Andreas Vöst. Ludwig Thoma
war alleweil gut mit der Mutter gefahren und hatte ihr kein böses Wort gegeben. Sie war zufrieden mit dem Austrag, und wenn sie vom Sterben redete, sagte sie oft, daß ihr ausgemachtes Vermögen beim Anwesen bleibe.
Bloß etliche hundert Mark für Seelenmessen sollten davon abgehen, und so war es auch geschrieben im ersten Testament. Aber ein paar Monate vor ihrem Tode machte sie den Nachtrag und verschrieb fünfhundert Mark für die Erbauung eines neuen Turmes.
Das war ihm unverhofft gekommen, und er hätte nicht daran gedacht.
Jetzt freilich fiel ihm manches ein, was er zuvor nicht beachtet hatte. Daß die Mutter im Sommer nach Nußbach fuhr, mitten in der Woche, als er keine Zeit hatte zum Begleiten und die Bäuerin im Bett lag.
Und daß sie ihm keine rechte Antwort geben wollte, wenn er sie fragte, ob alles in Ordnung sei. Daß sein Bruder Lenz hinterher nicht halbpart verlangen könne, weil sie ihm doch das Ganze versprochen hatte.
Da sagte sie immer, es sei alles recht gemacht, und wie es gemacht sei, wäre es recht.
Wie der Amtsrichter das Testament vorlas, stand am Schlusse, diese Spende hätte die Mutter wohl überlegt, und die Erben sollten für sie beten anstatt verfluchen und verwünschen.
Sie hatte schon gewußt, daß sie Verdruß damit aufhebe. Den Schuller dauerte das schöne Geld, aber das hätte er leichter verschmerzt wie den peinlichen Spott von den Leuten.
Er war der Wortführer gewesen gegen den Pfarrer, und er hatte seine Meinung durchgesetzt bei der Gemeinde.
Derweil galt sie nichts in seinem eigenen Haus, und der Pfarrer hatte seine Mutter gerade so gut überreden können wie den Linnersteffel.
Selbigesmal hatte er gesagt, daß es nicht recht sei, wenn man alte Leute zu solchen Vermächtnissen berede, und jetzt war es bei ihm das nämliche.
Der Pfarrer konnte lachen. Was brauchte er sich um die Gemeinde zu kümmern, wenn er das Geld sogar von seinen Widersachern kriegte? Da muß einer für dumm gelten, wenn er Streit anfängt mit der Geistlichkeit, und hinterher zahlt er selber so viel von der Zeche.
Der Schuller versteckte seinen Zorn nicht; er sagte den Freunden, daß er gegen die Heimlichkeiten nicht ankönne. Er habe öffentlich widerredet nach seiner Pflicht; aber wenn der Pfarrer von schwachsinnigen Weibern das Geld nehme, was ihm die Männer verweigern, hernach sei gleich ausgestritten. Da könne er sich was darauf einbilden, wenn der Turm auf diese Weis' zusammengebettelt sei. Und das wäre auch noch eine besondere Kunst, ein altes Leut vor dem Sterben herumzukriegen. Solche Reden wurden weitergetragen, und der Pfarrer hörte sie bald.
Daß sie ihn nicht freuten, darf jeder glauben, aber er schimpfte nicht, und auch seine Vertrauten wußten nicht recht, wie er sich dazu stelle. Er hörte aufmerksam, was man ihm erzählte, und er seufzte, wenn es recht dick daherkam und die Worte des Schuller ein schlechtes Gepräge trugen.
Wer das für Sanftmut hielt, war grob im Irrtum; der hochwürdige Herr hatte ein zorniges Gemüt und verzieh keine Beleidigung. Jedoch er wußte, daß man dem Feind am meisten schadet, wenn man die günstige Stunde abwartet.
Unter den Vertrauten des Pfarrers führte der Hierangl das lauteste Wort.
Seit vielen Jahren lebte er in Feindschaft mit dem Schuller; er hatte einen Prozeß gegen ihn verloren, und in der Wut darüber hatte er gesagt, daß der Schuller seine Zeugen zum Meineid verleitet habe. Deswegen wurde er wegen Beleidigung acht Tage lang eingesperrt und mußte obendrein sehen, daß ihm die achtbaren Männer in der Gemeinde nicht recht gaben. Sie wählten seinen Feind zum Beigeordneten. Seit der Zeit trat er ihm in den Weg, wo er konnte; und wie der Schuller gegen den Pfarrer anstritt, war der Hierangl von selber auf der geistlichen Seite. Sein Zorn wuchs, weil er nichts ausrichten konnte, und er ließ sich ein paarmal hinreißen, daß er dem Beigeordneten schlechte Dinge nachsagte. Hinterdrein mußte er sie vor dem Bürgermeister abbitten und froh sein, wenn ihn der Schuller nicht wieder verklagte.
Jetzt, meinte der Hierangl, wäre die Zeit gekommen, daß man die alte Schuld heimzahlen könnte, und der Pfarrer sollte mit Gericht und Advokaten über den Schuller einrücken.
Aber der hochwürdige Herr verwies ihm seine Heftigkeit und sagte, daß er mitnichten so verfahren wolle; jedoch, wenn der Schuller in seinem schlechten Sinne beharre, werde er auf andere Weise gegen ihn einschreiten und als Seelsorger bedacht sein, daß nicht die Gemeinde zu Schaden käme.
Da merkte der Hierangl gut, daß seinem Feinde nichts geschenkt bleibe.
Auch andere glaubten das, und der Haberlschneider warnte den Schuller mehr als einmal.
»Du sollst di nit a so auslassen,« sagte er, »du kennst insern Pfarrer z'weni. Hör'n tuat er alles, und vagessen gar nix, und bal'st as amal gar it moanst, werst' as mit Schaden inne wer'n.«
»Der ko mi gar nix macha; auf den paß' i scho lang nimma auf.«
»Ja, mei Liaba, dös sagst du a so; aba du derfst it vagessen. Helfer hat er grad' g'nua, und schlauch is er aa.«
»Dös derf er scho sei. Woaßt, Haberlschneider, daß er mi it mog, dös woaß i guat g'nua, aba i fürcht eahm it, und seine Helfer scho gar it.«
Das sagte der Schuller, weil er tat, was recht war. Aber er mußte bald sehen, daß man nicht Herr ist über alles, was geschieht.
Eines Abends, wie er daheim saß, rückte seine Bäuerin mit der Neuigkeit heraus. Die Ursula sei in der Hoffnung vom Hierangl Xaver. Das erste war zuwider genug. Eine Bauerntochter soll mehr auf sich halten wie eine Dienstmagd, aber das zweite machte die Sache schlecht.
Wäre es ein anderer gewesen, der hätte geheiratet oder gezahlt, und weil die Ursula sonst ein arbeitsames Weibsbild war, hätte sie wegen dem Kind noch einen jeden heiraten können.
Aber der Hierangl hängte ihr Schande an, das war einmal gewiß. Den Jungen hetzte der Alte auf, wenn es das noch brauchte.
»Hätt'st besser aufpaßt!« schrie der Schuller, »jetzt werst' sehg'n wia's geht. Der Tropf, der ziagt ins aa no eini ins G'red. Dem is nix z'schlecht. Daß du gor it aufpaßt? Für was bischt denn du d' Muatta?«
»Do ko'st leicht aufpassen, wann mi nix denkt. I woaß it, wia sie so dumm g'wen is; da, frag s' selm!« sagte die Schullerin, weil die Ursula hereinkam.
Sie blieb an der Türe stehen und schaute verlegen drein.
»Was hat mi denn d' Muatta g'sagt?« fragte der Schuller; »daß du di mit'n Hierangl ei'lassen host? Is dir der Schlechtest g'rad recht g'wen? Hab i net allmal g'sagt, 's luschti sei verbiat i dir net, aba du muaßt wissen, bei wem d' bist?«
»So schrei do it gar a so!« wehrte die Schullerin ab; »du muaßt do auf de Deanstbot'n an Obacht hamm!«
»Hätt's ös z'erscht an Obacht g'habt! Jetzt is scho z'spat; de Leut wern si bald g'nua hör'n; hast du no net g'redt mit eahm? Hast as eahm du no net g'sagt?«
»Jo. I ho's eahm scho zwissen g'macht.«
»Und was sagt er nacha?«
»Wegschwör'n will er si; aber dös ko er durchaus gar it.«
»Ja, do werd er di frag'n, du Lall'n, du dappige. Geh in Stall außi, sinst schlag i dir's Kreuz o, du Herrgottsakrament!«
»Er hat mi 's Heirat'n g'hoaßen.«