ALTE WUNDEN (Die Ritter des Vatikan 6). Rick Jones
des Vatikan?«
Ezekiel nickte. »Der Vatikan verfügt über seine eigene Eliteeinheit«, erklärte er. »Es waren auch die Ritter des Vatikan, die am Tag der Befreiung des Papstes Ihr Team überwältigt haben … und Kimball Hayden hat sie angeführt.«
Obadiah hob seinen Arm und offenbarte dabei eine schartige Narbe. »Die hier stammt von ihm.«
»Er hätte sie lieber töten sollen.«
»Aber das tat er nicht.« Der Mann schwieg für einen Moment, dann fuhr er fort. »Verraten Sie mir: Wieso hat er sich für Sie interessiert?«
Ezekiel hielt dem bohrenden Blick des Mannes stand. »Um ein Ritter des Vatikan zu werden, darf man keine Familie haben, man muss eine Waise sein, denn bereits von Kindesbeinen an wird man für den Kampf ausgebildet.«
»Faszinierend«, murmelte Obadiah. »Ganz so wie es die alten Spartaner zu tun pflegten – ein Kind zu einem Elitesoldaten formen. Aus irgendeinem Grund sah er in Ihnen als Jungen diese Fähigkeiten schlummern? Hat er Sie deshalb geholt?«
Ezekiel schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat einst meinen Großvater getötet.«
»Im Auftrag der Kirche?«
»Nein. Zu jener Zeit hat er noch als Söldner für die amerikanische Regierung gearbeitet und hatte den Befehl bekommen, meinen Großvater umzubringen.«
Plötzlich flackerten Obadiahs Augen überrascht auf. Diese Art von Information konnte verheerende Auswirkungen haben … Die Ermordung einer übermächtigen politischen Persönlichkeit, angeordnet von ranghohen Mitgliedern des Weißen Hauses. »Welche Rolle spielten Sie dabei?«
»Hayden hat mich aus persönlichen Gründen ausgewählt.«
Obadiah lächelte. »Als Wiedergutmachung«, meinte er. »Er zog sie als Sühne für seine Taten auf.«
»Das ist nur Ihre Sicht der Dinge.«
»Der Mann verfügt als offenbar über ein Gewissen und hat keinen Frieden gefunden. Deshalb dient er dem Vatikan, weil er hofft, auf diese Weise Erlösung zu finden. Er glaubte, Buße tun zu können, wenn er Sie aufzieht, nachdem er Ihr Leben zerstört hat.«
Ezekiel nickte.
»Dann waren Sie also nicht mehr als seine persönliche Marionette?«
Ezekiel blickte auf die Fotografie hinunter. »Er hat versucht, mich zu retten.«
»Natürlich.« Obadiah zog jetzt eine Reihe weiterer Fotografien aus seiner Jackentasche und breitete diese auf dem Tisch aus. Die Aufnahmen zeigten die Leichen der Acht. »Ich bin von Ihrer Arbeit wirklich beeindruckt«, erklärte er. »Unser Geheimdienst wusste von den Acht, aber wir konnten niemals herausfinden, wer diese Leute genau waren und welche Rolle sie spielten. Als wir darüber informiert wurden, dass sie der Reihe nach ausgeschaltet wurden, wollten unsere Quellen natürlich herausfinden, wieso man die ehemaligen GIs von der Bildfläche verschwinden lassen wollte – ob aus politischen oder aus anderen Gründen.« Er warf ein weiteres Foto auf die anderen. Dieses war mit einer Nachtsichtkamera aufgenommen worden. Es war eine Aufnahme von Ezekiel, der gerade das Farmhaus verließ, nachdem er Hawk umgebracht hatte. Anschließend legte Obadiah noch ein Foto auf den Tisch. Dieses zeigte Ezekiel mit einem Scharfschützengewehr auf einem Dach, wenige Minuten, bevor er einen der Hardwick Brüdern mit treffsicherer Genauigkeit erschossen hatte.
»Dann wurde uns klar, dass wir es hier nicht mit einem politischen Motiv zu tun hatten, sondern, dass es sich einzig und allein um einen persönlichen Rachefeldzug handelte.« Obadiah offenbarte ein drittes Foto. Dieses Mal war es Kimball Hayden, der aus einiger Entfernung aufgenommen worden war. »Sie wollten diesen Mann töten, nicht wahr?«
Ezekiel starrte das Foto an, schwieg aber.
»Als ich dieses Bild sah, erkannte ich ihn sofort wieder. Ich wusste, dass es der gleiche Mann wie in dem Lagerhaus war, der den Pontifex befreit und mein Team ausradiert hat. Ich hätte nie gedacht, ihn noch einmal wiederzusehen.« Obadiah nahm die Fotografie und studierte sie eingehend. »Kimball Hayden war also ein Mitglied des berüchtigten Todes-Schwadrons, auch bekannt als die Acht, und nun dient er der Kirche als Soldat. Das nenne ich mal ein Pendeln zwischen den Extremen.«
»Was wollen Sie, Obadiah?«
»Nur meine eigene Erlösung«, antwortete der Mann hastig. »Als mir klar wurde, dass dieser Mann – aus welchen Gründen auch immer – von dem Enkelsohn eines mächtigen Senators gejagt wurde, erkannte ich die Chance für mein eigenes Seelenheil. Ich wartete also und hoffte darauf, dass Sie Ihr Ziel, Kimball Hayden aus unserer beider Leben verschwinden zu lassen, irgendwann erreichen würden.« Er legte das Foto auf den Tisch zurück und seufzte. »Aber leider haben Sie versagt.«
»Ich habe nicht versagt«, erklärte Ezekiel gereizt. »Kimball Hayden ist nun mal der Beste seines Fachs.«
Obadiah rieb sich die Narbe an seinem Arm. Niemand wusste das besser als er.
»Er wartet auf mich und das erschwert meine Pläne natürlich.«
Nun hörte Obadiah auf, an seiner Wunde zu kratzen. »Genau deshalb bin ich hier«, sagte er. »Mir scheint es so, als wäre Kimball Hayden zu unserem gemeinsamen weißen Wal geworden. Deshalb würde ich Ihnen gern ein Angebot unterbreiten.«
»Was für ein Angebot?«
»Arbeiten Sie mit uns zusammen«, antwortete Obadiah schlicht. »Kimball Hayden könnte sich für zukünftige Unternehmungen unsererseits als hinderlich erweisen, deshalb muss er aus der Gleichung entfernt werden. Gegen einen von uns allein stehen die Chancen Fünfzig zu Fünfzig, aber wenn wir uns verbünden, würde sich die Waage auf unsere Seite neigen.«
»Wieso sollte ich mich mit einem Mann zusammentun, der versucht hat, den Papst zu ermorden?«
»Was ich getan habe, war rein geschäftlich und galt lediglich politischen Interessen. Doch am Ende bin ich es gewesen, der die Ketten des Pontifex gelöst hat, als ich festgestellt habe, dass die Mission verloren war. Ich mag innerhalb meiner Organisation meine Ziele vielleicht etwas fanatischer verfolgen, aber ich weiß auch, wann ich verloren habe. Es bestand deshalb kein Grund mehr, den Papst zu töten.«
»Aber Ihr Team hat es dennoch versucht.«
»Dafür haben sie durch die Hände von Kimball Hayden und der anderen Vatikanritter den ultimativen Preis bezahlt.« Er reckte seinen Arm in die Höhe, auf dem die Narbe hässlich violett schimmerte. »Mich eingeschlossen.«
»Das erscheint mir aber ein kleiner Preis gewesen zu sein, wenn man bedenkt, dass andere mit ihrem Leben bezahlt haben.«
»Das ist wahr, aber es behindert mich zusehends, auch wenn ich nicht ganz untalentiert bin.«
Für eine Weile musterten sich die beiden Männer über den Tisch hinweg ausgiebig, dann fragte Obadiah: »Schließen wir ein Bündnis, Mr. Cartwright?«
»Ich heiße Ezekiel.«
Obadiah lächelte und hob beschwichtigend die Hände. »Natürlich«, sagte er. »Schließen wir also ein Bündnis, Ezekiel? Wollen wir gemeinsam versuchen, den Weißen Wal zur Strecke zu bringen?«
Ezekiel sah auf die ihm angebotene Hand hinunter und dann in Obadiahs stoisches Gesicht.
Der ehemalige Ritter des Vatikan hob die Hand, schlug ein und schloss auf diese Weise einen Pakt mit Obadiah. Anschließend fragte er: »Arbeiten Sie nun für den Mossad, oder nicht?«
Obadiah lächelte. »Vielleicht«, erwiderte er. Dann wedelte er kurz mit seiner freien Hand und die drei roten Punkte auf Ezekiels Brust verschwanden. Er ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken und stellte dabei die Selbstgefälligkeit eines Mannes zur Schau, der gerade einen großen Sieg errungen hatte. »Ich werde Sie trainieren und dann werde ich Sie führen. In einem Jahr, oder vielleicht auch etwas später, werden Sie in die Vereinigten Staaten zurückkehren … nach Texas, um genau zu sein.«
»Wofür?«
»Dort wird gerade eine neuartige Technologie