Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Bann ziehen konnte, dem interna­tional bekannte Wissenschaftler begeistert applaudierten, brachten es nicht übers Herz, ihrem Kind, und das war Bambi für sie, die Wahrheit zu sagen.

      Auch wenn sie wussten, dass es falsch war, steckten sie weiterhin den Kopf in den Sand, verschoben es auf später.

      Ein solches Verhalten passte weder zu Inge, noch zu Werner.

      Sie waren offene, aufrichtige Menschen.

      Was war da nur schief gelaufen?

      Anfangs waren sie der Meinung gewesen, Bambi sei noch zu klein, um mit der Wahrheit konfrontiert zu werden.

      Ach, es war müßig, sich jetzt all die Versäumnisse in Erinnerung zu rufen und die Gründe, weswegen sie es nicht getan hatten.

      Sie waren zu feige gewesen, genau das war der Punkt.

      Inge Auerbach blickte auf ihre Armbanduhr, die Werner ihr zum fünfundzwanzigsten Hochzeitstag geschenkt hatte und die sie über alles liebte.

      Wo blieb Bambi eigentlich? Sie hätte längst zu Hause sein müssen, weil sie nicht zu den Kindern gehörte, die herumtrödelten, sondern immer gleich nach der Schule zu ihren Eltern wollte.

      Ihr war doch wohl nichts passiert?

      Diesen Gedanken verwarf Inge so schnell, wie er ihr gekommen war.

      Im Sonnenwinkel kannte jeder jeden.

      Wäre etwas passiert, dann hätte man es ihr längst zugetragen, und man hätte sich um Bambi gekümmert.

      Hier zu leben war ein Privileg!

      Im Sonnenwinkel, der aus den Orten Erlenried und Hohenborn bestand, lag die Kriminalrate bei Null.

      Hier gab es sie noch, die heile Welt.

      Zumindest, was das Außen betraf. Dass innerhalb der einzelnen Familien nicht ­immer eitel Sonnenschein herrschte, war normal. Die Menschen waren verschieden, auch hier im Sonnenwinkel. Doch eines hatten sie schon gemeinsam. Sie liebten ein Leben fernab der Turbulenz der Großstädte.

      Also gut, Sorgen machen musste sie sich keine.

      Doch wo blieb Bambi?

      Professor Werner Auerbach kam in diesem Augenblick auf die Terrasse hinaus.

      Er war ein hochgewachsener Mann, schlank, mit einem schmalen Gesicht, zu dem die randlose Brille ganz hervorragend passte. Er gehörte zu den Männern, die mit zunehmendem Alter immer attraktiver wurden und bei denen graue Schläfen interessant aussahen.

      Er lief auf seine Frau zu, beugte sich über sie, drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, ehe er sich erkundigte: »Bleibt bei uns heute die Küche kalt? Ich habe Hunger.«

      Sie drehte sich zu ihm um, lächelte ihn an.

      »Wir müssen nur noch auf Bambi warten. Das Essen ist fertig.«

      Werner Auerbach setzte sich.

      »Nun gut, das kann ja nicht mehr so lange dauern, ich hatte schon die Befürchtung, du wolltest wegen des schönen Wetters heute streiken und uns mit einem Butterbrot abspeisen.«

      »Was auch kein Drama wäre«, bemerkte Inge leichthin. »In vielen Ländern werden mittags nur ein Salat oder ein Sandwich gegessen, und die Hauptmahlzeit wird am Abend eingenommen.«

      Er lächelte sie an, und ihr wurde ganz warm ums Herz. »Mein Liebes, vielleicht erinnerst du dich daran, dass wir in einigen dieser Länder gemeinsam gelebt haben und ich mit diesen Gepflogenheiten durchaus vertraut bin? Seit wir hier im Sonnenwinkel leben, weiß ich die deutsche Gemütlichkeit zu schätzen.«

      Nun blickte auch er auf seine Uhr. »Unsere Bambi ist wirklich überfällig. Ich denke, ich fahre ihr ein Stück entgegen. Vielleicht hat sie den Bus verpasst.«

      *

      Professor Auerbach wollte gerade aufstehen und sein Vorhaben in die Tat umsetzen, als Bambi auf die Terrasse gestürmt kam.

      Sie war ein entzückender Teenager und sah mit ihren braunen Locken und den großen grauen Augen ausgesprochen hübsch aus.

      Schon jetzt umstrichen die Knaben ihres Alters das Haus, doch noch war Bambi an Jungen nicht interessiert.

      Ganz gegen ihre sonstige ­Gewohnheit schmiss sie ihre Schultasche in eine Ecke, ließ sich ebenfalls in einen Sessel fallen und rief: »Bitte sagt mir, dass das nicht wahr ist.«

      Ihre Stimme war laut, ihre Augen blitzten.

      Es musste schon etwas sehr Gravierendes geschehen sein, das Bambi so aufregte.

      Inge nahm es gelassen. Sie lächelte ihre Tochter liebevoll an.

      »Um dir eine Antwort geben zu können, solltest du dich ein wenig präziser ausdrücken, mein Kind.«

      Das tat Bambi zunächst einmal nicht, denn pfeilschnell kam aus einer hinteren Ecke des Gartens Jonny, Bambis schon ziemlich in die Jahre gekommener Collie, hervorgeschossen, um sein Frauchen zu begrüßen.

      Bambi und Jonny waren ein Herz und eine Seele, seit Fabian ihr den Hund als ­Welpen geschenkt hatte.

      Für sein Alter war er noch gut dabei, doch auch ein Hundeleben dauerte nicht ewig, und Inge hatte jetzt schon Angst, wenn sie daran dachte, dass Jonny eines Tages nicht mehr da sein würde.

      Doch augenblicklich mussten sie sich darum noch keine Gedanken machen.

      Die Begrüßung war herzlich, Bambi umarmte ihren Jonny und streichelte ihn hingebungsvoll, und der war außer sich vor Freude.

      Der Professor unterbrach diese Idylle, indem er aufstand und sagte: »So, dann können wir jetzt endlich essen.«

      Er ging voraus in die Küche, nicht ohne vorher seiner Tochter gesagt zu haben: »Und wasch dir die Hände.«

      Bambi lachte, sie schien ihren Ärger vergessen zu haben. »Aber Papi, das musst du mir doch nicht sagen, das weiß ich.«

      Sie erhob sich, ging ebenfalls ins Haus, Jonny trottete neben ihr her, die Schultasche blieb auf der Terrasse liegen.

      Inge nahm sie mit hinein.

      Wenig später saßen sie an dem großen blank gescheuerten Küchentisch.

      Die Auerbachs besaßen ein Esszimmer mit wunderschönen Biedermeiermöbeln, die Inge von einer Tante geerbt hatte.

      Doch diesen Raum benutzten sie nur selten, sie liebten ihre Küche und deren Gemütlichkeit. Und Inge liebte große blanke Tische. Außerdem war es praktisch, da hatte sie nur kurze Wege vom Herd zum Tisch.

      Heute Mittag gab es einen Gemüseeintopf, den Werner Auerbach besonders liebte. Er war zu vielen offiziellen Essen eingeladen, die jeweils aus mehreren Gängen bestanden. Früher war es noch häufiger der Fall gewesen. Er schätzte die bürgerliche Küche, ganz besonders die Kochkünste seiner Frau, die es mit so manchem Sternekoch aufnehmen könnte. Seine Inge war einfach großartig, und das in jeder Hinsicht. Und attraktiv war sie außerdem. Er hatte sich sofort in sie verliebt. Sie war seine Mrs Right, seine Mrs Perfect. Und obwohl er viele Gelegenheiten gehabt hatte und die noch immer da waren …

      Er hatte einer anderen Frau nicht einmal einen Blick zugeworfen.

      Er füllte seinen Teller ein zweites Mal, weil der Eintopf einfach zu köstlich war, dann wandte er sich an seine Tochter, der es auch schmeckte.

      »Sag mal, mein Kind, du kamst mit einer Weltuntergangsstimmung nach Hause, warst außer dir … Was hat dich denn so aufgeregt? Was kann nicht wahr sein?«

      Weil Jonny sie so hingebungsvoll begrüßt hatte und weil sie auch ziemlich hungrig gewesen war, hatte sie es vorübergehend verdrängt.

      Doch nun war es wieder da. Bambi ließ ihren Löffel fallen, dann sagte sie: »Nun, dass Dr. Riedel mit seiner Familie hier wegziehen soll, angeblich nach Amerika.«

      Inge begann zu lachen.

      »Da musst du dich verhört haben, Kleines. Ehe er sich


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