Sword Art Online Novel - Band 11. Reki Kawahara
als er im heimatlichen Wald die Gigas Cedar bearbeitet hatte.
Dieser Tag im Sommer lag nun schon acht Jahre zurück.
Damals hatte Eugeo nur zusehen können, wie Alice von dem Integrationsritter namens Deusolbert Synthesis Seven abgeführt wurde. In seinen Händen hatte er die Drachenknochenaxt gehalten, die selbst Eisen zerschnitt, und doch hatte er sie nicht erheben können. Gleich neben ihm war jemand gewesen … ein Junge in seinem Alter, der ihn verzweifelt angefleht hatte, etwas zu unternehmen.
Richtig … wer war dieser Junge nur gewesen? Alice war Eugeos einzige Freundin gewesen, die ihn so beim Namen gerufen hatte. Trotzdem hatte er immer noch ein leises Echo dieser Jungenstimme im Ohr.
Während er im Hinterkopf seine Schwerthiebe mitzählte, tauchte er immer tiefer in seine Erinnerungen, bis plötzlich eine hämische Stimme hinter ihm ertönte und ihn aus seiner Konzentration riss.
»Du liebe Zeit, Eugeo hat immer reichlich seltsame Trainingsmethoden, nicht wahr?«
Das Holzschwert verfehlte sein Ziel, und ein unangenehmer Rückstoß ließ seine Hände kribbeln, wie bei einem verpatzten Hieb mit der Axt zu seiner Zeit als Kerber.
Die Bemerkung war ganz bewusst so laut geäußert worden, dass Eugeo sie deutlich hören konnte, obwohl er in seiner Ecke der großen Trainingshalle ein gutes Stück von Raios und Humbert entfernt war. Eigentlich sollten ihn die Sticheleien der beiden inzwischen nur noch langweilen. Doch leider verunsicherten sie ihn immer noch. Ignorier sie einfach, schärfte er sich ein und schwang weiter sein Schwert.
»Er macht jeden Abend nichts anderes. Da fragt man sich schon, welchen Sinn diese Stockhiebe ohne jede Form oder Technik haben, oder, Humbert?«
»Allerdings, Raios!«
Er hörte sie vernehmbar spotten und dann höhnisch lachen. Eugeo zeigte keine Reaktion, aber in Gedanken konterte er: Wenn Kirito nicht da ist, spuckst du immer ganz schön große Töne, Raios.
Aus irgendeinem Grund hatten Raios und Humbert in den letzten zwei Monaten mit ihren Provokationen aufgehört, wenn Eugeo und Kirito zusammen waren. Umso mehr schikanierten sie Eugeo, wenn er allein war. Der Grund war weniger, dass sie dachten, mit Eugeo sei leicht fertigzuwerden, sondern dass ihnen Kirito unheimlich war.
Am Ende ihrer Zeit als Novizen schien etwas zwischen ihnen und Kirito vorgefallen zu sein. Als er aber seinen Freund danach gefragt hatte, hatte der nur geantwortet, dass es eine kleine Auseinandersetzung gegeben hätte. Raios konnte er natürlich nicht danach fragen. Es schien etwas damit zu tun zu haben, dass Kirito seiner Mentorin nach der Abschlusszeremonie im letzten Monat einen Topf voller seltener blauer Blumen geschenkt hatte. Bei dem Anblick waren Raios und Humbert seltsam blass geworden. Eugeo hatte jedoch keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
Jedenfalls war er nicht unglücklich darüber, dass er von ihren Schikanen verschont blieb, solange er mit Kirito zusammen war. Doch nun, da er Elite-Kadett war, konnte er sich nicht mehr ewig im Schatten seines Partners verstecken.
In ein paar Wochen, Mitte des sechsten Monats, würden bereits die ersten Prüfungskämpfe des Jahres stattfinden. Obwohl die finale Rangfolge erst unmittelbar vor dem Abschluss festgelegt wurde, waren seine Aussichten düster, wenn er gleich im ersten direkten Duell eine herbe Niederlage gegen Raios und Humbert einstecken müsste. Sortiliena, die ein Jahr lang auf dem zweiten Rang gewesen war, hatte im letzten Wettkampf den bis dahin obersten Elite-Kadetten Volo Levantein besiegt und damit einen Umsturz der Rangfolge bewirkt. Doch so etwas geschah quasi nie, wie ihm Golgorosso so voller Begeisterung erklärt hatte, als sei es seine eigene Leistung gewesen.
Wie Volo waren auch die diesjährigen Elite-Kadetten ersten und zweiten Ranges, Raios und Humbert, von Kindesbeinen an im Hoch-Norkia-Stil unterrichtet worden. Ihre Persönlichkeiten waren zwar alles andere als respektabel, aber ihre Schwertkunst übertraf die der anderen Studenten adliger Abstammung deutlich. Es war nicht einmal mehr ein Monat bis zu den ersten Wettkämpfen, und Eugeo hatte immer noch nicht herausgefunden, was er in sein Schwert legen sollte, um es mit ihrer Kraft aufnehmen zu können.
Na, zumindest habe ich nicht weniger Schwünge mit dem Schwert gemacht als ihr, überlegte er, als er seinen vierhundertsten Hieb beendete und sich langsam aufrichtete.
Er zog ein kleines Handtuch aus seinem Gürtel und wischte damit zuerst das Holzschwert sorgfältig ab. Dann trocknete er sich den Schweiß von Stirn und Nacken, wobei er einen flüchtigen Blick über die Schulter warf. Raios und Humbert nahmen immer noch die Mitte der Trainingshalle in Beschlag und beurteilten sich gegenseitig bei der Ausführung der Formen.
Er wandte sich wieder nach vorn und atmete einmal durch. In diesem Moment schlug die Glocke der Zeitverkündung im Turm des Hauptgebäudes die sechste Stunde. Es war die gleiche Melodie wie die der Kirchenglocken in seiner Heimat. Im Gegensatz zum Novizen-Wohnheim mit seinen vielen Regeln wurde die Tagesplanung im Elite-Kadetten-Wohnheim zu großen Teilen dem Ermessen der Studenten überlassen. Zwischen sechs und acht Uhr konnten sie jederzeit zu Abend essen. Er hätte also noch etwas länger trainieren können. Aber da sein Partner gerade fleißig für die Prüfungen lernte, musste er ihm das Abendessen aufs Zimmer bringen.
Kirito hat gar nicht gesagt, was er essen möchte. Wenn es diese sauer eingelegte Klumpmelone gibt, die er nicht mag, bring ich ihm einen ganzen Teller voll davon mit.
Er steckte sein Handtuch und das Holzschwert in seinen Gürtel und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Da hörte er Raios mit erhobenem Schwert sagen: »Nanu, Kadett Eugeo schlägt nur auf den Baumstamm ein, ohne die Formen zu trainieren.«
Sofort stieg Humbert darauf ein. »Wie man hört, hat Eugeo in irgendeinem Kaff Bäume gefällt. Womöglich kennt er nichts anderes als Techniken gegen Baumstämme?«
»Ach du meine Güte! In dem Fall sollten wir ihn wohl zumindest in einer Form unterweisen, wenn wir schon unter demselben Dach trainieren, was?«
»Oh, dein Edelmut ist fürwahr ein Musterbeispiel des Adels!«
Bei diesem offensichtlich einstudierten Wortwechsel musste Eugeo mit aller Macht ein Stöhnen unterdrücken und ging einfach weiter. Doch dann sprach ihn Humbert direkt an, und er blieb notgedrungen stehen.
»Was sagst du dazu, Eugeo? Wirst du Raios’ großzügiges Angebot annehmen und dich unterweisen lassen? Solch eine Gelegenheit wird sich dir kein zweites Mal bieten.«
Nun konnte er nicht mehr so tun, als hätte er sie nicht gehört, und gehen. Es wäre unhöflich gewesen, sie bewusst zu ignorieren, nachdem sie ihn angesprochen hatten. Es war Sitte, dass das Recht der Elite-Kadetten, Disziplinarstrafen durchzuführen, nur auf Novizen und Kadetten angewandt wurde. Da Eugeo genau wie sie ein Elite-Kadett war, sollte er von irgendwelchen Strafen verschont bleiben. Allerdings war diese Sitte keine festgelegte Regel, und bei diesen beiden war es durchaus denkbar, dass sie ihm eine Strafe für unhöfliches Verhalten auferlegen würden.
Also wollte er dankend ablehnen und die Trainingshalle verlassen. Doch dann überlegte er es sich anders.
Vielleicht war es tatsächlich eine günstige Gelegenheit.
Raios und Humbert waren die Elite-Kadetten ersten und zweiten Ranges – mit anderen Worten, der stärkste und zweitstärkste Schwertkämpfer unter den Studenten der Akademie. Auch Kirito mahnte hin und wieder, dass die beiden nicht zu unterschätzen waren, und Eugeo hatte keineswegs die Absicht, ihre Fähigkeiten auf die leichte Schulter zu nehmen.
Andererseits konnte sich Eugeo nicht ganz damit abfinden, dass ihre Stärke ihrem Selbstwertgefühl entsprang. Wie sie sich etwas auf ihren hohen Stand einbildeten, alle Studenten aus Adelsfamilien niedrigeren Ranges oder dem einfachen Volk verachteten und verspotteten … Wie konnte es sein, dass solch eine Gesinnung ihnen Stärke verlieh? Würde es denn nicht seine Haltung von Respekt und Liebe gegenüber den Menschen beschmutzen, die er in seiner Kindheit von seinen Eltern, Schwester Azalia, Dorfvorsteher Gasupht und seiner Freundin Alice gelernt hatte, wenn er das akzeptierte?
Obwohl sie ihm auch jetzt gerade unverhohlen verächtliche Blicke zuwarfen, wollte sich Eugeo ein Mindestmaß an Achtung ihnen