Die Väter haben Herlinge gegessen. Gustav Wied
und gehorsam, obwohl seine erotischen Ansprüche an sie im Laufe der Jahre sich in immer seltsamerer und seltsamerer Weise äußerten. Sie sah nämlich ein, jetzt, da sie ihn so tief kennen gelernt hatte, daß, wenn sie sich in diesem Punkte seinem Willen nicht blindlings beugte, die scheinbar so gleichmäßige und friedliche Harmonie ihres Zusammenlebens zerstört sein würde. Deshalb zwang sie sich und war ihm gehorsam, auch wenn ihre unverdorbene und keusche Natur sich immer wieder in schamhaftem Protest erhob.
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Es lag in der Lichtung, auf der Grenze zwischen Rasen und Strand ein Badehaus. Die Tür lag nach dem Meere zu und von einem weißgestrichenen Mast über ihr wehte ein langer danebrogsfarbener Wimpel.
In diesem Badehause lebten und wohnten die Kinder, als sie älter wurden, fast den ganzen Sommertag. Sie kleideten sich im Hause an und aus, lagen und dehnten sich am Ufer und ließen sich von der Sonne durchglühen, wateten hinaus und duckten sich in den Wogen, kamen, leuchtend vor Nässe, wieder zurück, kugelten sich im Sande und ließen sich gegenseitig damit bewerfen, daß ihre behenden Körperchen aussahen, als wären sie gepudert, wenn sie wieder in das Wasser hinausplätscherten ...
Dies war Kinderspiel in Tag und Sonne. Aber ringsum in der Gegend schlich das Gerücht umher, daß, wenn die Nacht hereinbrach und nur der Mond über dem Wasser der Bucht leuchtete, am Ufer hier unten zwei andere weiße und nackte Menschenkinder "spielten" – der Herr auf Havslundegaard und seine gehorsame Frau.
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Da trat vor ungefähr 15 Jahren jenes Ereignis ein, das mit einem Schlage und für immer eine Mauer zwischen den Eheleuten errichtete.
Viele nannten Frau Uldahls Benehmen damals geradezu töricht und sinnlos, denn, Herrgott, wir leben doch nun einmal in der Welt! – Aber sie handelte wie sie handelte, weil sie infolge ihrer unkomplizierten und gradlinigen Natur nicht anders konnte.
Es war ein Maientag mit Sonne und singenden Lerchen.
Niels Uldahl hatte beim Frühstück im Namen der Kinder die Lehrerin scherzhaft ersucht, ihnen des herrlichen Wetters wegen den Unterricht zu erlassen.
Dies war gnädigst bewilligt worden, und Frau Line war mit der kleinen damals 5–6 jährigen Anna in den Strandwald hinabgegangen, um Anemonen zu pflücken.
Aber nach einer halben Stunde kommt das Kind ganz verstört vor Weinen und Verzweiflung in die Küche gelaufen und erzählt, Mutter wäre unten im Tannenwalde umgefallen und könne nicht aufstehen und wolle nicht antworten.
Aber als sie eiligst hinunterliefen, die Mamsell und die beiden Stubenmädchen, nachdem sie erst den Diener Jürgen auf die Suche nach dem Hausherrn geschickt hatten, trafen sie auf dem Fußwege über die eingefriedigte Wiese Frau Uldahl, die langsam dem Hof zuschritt. Die Hände hielt sie fest gegen den Unterleib gepreßt, und nur Schritt für Schritt schleppte sie sich vorwärts ... Sie war damals hochschwanger mit ihrer jüngsten Tochter Sophie.
"Aber gnädige Frau! Sind die gnädige Frau krank geworden?"
"Ja .."
Und behutsam führten sie Line heim und brachten sie zu Bett. Und während sie noch um sie herumliefen und sich mühten, stand plötzlich Niels Uldahl bleich und aufgeregt in der Tür des Krankenzimmers:
"Was ist hier los?"
"Die Gnädige ist krank geworden ..."
"Na–a, das ist wohl nicht so schlimm ... ich werde läuten, wenn wir euch brauchen ..."
"Ja, aber, gnädiger Herr ..."
Er stampfte wütend mit dem Fuß auf.
"Hinaus, sage ich!"
Und die Weiber schlichen ab ...
Als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, trat Niels zum Bett.
"Verzeih', daß ich heftig wurde: aber die Frauenzimmer haben mich gereizt ..."
Frau Line antwortete nicht.
Da lächelte er dumm, riß sich zusammen und sagte entschlossen und verwegen:
"Ist das nun etwas, was man sich so zu Herzen nimmt ... was Teufel, das bißchen Kuß an einem Frühjahrstage! Hi, hi! Du weißt doch, du und ich, wir leben so miteinander, daß keiner ernstlich zwischen uns kommen kann."
Sie blickte verwirrt zu ihm empor.
"Ja, Niels, ja ..." sagte sie, "aber ich möchte lieber warten und ein andermal mit dir sprechen ... Ich bin so müde."
"Hum'. Dann ist es wahrhaftig deine eigene Schuld. Du hättest es ja ruhig und gemütlich nehmen können, als die Bagatelle, die es ist. Nicht? Meinst du nicht auch, daß es deine eigene Schuld ist?"
"Gewiß ... aber laß mich jetzt ein wenig allein, Niels."
"Wie du willst."
Er ging bis dicht vor das Bett und beugte sich über sie.
"Wir beide, die wir so gut miteinander leben, wie niemand anders ..." flüsterte er zärtlich und faßte sie um.
Sie entzog sich ihm scheu und hastig; ihre Augen weiteten sich angstvoll.
"Hä!" lachte er böse, "hi, hi! Ja, du bist in der Tat eine nette Mimose. Und es steht dir gut, nach alledem, was zwischen uns vorgegangen ist ... Aber das ist für dich schlimmer als für mich!"
Und er verließ das Zimmer und warf die Tür hinter sich zu ...
Als er fort war, schloß Frau Uldahl die Augen und lag still da. Ab und zu glitt gleichsam ein Schauer von Schmerz über ihr Gesicht, denn die Gedanken ließen ihr keine Ruhe ... Es war die "Bagatelle" geschehen, daß sie auf ihrem Spazierweg unten im Strandwalde Niels auf einem Grabenrande zwischen den Tannen sitzend gesehen hatte in heißer Umarmung mit der Lehrerin der Kinder. Und im selben Augenblick war Frau Line zu Boden gesunken, wie in die Kniee gezwungen von einer großen grausamen Hand, die ihr die Stahlfinger um das Herz gepreßt hatte ...
Aber es war nicht gerade der Umstand, daß Niels ein anderes Weib geliebkost hatte, der ihr das tiefste Weh verursachte, denn sie hatte lange genug gelebt, um zu begreifen, daß die Männer ohne Skrupel soviel Gunst und Huld annehmen, wie sie kriegen können. Nein, was ihr die bitterste Qual verursachte, war, daß sie sich in all diesen Jahren vergeblich seinen kranken Sinnen hingegeben hatte. Das hatte sie jetzt, als sie ihn nun plötzlich und unvorbereitet eine andere, eine neue begehren sah, mit einem so starren Entsetzen ergriffen, daß sie einen Augenblick geglaubt und gehofft hatte, es sei ihr Tod ..... Den Kindern zuliebe und dem Heim zuliebe hatte sie sich geopfert. Und weil sie wußte, daß er krank war. Und weil er sie wirklich einmal geliebt hatte, was seine Briefe bewiesen, und weil sie jetzt Mitleid mit ihm empfand. Und weil er sie damals zu seiner Gattin gemacht hatte. Und weil, und weil, und weil ...!
All dies kreiste in ihrem Gehirn; und alles miteinander lief unweigerlich auf diesen einen entsetzlichen Gedanken hinaus: daß nun alles vergebens war ...!
Es klopfte an die Tür und die Mamsell trat ein:
"Wie geht es der gnädigen Frau?"
"Ja, danke ... es geht schon besser ..."
"Sollen wir Buttermilchsuppe oder Fleischbrühe mit Milch zum Vorgericht geben, gnädige Frau ...?"
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Reichlich 14 Tage lang hielt sich Niels Uldahl vom Krankenzimmer seiner Frau fern. Aber jeden Morgen gab der Diener Jürgen seine Karte an der Tür ab und erkundigte sich nach dem Befinden der Gnädigen. – Zuletzt lag ein ganzer kleiner Stapel von Visitenkarten auf ihrem Toilettentisch:
Niels Uldahl-Ege
Havslundegaard
Da endlich, mitten in