Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Ex schon alles überlässt, nichts mitnehmen willst, was dich an ihn erinnert. Anziehen musst du dich doch in diesem Dorf. Auch wenn das niemand kennt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man dort nackt zwischen den Bäumen hindurchhüpft.«

      Roberta schenkte ihrer Freundin ein nachsichtiges ­Lächeln.

      Für Nicki war es unvorstellbar, dass jemand freiwillig die Stadt verließ, um irgendwo auf dem platten Land neu anzufangen.

      Nicki irrte sich in mehrfacher Hinsicht, und es war kein plattes Land, sondern ein wunderschönes, hügeliges. Es war eine sehr reizvolle Gegend, in die Roberta sich sofort verliebt hatte.

      »Nicki, ich überlasse Max nicht alles, sondern nur das, was wir gemeinsam angeschafft haben. Und was meine Bekleidung betrifft, so alt kann ich überhaupt nicht werden, um all das auftragen zu können, was ich mit in mein neues Leben nehme. Nicki, du bist voller Vorurteile, freue dich noch ganz einfach mit mir. Als freie Übersetzerin bist du unabhängig, du kannst überall arbeiten. Warum nicht im Sonnenwinkel? Ich werde da ein wunderschönes Haus beziehen, und du bist jetzt schon herzlich eingeladen, so viel Zeit bei mir zu verbringen, wie du willst.«

      Das allerdings war für Nikola derzeit noch absolut unvorstellbar, doch das sagte sie ihrer Freundin nicht.

      Eigentlich hatte sie schon mehr gesagt, als sie hätte sagen dürfen.

      Roberta war eine kluge, erwachsene Frau, die wusste, was sie tat.

      Und wenn man mit einem Schwerenöter, einem notorischen Fremdgänger verheiratet gewesen war wie mit diesem Max, den Nikola nie hatte leiden können, dann würde wohl jede Frau ver­suchen, von ihm so weit wie nur möglich wegzukommen.

      Nikola stand auf, umarmte ihre Freundin stürmisch.

      »Du wirst mir fehlen, Ro­berta. Ich vermisse dich schon jetzt.«

      »Nicki, ich dich auch. Aber ich bin nicht aus der Welt, und wie gesagt, mein Angebot steht. Du bist jederzeit herzlich willkommen im Sonnenwinkel.«

      Nikola Reck, noch immer auf der Suche nach ihrem Mr Right, trotz einiger schmerzhafter Fehlschläge, erkundigte sich. »Gibt es da attraktive und­ nicht ganz unvermögende Junggesellen?«

      Trotz ihres ganzen Elends musste Roberta lachen.

      Typisch Nicki. Sie sprach vollmundig über attraktive, reiche Männer, dabei waren ihre bisherigen Verehrer weder das eine noch das andere gewesen, und dennoch hatte ihre Freundin sich auf sie eingelassen, weil sie geglaubt hatte, sie zu lieben.

      »Ich denke, eher nicht. In erster Linie leben Familien im Sonnenwinkel und Ehepaare, die eine Familie gründen möchten. Doch Enno Riedel hat mir auch von einer Ausnahme erzählt. Ein reicher verwitweter Fabrikant mit Kind hat sich in Sandra von Rieding aus dem Herrenhaus verliebt, sie geheiratet, und …«

      Sie wurde von ihrer Freundin unterbrochen. »Warum erzählst du mir das, Roberta? Dieser Fabrikant ist vom Markt, und er wird sich meinetwegen bestimmt nicht scheiden lassen. Und ansonsten denke ich, werden Männer mit Kohle nicht reihenweise in dieser dörflichen Idylle auftauchen.«

      »Meine Mutter hat immer gesagt: Was auf deinen Weg kommen soll, kommt auf deinen Weg«, bemerkte Roberta.

      »Dabei hat sie bei dir aber ganz gewiss nicht an diesen windigen Max gedacht, der dich ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans«, sagte Nicki.

      Es tat noch immer weh, doch Roberta bemühte sich, darüber hinwegzukommen.

      »Es wird ihn einholen«, sagte sie leise. »So, wie er sich alles unter den Nagel gerissen hat, kann es ihm kein Glück bringen.«

      »Als erstes werden ihm die Patienten wegbleiben. Die wollten nicht von ihm behandelt werden, sondern von dir. Abgesehen von diesen Hühnern, die mit ihm ins Bett wollten.«

      Nikola blickte auf ihre Uhr, sprang entsetzt auf. »Du liebe Güte, ich habe eine Verabredung mit einem Auftraggeber. Ich muss weg, hoffentlich wartet er auf mich. Ich komme später wieder. Und du überleg währenddessen, ob du die Klamotten nicht doch mitnehmen willst.«

      Sie umarmte ihre Freundin stürmisch, dann lief sie los. Roberta Steinfeld seufzte, dann sortierte sie weiter.

      So cool, wie sie sich Nicki gegenüber gab, war sie längst nicht.

      Sie hatte ihre Entscheidung, Enno Riedels Praxis zu übernehmen, sehr spontan getroffen, zumal die Voraussetzungen stimmten und er ihr ein gutes Angebot gemacht hatte, das sie so schnell nicht wieder bekommen würde.

      Nur … War es die richtige Entscheidung?

      Gut, das sah man meist erst hinterher. Aber der Schritt von einer Großstadt, aus einer Praxis mit mehreren angestellten Ärzten und vielen Helferinnen, Assistentinnen, in eine Ortschaft mit überschaubaren Häusern war schon ein gewaltiger Schritt.

      Und als Einzelkämpferin mit einer einzigen Mitarbeiterin hatte sie auch noch keine Erfahrung. Das war eine gewaltige Umstellung.

      Enno Riedel hatte es viele Jahre ausgehalten, war glücklich gewesen. Doch der war in den Sonnenwinkel gezogen, um eine Familie zu gründen, also unter ganz anderen Voraussetzungen.

      Nach ihren Erfahrungen mit Max war es für Roberta unvorstellbar, dass sie sich noch einmal binden würde. Sie hatte ihren Beruf, den sie über alle Maßen liebte, und der musste ihr jetzt alles ersetzen.

      Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie Schritte hörte. Wenig später stand Max vor ihr, sehr gut aussehend, selbstbewusst und sehr selbstverliebt.

      Er sah leicht erregt aus, die Lippenstiftspuren auf seinem Hemdkragen waren nicht zu übersehen. Er kam von einer Frau.

      So kannte sie ihn, so hatte sie ihn unzählige Male erlebt.

      Zum Glück tat es nicht mehr weh wie während der Zeit ihrer Ehe.

      Jetzt fragte sie sich nur, wie er so leichtfertig sein konnte zu einer Zeit, in der er eigentlich in der Praxis hätte sein müssen, seinen privaten Vergnügungen nachzugehen.

      Sie wollte ihn darauf ansprechen, doch dann besann sie sich, ließ es bleiben. Es ging sie nichts mehr an. Doch wenn er so weitermachte, dann konnte man sich ausrechnen, wann er die Praxis heruntergewirtschaftet haben würde. Und dann würde es auch aus sein mit seinen Gespielinnen, denn ohne Geld würde er erheblich an Attraktivität einbüßen.

      Sie erkundigte sich nur: »Was willst du?«, und freute sich, obwohl es in ihr ganz anders aussah, ihrer Stimme einen so gleichgültig klingenden Klang verliehen zu haben.

      Das irritierte ihn.

      Er zerrte an seinem Hemdkragen.

      Und jetzt konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen: »Du hast übrigens Lippenstift am Kragen.«

      Er wurde rot. Und das gefiel ihr, früher hatte sie ihn mit solchen Äußerungen wütend gemacht. Aber sie hatte genug von Spielchen. Max und sie, das war vorbei, und deswegen waren es auch die Verletzungen, die er ihr ­zugefügt hatte. Die musste sie noch verarbeiten, neue brauchte sie wirklich nicht.

      Ganz ruhig wiederholte sie ihre Frage.

      »Ich möchte nur mal sehen, was du alles mitnehmen willst«, sagte er.

      Es war unglaublich.

      »Das, was wir abgesprochen haben.«

      Er grinste. »Na ja, zwischen dem, was man sagt und was man hinterher tut, gibt es ja wohl einen Unterschied.«

      Er machte es ihr durch solche Äußerungen immer einfacher, ihn zu vergessen.

      »Für mich nicht, Max«, antwortete sie ganz ruhig. »Und das solltest du auch wissen. Wir waren schließlich lange genug verheiratet. Aber bitte, kontrolliere noch mal alles, und am besten stehst du morgen früh um sieben auch hier auf der Matte, um nochmals alles zu überprüfen. Dann kommt nämlich der Möbelwagen.«

      »Und wohin wirst du gehen?«, erkundigte er sich noch einmal. Auch wenn sie geschieden und zwischen ihnen alles geklärt war, interessierte ihn das schon. Man konnte ja nie wissen. Vielleicht brauchte


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