Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman - Viola Maybach


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einen Schritt in das Halbdunkel des Gangs zwischen Küchentrakt und Eingangshalle zurück, um nicht gesehen zu werden. Gleich darauf lösten sich die beiden Schatten von der Säule – einer kehrte in den Salon zurück, der andere huschte die Treppe hinauf. Zuvor hatten sie einander noch einmal zärtlich geküsst.

      Eberhard Hagedorn lächelte wehmütig. Sie waren noch so jung! Er erinnerte sich sehr gut an seine erste große Liebe, er war nicht viel älter gewesen als der kleine Fürst jetzt – und er hatte sich nicht vorstellen können, dass diese Liebe jemals enden würde.

      Als er gleich darauf den Salon betrat, war Sabrina von Erbach nicht mehr anwesend, der kleine Fürst aber stand mit verträumtem Gesicht an einem der Fenster und sah hinaus in den Park.

      »Was hat Frau Falkner zu unseren Plänen gesagt, Herr Hagedorn?«, fragte Sofia.

      »Sie ist bereits am Planen, Frau Baronin. Es wird bestimmt ein großartiges Picknick.«

      Togo flitzte an dem alten Butler vorbei in den Salon. Christian warf seiner Tante einen entschuldigenden Blick zu. »Ich gehe noch einmal raus mit ihm, Tante Sofia. Komm, Togo.«

      Er hatte noch immer einen verträumten Blick.

      Eberhard Hagedorn schmunzelte in sich hinein.

      *

      Leonid hatte noch einen Rundgang durch einen der Pferdeställe gemacht, war hier und da stehengeblieben und hatte ein paar Worte an das große schöne Tier in der jeweiligen Box gerichtet. Er hatte den Stallmeister Robert Wenger getroffen, mit ihm ein wenig gefachsimpelt und höflich gefragt, ob seine Anwesenheit die Pferde auch nicht störe.

      »Nein, nein, ich habe ja gesehen, wie Sie mit ihnen umgehen, Graf von Zydar – ich denke sogar, es gefällt ihnen, wenn jemand sich noch ein wenig mit ihnen unterhält. Wir haben manchmal einfach zu wenig Zeit für jedes einzelne Tier«, hatte der junge Stallmeister erwidert.

      Langsam setzte Leonid seinen Gang fort. Er war aufgewühlt, und er machte sich nichts vor: Das hing mit der temperamentvollen Clara zusammen. Sie gefiel ihm, und jetzt erst merkte er, wie bedrückend das zurückgezogene

      Leben gewesen war, das er sich

      seit seiner Übersiedelung nach Deutschland auferlegt hatte. Er war schließlich noch jung, liebte es, zu feiern und zu tanzen – und er sehnte sich außerdem nach der Liebe einer Frau wie Clara. Nach der Liebe einer Frau, die wusste, was sie wollte, die ihren eigenen Kopf hatte, die klug war und schön, wunderschön sogar.

      Er hörte ein Geräusch und blieb stehen, während er lauschte. Leises Gemurmel, eindeutig, er war also nicht allein in diesem Stall. Hatte sich vielleicht einer der Pferdepfleger mit seinem Mädchen hier getroffen? Er wollte niemanden aufschrecken – und schon gar kein verliebtes Paar stören, das lag ihm wahrhaftig fern. Er wollte sich gerade umdrehen und den Stall wieder verlassen, als plötzlich eine Stimme fragte: »Hallo? Ist da jemand?«

      Es war Claras Stimme, eindeutig. Aber mit wem hatte sie gesprochen? »Ich bin hier«, antwortete er, »Leonid. Ich wollte noch einen Rundgang machen, weil ich noch nicht müde bin. Sind Sie das, Clara?« Er schlenderte jetzt langsam weiter, sorgsam darauf achtend, dass sich sein Herzschlag wieder normalisierte, damit seine Stimme nicht verriet, wie sehr ihn diese unerwartete Begegnung aus dem Gleichgewicht brachte.

      »Ja«, antwortete sie spröde.

      Gleich darauf stand er vor ihr und sah erst jetzt, dass sie allein war. Beinahe hätte er aufgelacht: Sie hatte mit einem der Pferde gesprochen, genau wie er. »Da sind wir also auf die gleiche Idee gekommen«, stellte er fest.

      Sie nickte. »Pferde sind wundervolle Tiere«, erwiderte sie leise. »Eine Mischung aus Kraft und Sanftheit – und klug sind sie außerdem. Ich habe selbst Pferde, und ich könnte schwören, dass sie jedes Wort, das ich zu ihnen sage, verstehen.«

      Sie kam ihm noch schöner vor als während des Essens im Salon. Ihr Gesicht leuchtete weiß im Dämmerlicht des Stalls, ihre Augen glänzten, der leicht geöffnete Mund ließ ihre Zähne durchblitzen. Wie zierlich sie war! Erstaunt stellte er fest, dass sie ihm gerade bis zur Schulter reichte, und erneut hatte er mit dem heftigen Wunsch zu kämpfen, sie in seine Arme zu nehmen und zu küssen, bis sie ihren Widerstand gegen ihn aufgab, ihre Lippen sich willig öffneten und ihr Körper sich weich und voller Verlangen an den seinen schmiegte.

      Statt diesem Wunsch nachzugeben sagte er: »Ja, so geht es mir auch. Selbst hier, wo ich die Pferde nicht kenne, vermitteln sie mir den Eindruck, meine Worte zu verstehen.«

      Ihre Blicke tauchten ineinander, sie lächelte ihn an, und er konnte keinerlei Zorn mehr in ihren Augen entdecken. Mit einem Mal schien alles, was sie trennte, vergessen zu sein. Er fühlte sich ihr nah und war sicher, dass es ihr ebenso erging.

      Dann wandte sie sich ab und fragte mit trauriger Stimme: »Warum haben Sie mir das Bild nicht überlassen wollen?«

      Er öffnete bereits den Mund, um die Frage zu beantworten, schloss ihn jedoch sofort wieder. »Aus persönlichen Gründen«, sagte er endlich. »Es hatte nichts mit Ihnen zu tun.«

      »Und das soll ich Ihnen glauben?«

      »Es ist die Wahrheit, Clara, das schwöre ich.«

      Jetzt sah sie ihn wieder an. »Ich glaube Ihnen nicht«, stellte sie dann fest, drehte sich um und ließ ihn stehen.

      Er widerstand dem Impuls, ihr zu folgen. Die wenigen Augenblicke der Vertrautheit waren schon wieder vorüber – aber was erwartete er? Sie war zornig auf ihn, das würde sie nicht innerhalb weniger Stunden vergessen.

      Er blieb noch so lange bei den Pferden, bis er sicher sein konnte, ihr nicht mehr zu begegnen, dann erst kehrte auch er ins Schloss zurück.

      *

      Lili wurde am Samstagmorgen sehr früh geweckt, von unterdrückten Stimmen und seltsamen Geräuschen, die sie im Halbschlaf nicht zu deuten wusste. Erst als sie Kallis Stimme ganz deutlich sagen hörte: »Sie werden nicht begeistert sein, wenn wir sie so früh wecken, aber wir sollten nicht länger warten«, war sie schlagartig hellwach. Sie sprang mit einem Satz aus dem Bett und sah aus dem Fenster: Tatsächlich, die Dachdecker waren bereits da!

      Sie schlüpfte ins Bad, wo sie sich sehr beeilte, dann ging sie nach unten, um Kaffee zu kochen. Wer so früh anfing zu arbeiten, war bestimmt froh über ein warmes Getränk.

      Sie war noch nicht ganz fertig, als Patrick erschien. »Die fangen aber früh an«, maulte er. »Ich wollte noch schlafen, aber die haben mich geweckt.«

      »Du solltest nicht meckern, sondern lieber froh sein, dass unser Dach gemacht wird«, fand Lili.

      Zu ihrer Überraschung widersprach er nicht, sondern stimmte ihr zu. »Bin ich ja auch. Soll ich den Kaffee rausbringen?«

      »Ja, tu das – und sei leise. Wir müssen die anderen ja nicht unbedingt aufwecken, wenn sie noch schlafen können.«

      Es erwies sich jedoch als unmöglich, bei dem Krach, den die Männer machten, weiterzuschlafen, und so fand sich bald die ganze Familie in der Küche zum Frühstück ein. Alle sahen müde aus, aber vor allem waren sie außerordentlich an dem interessiert, was draußen am Haus vor sich ging. Vor allem die Zwillinge machten sich einen Spaß daraus, von einem Fenster zum nächsten zu laufen, um festzustellen, ob sie einen der Männer sehen konnten. Als ihnen irgendwann Kalli fröhlich zuwinkte, kreischten sie vor Vergnügen.

      »Ich sehe mal, ob ich helfen kann«, sagte Lilis Vater nach dem Frühstück. »Die können bestimmt noch jemanden gebrauchen, der mit zupackt.«

      Und so war es auch. Als Lili das Haus verließ, um sich auf den Weg zu Irina Mahler zu machen, blieb sie erst einmal stehen, um zu sehen, wie weit die Männer bis jetzt gekommen waren. Sie sah ihren Vater auf dem obersten Gerüst stehen und Kalli eine Plane anreichen. Sie konnte nur staunen: Das Dach war bereits abgedeckt, jetzt wurde das Haus mit einer Plane abgesichert, falls es in den nächsten Tagen regnete. »Das ging aber schnell!«, rief sie nach oben.

      Kalli lachte sie an. »Wenn Fachleute an der Arbeit sind, ist das immer so!«, rief er. »Danke für


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