ALTE WUNDEN (Die Ritter des Vatikan 6). Rick Jones
Kühlbox handelte, befand sich eine Vertiefung, die in ihrer Form den exakten Maßen des Containers entsprach. Das Steuerprogramm des Kühlungssystems war auf minus zwei Grad Celsius eingestellt, exakt die Temperatur des Kühlraums. Nachdem er den Kampfstoff in dem Koffer verstaut hatte, reckte er seinen Daumen erneut in die Kamera. »Kampfstoff sichergestellt«, sprach er in sein Bluetooth-Gerät.
»Ihr liegt nun bereits dreißig Sekunden hinter Zeit. Du weißt, was zu tun ist. Verschwindet von dort. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand bemerkt, dass der Zeitstempel auf den Monitoren nicht der tatsächlichen Uhrzeit entspricht und wenn das passiert, kann ich nichts mehr für dich tun.«
Der Mann drehte sich daraufhin zu Mohammed um und zögerte.
»Worauf wartest du noch?«, wollte der Navigator in barschem Tonfall wissen.
Auf nichts, dachte der elegant gekleidete Mann, als er seine Waffe aus dem Schulterholster zog, sie auf Mohammed richtete, den Abzug betätigte und eine Kugel in Mohammeds Kopf jagte. Für einen kurzen Moment sah er auf die Leiche seines Teamkameraden hinunter, der mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen leblos an die Decke starrte.
»Worauf wartest du?«, wiederholte der Navigator. »Für Trauerreden haben wir jetzt keine Zeit. Du wusstest, dass es getan werden muss. Jetzt los!«
Der Mann packte den Koffer, eilte durch das gläserne Labor und in den Flur zurück. In der anderen Hand hielt er weiterhin seine Pistole. Jetzt lief er zu den Fahrstühlen zurück, vorbei an den Leichen, die er zurückgelassen hatte, während die Zeit plötzlich viel schneller abzulaufen schien und Minuten zu Sekunden wurden. »Los doch«, rief er in sein Bluetooth-Gerät, als er an den Fahrstühlen angekommen war. »Die Türen sollten schon längst offen sein.«
Doch in diesem Moment öffneten sie sich.
Während der Fahrstuhl hinauffuhr, stellte der Mann den Aluminiumkoffer auf den Boden, schob ein frisches Magazin in seine Pistole und zog den Schlitten zurück, um sie neu zu laden.
Ich bin bereit.
Als sich die Türen in die Lobby öffneten, verließ er rasch den Fahrstuhl und trat zu den zwei Männern seines Teams, die sich als Wachposten verkleidet hatten. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die seine Kameraden überraschte, hob der Mann seine Pistole und tötete beide mit gezielten Schüssen in den Kopf.
Danach verließ er das Gebäude, so schnell es möglich war, ohne Aufsehen zu erregen.
»Gute Arbeit«, drang die Stimme des Navigators hohl und weit entfernt aus seinem Ohrhörer.
Der Mann ignorierte das Lob und verschwand in der Dunkelheit.
Kapitel 3
Galveston National Laboratory, Galveston, Texas
Die Lobby
23:27 Uhr
Eine halbe Stunde vor Mitternacht wimmelte es in der Lobby des Galveston National Laboratory von Dekanen der Universität und Beamten des FBI. Polizeikräfte hatten den Eingang der Einrichtung abgeriegelt und strikte Anweisung, kein unautorisiertes Personal in die Lobby zu lassen.
Nachdem die beiden Spezialagenten Wheeler und Denmore ihre Dienstmarken vorgezeigt hatten, liefen sie zu dem Empfangstresen, vor dem vier Leichen lagen. Zwei der Toten waren bewaffnete Angestellte der Universität, während die anderen beiden nur Avery Curtis bekannt waren, dem Associate Executive Assistant Director der nationalen Sicherheitsbehörde und dem stellvertretenden Leiter für Massenvernichtungswaffen.
»Was gibt’s, Avery? Was haben wir hier?«, erkundigte sich Denmore, während er sich zusammen mit Wheeler näherte.
Avery Curtis war groß, hager und drahtig, mit einem seltsam gebogenen Hals, der ihn wie einen Bussard wirken ließ, zu eng stehenden Augen und einem fliehenden Kinn. In der Hand hielt er ein iPad, auf dessen Display man eine Reihe von Fotos sehen konnte. »Bisher haben wir vierzehn Tote«, begann er. »Elf von ihnen sind Angestellte der Universität, die restlichen drei haben Verbindungen zu einer bekannten terroristischen Vereinigung in Dearborn, Michigan.«
»Dearborn?«
Curtis nickte und sah wieder auf sein iPad. Auf dem Bildschirm waren die Porträts von drei afroamerikanischen Männern zwischen zwanzig und dreißig Jahren zu sehen. »Diese beiden«, sagte er und deutete auf die Leichen in der Wachpersonal-Verkleidung, »konnten als Darius Townsend und Tyrone Washington identifiziert werden, beide in Detroit geboren. Vor etwa drei Jahren haben sie sich einer Gruppe radikaler Fundamentalisten in der Nähe von Dearborn angeschlossen. Dort haben sie angeblich ihre Bestimmung gefunden.« Bei dem Wort Bestimmung malte er zwei Anführungszeichen in die Luft. Dann lief er zu der ersten der beiden Leichen und verglich ihr Gesicht mit dem Bild auf seinem iPad. Danach tippte er das Foto mit dem Zeigefinger an, womit er das Dossier des Mannes aufrief. »Dieser hier, Darius Townsend, nahm den Namen Afiya Kassab an, ein Mistkerl mit einem Vorstrafenregister so lang wie mein Bein. Und der hier«, sagte er mit einem Kopfnicken auf den zweiten toten Wachmann, »ist Tyrone Washington. Ein weiterer Gauner, und ebenfalls vielfach vorbestraft. Wir sprechen hier von Drogenhandel, bewaffnetem Überfall und illegalem Waffenhandel. Kein besonders netter Kerl.«
»Und diese beiden hier?«, fragte Wheeler und zeigte auf die zwei ähnlich gekleideten Wachleute.
»Angestellte der Universität«, antwortete Curtis. »Es hat den Anschein, als hätte man sie niedergeschossen, bevor sie auch nur ihre Waffen haben ziehen können. Beide waren sofort tot.«
»Wer hat sie umgebracht?«, erkundigte sich Denmore. »Schon irgendwelche Spuren?«
»Da fängt die ganze Sache an, etwas merkwürdig zu werden«, erklärte Curtis. »Es scheint so, als wären noch zwei weitere Männer involviert gewesen. Einer davon befindet sich im Untergeschoss. Ein Mann namens John Voorhees. Auch ein absolut mustergültiger Staatsbürger«, witzelte er. »Ebenfalls ein Fanatiker, der den Namen Mohammed Bashir angenommen hat, auch er kam aus Detroit. Genau wie diese beiden hier wurde er offenbar von einem vierten Mann exekutiert.«
Wheeler sah ihn fragend an. »Wollen Sie mir etwa weismachen, dass diese drei von jemandem aus ihrem eigenen Team exekutiert wurden?«
»Zumindest hat es den Anschein«, erwiderte Curtis. »Wir haben ein paar Aufnahmen von den vier Männern – nicht viele, weil das System gekapert und die Videoübertragung verändert wurde. Während diese beiden Wache standen, um andere davon abzuhalten, in die unteren Etagen vorzudringen, begaben sich Mohammed und der vierte Mann hinunter in die Biosicherheitsstufe 3, wo die gefährlichsten Krankheiten aufbewahrt werden. Es gelang ihnen, in das Labor einzudringen und einen hochgefährlichen Erregerstamm zu entwenden. So gefährlich, dass bereits zwei Virologen des CDC aus Atlanta auf dem Weg hierher sind.«
Avery Curtis hob sein iPad und tippte auf eine App. Auf dem Bildschirm erschien daraufhin eine Aufnahme des elegant gekleideten Mannes. Anders als Mohammed, der eine schwarze Kampfmontur trug, war diese Person mit einem sündhaft teuren Anzug bekleidet. »Dieser Kerl existiert in keiner unserer Datenbanken oder auf unseren Beobachtungslisten. Wir haben es sogar mit einer Gesichtserkennungssoftware versucht, aber ohne Erfolg. Sein Gesicht taucht in keiner von unseren Akten auf. Wer immer dieser Kerl also sein mag – für uns ist er ein Unbekannter. Wieso er seine eigenen Leute ausgeschaltet hat, wissen wir nicht.«
»Und der Erreger?«, fragte Wheeler beklommen.
»Man nennt ihn das Omega-Virus. Mehr weiß ich darüber nicht, denn dieser Erreger ist Top Secret. Doch nach allem, was mir der Executive Assistant Director erzählt hat, ist dieses Zeug ziemlich übel. Es hat eine Sterblichkeitsrate von einhundert Prozent. Es tötet schnell und effizient, und so, wie ich es verstanden habe, kann es Hunderte Menschen binnen weniger Minuten ausradieren.«
Wheeler und Denmore wussten, dass Einrichtungen wie das Galveston National Laboratory keine Seltenheit waren. Tatsächlich gab es viele