Andreas Vöst. Ludwig Thoma

Andreas Vöst - Ludwig Thoma


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is schlecht beinand; seit gestern kummt sie arg von da Kraft,« erwiderte die Bäuerin.

      Die Alte nickte müde mit dem Kopfe und bewegte den zahnlosen Mund.

      »Was hat sie g'sagt?« fragte der Bauer.

      »I ho's it verstanna. Was hoscht g'sagt, Muatta?«

      Die Schullerin schaute die alte Mutter prüfend an.

      Ruhig wie ein Mensch, der über ein Sache ins reine kommen will.

      »Was hoscht g'sagt, Muatta?« fragte sie noch einmal.

      Die Alte begegnete ihrem Blick; in ihren glanzlosen Augen war nichts von Angst und Sorge zu lesen. Nur Müdigkeit.

      »I treib's nimmer lang,« sagte sie.

      »Sie moant, sie muaß sterb'n,« wiederholte die Schullerin mit lauter Stimme. Der Bauer schnitt bedachtsam den Brotlaib an und brockte kleine Stücke in seine Suppe.

      »Sie is halt scho guat bei die Jahr,« sagte er, »wie alt bischt denn jetzt, Muatta?«

      Die Alte gab keine Antwort; sie schaute wieder vor sich hin, und ihr Kopf sank herunter.

      »An achtasechz'g Jahr' werd sie sei, und g'arbet hat sie viel,« sagte der Sohn.

      »Ja, g'arbet hat sie viel, und acht Kinder hat sie bracht; des setzt oan zua. Sie g'fallt mi aba gar net; sollt'st dennerst an Pfarra hol'n, Bauer.«

      »In Pfarrhof geh' i net. Dös muaßt's scho selm toa; oder schick umi!«

      »Na geh'n i selm, bal i abg'spült hab.«

      Die Alte bewegte wieder die Lippen.

      »Wos hascht g'sagt, Muatta?«

      Die Schullerin ging zur Ofenbank und horchte aufmerksam.

      »Ja, ja, Muatta! Hoscht scho recht. Sie sagt, sie is froh, bal's gar is. A so hat's koan Wert nimma, sagt sie.«

      Der Bauer legte den Löffel weg und ging in den Hof hinaus.

      »Andrä!«

      »Wos geit's?«

      »I nimm jetzt de zwoa Braun', und du spannst an Ochsen ei!«

      Der Knecht führte zwei stattliche Pferde aus dem Stall; der Schuller nahm das Leitseil und ging hinter ihnen her. Am unteren Ende des Dorfes holte er den Geitner ein.

      »'ß Good, Schuller!«

      »'ß Good!«

      »Wo geahscht hi?«

      »An Schmidlacker; Habern vorbaun.«

      »Wo's d'an Klee g'habt hoscht?«

      »Ja.«

      »Jetzt geht's ja leicht mit'n bau'n, weil's nimma so trucka is.«

      »Es tuat's.«

      »Beim Kramer ham s' g'sagt, daß dei Muatta schlecht dro is?«

      »Ja, sie hat's kloa beinand. Oan Tag oder zwoa, länger werd s' kaam mehr leb'n.«

      »Wia's halt is. Die Junga könna sterb'n, und de Alt'n müassen sterb'n.«

      »Da ko'scht nix macha.«

      »Hoscht du nix g'hört, Schuller, wann de Bürgermoasterwahl is?«

      »Na, koa Tag is no net g'setzt, wia 'r i woaß. Im November werd s' halt sei.«

      »Dösmal werst as du, Schuller.«

      »I reiß mi net drum. Mir werd's liaba an anderner.«

      »Wer denn? Da Kloiber mag nimma.«

      »Vielleicht sagt er grad a so.«

      »Na, dös woaß i g'wiß. Da Kloiber steht z'ruck.«

      »Nacha könnt's ja an Hierangl nehma.«

      »I glaab it, daß 's der werd. Er hat it viel Leut' auf da Seiten; bloß de, wo eahm was schuldi san.«

      »Aba da Pfarrer möcht'n.«

      »Ja, weil er moant, daß er eahm helfat mit sein' Turm, und weil er überhaupts allaweil z'sammspinnt damit. Aba 'r auf'n Pfarrer passen mir it auf.«

      »I sag' da's schnurgrad, Geitner, mi freut's gar it. Bal i Burgermoasta waar, gang da Verdruß nimmer aus. Garaus mit'n Pfarra. Er ko mi net schmecka, dös woaßt ja. Und z' Erlbach san gnua, de wo zu eahm halt'n; nacha gab's allawei Zwidrigkeiten. Nehmt's an Hierangl, dös is viel g'scheiter.«

      »Mi hamm ja no Zeit, Schuller; aba dös derfst glaab'n; bal's mir nachgeht, werst as du. I bin auf deiner Seiten; dös derfst g'wiß glaab'n.«

      »Is scho recht. 'ß Good!«

      Der Schuller ging vom Weg ab zu seinem Acker; wie er die Gäule am Pflug vorspannte, sah er dem Geitner nach und sagte vor sich hin: »Hättst mi gern ausg'fragt, gel, Tropf schei'heiliga? Di kenn i guat. Wiah!«

      Die Gäule zogen an; unter der blinkenden Pflugschar wellten sich die Schollen.

      Daheim saß die alte Mutter noch immer unbeweglich in der Ofenecke und sah der Schwiegerin zu, welche die Stube aufräumte. Das ging flink mit rüstigen Armen.

      So hatte die Alte auch einmal gearbeitet und geschaltet im Hause. Dann waren langweilige Tage gekommen, und sie hatte gespürt, wie unnütz ein Leben ohne Arbeit ist.

      Hohes Alter ist kein Segen. »Du sollst dein Brot verdienen im Schweiße deines Angesichts.« Das ist für die Bauernleute geschrieben, denen die Hände schwer werden beim Rasten.

      Und die Alte fürchtete sich nicht vor dem Sterben; das hatte sie sich oft gewunschen, nicht aus Verzweiflung oder aus Trübsinn, sondern weil es recht ist, zu gehen, wenn das Bleiben keinen Wert hat.

      Der jüngste Bub der Schullerin kam lärmend herein.

      Die Bäuerin wehrte ihm ab.

      »Geh aussi, Xaverl, du hoscht do herin nix z'toa. Siegscht it, daß d' Großmuatta krank is?«

      »Muaß sie sterb'n?«

      »Ja, sie muaß bald sterb'n. Aba jetzt geh zua! Du gehst uns do im Weg um.«

      Der Kleine sah mit neugierigen Augen nach der Alten hin, und als er die Stube verlassen hatte, stellte er sich draußen an das Fenster und preßte das Gesicht an die Scheiben.

      Die Schullerin wollte in den Stall gehen; da kam der Kooperator über den Hof, und sie blieb unter der Türe stehen.

      »Es ist eine kranke Person im Hause, welche des geistlichen Trostes bedarf?«

      »Ja, Hochwürden, d' Muatta is schlecht beinand. Seit Mittag kimmt s' ganz von da Kraft.«

      »Wo ist sie?«


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