert, dass er die Vorlieben seines Partners schon so gut kannte, lehnte er sich über die Theke und rief: »Guten Abend! Zwei Abendessen zum Mitnehmen, bitte. Ähm, als Hauptgericht nehme ich …«

      2

      Eugeo war darauf gefasst gewesen, dass irgendeine Art von Retourkutsche kommen würde. Doch selbst Tage nach dem spontanen Duell blieb es immer noch still um Raios und Humbert.

      Wenn er im Wohnheim oder dem Hauptgebäude an ihnen vorbeilief, warf Humbert ihm zwar giftige Blicke zu, machte aber keine bissigen Bemerkungen oder dergleichen. Sicherheitshalber hatte Eugeo Kirito von der Begebenheit in der Trainingshalle erzählt und ihn gewarnt, auf der Hut zu sein. Aber auch ihn hatten sie offenbar nicht behelligt.

      »Irgendwie seltsam … Ich war mir sicher, sie sind nicht der Typ, der ein Unentschieden im Duell einfach so hinnimmt. Was Raios sagte, klang auch danach, dass sie sich rächen würden …«, überlegte Eugeo und lehnte sich auf dem altmodischen, stoffbezogenen Sofa zurück.

      Ihm gegenüber nahm Kirito einen Schluck aus seiner Porzellantasse und sagte: »Ich glaube nicht, dass sie plötzlich einen Sinneswandel hatten. Aber wenn man’s recht bedenkt, würde es für sie auch ziemlich schwierig werden, uns hier im Wohnheim ihre üblichen Streiche zu spielen.«

      Genüsslich nahm er einen Schluck von seinem Kofil-Tee ohne Milch.

      Es war halb zehn abends. Eine ereignisreiche Woche lag hinter ihnen, und morgen war endlich Ruhetag. Sie hatten ihr tägliches Training hinter sich gebracht, hatten gegessen und gebadet. Um diese Zeit lagen sie unter der Woche schon in ihren Betten und schliefen tief und fest. Doch sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, an diesem einen Abend in der Woche im Wohnzimmer bei einer Tasse Tee zusammenzusitzen und sich zu unterhalten.

      Auch Eugeo griff nach seiner Tasse und nippte an der heißen, schwarzen Flüssigkeit. Unwillkürlich verzog er das Gesicht. Sein Partner liebte diesen gemahlenen Tee aus dem südlichen Kaiserreich. Wenn er an der Reihe war, den Tee zuzubereiten, wählte er immer diese Sorte. Aber für Eugeos Geschmack war der Tee pur etwas zu bitter. Aus einem kleinen Krug goss er reichlich Milch in seine Tasse und rührte mit einem kleinen Löffel um. Als er Kirito einen auffordernden Blick zuwarf, stellte der ihm eine unerwartete Frage.

      »Na ja … Was hast du denn in der Schule in Rulid für Streiche gespielt, als du noch ein Kind warst?«

      Eugeo trank einen Schluck Kofil-Tee, der nun gar nicht mehr bitter, sondern angenehm aromatisch war. Dann zuckte er mit den Schultern und antwortete: »Meist war ich derjenige,


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