Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Mut ein­flö­ßen muß­ten, wie der Ge­sang ei­ner Mut­ter die Schmer­zen ei­nes zah­nen­den Kin­des ein­schlä­fert.

      »Ja, mein Kind, ich will den Kampf auf­neh­men; aber kein Wort zu ir­gend je­man­dem, wer es auch sei, auch nicht zu Po­pi­not, der uns ge­wiß lieb hat, oder zu On­kel Pil­ler­ault. Zu­nächst will ich an mei­nen Bru­der schrei­ben; er ist, wie ich weiß, Dom­herr und Vi­kar an der Ka­the­dra­le; er hat kei­ne Aus­ga­ben, er muß Geld ha­ben. Wenn er jähr­lich tau­send Ta­ler er­spart hat, so er­gibt das in zwan­zig Jah­ren hun­dert­tau­send Fran­ken. Und in der Pro­vinz ge­nie­ßen die Geist­li­chen auch Kre­dit.«

      Cäsa­ri­ne be­eil­te sich, ih­rem Va­ter einen klei­nen Tisch und al­les zum Schrei­ben Er­for­der­li­che zu brin­gen, und leg­te ihm den Rest der auf rosa Pa­pier ge­druck­ten Bal­lein­la­dun­gen dazu hin.

      »Ver­bren­ne das«, schrie der Kauf­mann. »Nur der Teu­fel hat mir die Idee, die­sen Ball zu ge­ben, in den Kopf set­zen kön­nen. Wenn ich nicht durch­hal­ten kann, wird es aus­se­hen, als ob ich ein Be­trü­ger wäre. Also weg da­mit, kein Wort wei­ter.«

      Cäsars Brief an Franz Bi­rot­teau.

      »Lie­ber Bru­der!

      Ich be­fin­de mich in ei­ner so schwe­ren Han­dels­kri­sis, daß ich Dich bit­ten muß, mir al­les Geld, über das Du ver­fü­gen kannst, zu schi­cken, und wenn Du wel­ches bor­gen müß­test.

      Ganz der Dei­ni­ge

       Cäsar.

      Dei­ne Nich­te Cäsa­ri­ne, die beim Schrei­ben die­ses Brie­fes zu­ge­gen ist, wäh­rend mei­ne arme Frau schläft, läßt sich Dir aufs herz­lichs­te emp­feh­len.«

      Die­ses Post­skrip­tum wur­de auf Cäsa­ri­nes Wunsch hin­zu­ge­fügt, die dann den Brief zu Ra­guet brach­te.

      »Lie­ber Va­ter,« sag­te sie, als sie wie­der her­auf­ge­kom­men war, »da ist Herr Le­bas, der dich zu spre­chen wünscht.«

      »Herr Le­bas,« rief Cäsar er­schreckt aus, als wenn sein Un­glück ihn schon zum Ver­bre­cher ge­stem­pelt hät­te, »ein Rich­ter!«

      »Mein lie­ber Herr Bi­rot­teau,« sag­te der di­cke Tuch­händ­ler, der ein­ge­tre­ten war, »ich neh­me zu­viel An­teil an Ih­nen, wir ken­nen uns schon zu lan­ge, wir sind ja das ers­te­mal zu­sam­men zu Rich­tern er­nannt wor­den, als daß ich Ih­nen ver­schwei­gen dürf­te, daß ein ge­wis­ser Bi­dault, ge­nannt Gi­gon­net, ein Wu­che­rer, auf sei­ne Or­der aus­ge­stell­te Wech­sel von Ih­nen von der Fir­ma Cla­paron, ›oh­ne Ga­ran­tie‹, in Hän­den hat. Die­se bei­den Wor­te sind nicht nur eine Be­lei­di­gung für Sie, son­dern auch noch dazu der Ruin Ihres Kre­dits.«

      »Herr Cla­paron wünscht Sie zu spre­chen,« sag­te Cöles­tin, der sich an der Tür zeig­te, »soll ich ihn her­auf­kom­men las­sen?«

      »Da wer­den wir ja den Grund für die­se Be­schimp­fung er­fah­ren kön­nen«, sag­te Le­bas.

      »Herr Cla­paron,« sag­te der Par­füm­händ­ler, als die­ser ein­ge­tre­ten war, »dies ist Herr Le­bas, Han­dels­rich­ter und ei­ner mei­ner Freun­de …«

      »Ah, der Herr ist Herr Le­bas, ich bin ent­zückt dar­über, Herr Le­bas vom Han­dels­ge­richt; es gibt so­viel Le­bas, nicht ge­rech­net die …«

      »Ihm sind die Wech­sel zu Ge­sicht ge­kom­men,« un­ter­brach Bi­rot­teau den Schwät­zer, »die ich Ih­nen ge­ge­ben habe, und die, wie Sie er­klär­ten, nicht zir­ku­lie­ren soll­ten. Und sie tra­gen den Ver­merk ›oh­ne Ga­ran­tie‹.«

      »Nein,« sag­te Cla­paron, »in Um­lauf wer­den sie tat­säch­lich nicht ge­setzt wer­den, sie sind in den Hän­den ei­nes Man­nes, mit dem ich vie­le Ge­schäf­te ma­che, des al­ten Bi­dault. Aber den Ver­merk ›oh­ne Ga­ran­tie‹ habe ich aus fol­gen­dem Grun­de ge­macht: Wenn die Wech­sel hät­ten zir­ku­lie­ren sol­len, wür­den Sie sie di­rekt an sei­ne Or­der aus­ge­stellt ha­ben. Der Herr Rich­ter wird mei­ne Lage ver­ste­hen. Was ist die Un­ter­la­ge für die­se Wech­sel? Der Preis für ein Ter­rain. Von wem be­zahlt? Von Bi­rot­teau. Wes­halb soll ich für Bi­rot­teau mit mei­ner Un­ter­schrift Ga­ran­tie leis­ten? Wir müs­sen, je­der sei­ner­seits, un­sern An­teil an die­sem Kauf­prei­se be­zah­len. Ist es nun nicht ge­nü­gend, daß wir ge­gen­über den Ver­käu­fern so­li­da­risch haf­ten? Mein un­ab­än­der­li­cher Ge­schäfts­grund­satz ist: ich über­neh­me eben­so­we­nig eine über­flüs­si­ge Bürg­schaft, wie ich eine Quit­tung aus­stel­le über einen Be­trag, den ich erst be­kom­men soll. Ich bin auf al­les vor­be­rei­tet. Wer sei­ne Un­ter­schrift gibt, muß zah­len. Ich will mich dem nicht aus­set­zen, daß ich drei­mal be­zah­len muß.«

      »Drei­mal?« sag­te Cäsar.

      »Ge­wiß, Herr Bi­rot­teau«, er­wi­der­te Cla­paron. »Un­sern Ver­käu­fern ge­gen­über habe ich schon für Sie ga­ran­tiert, wes­halb soll ich das auch noch für den Ban­kier tun? Die Um­stän­de, in de­nen wir uns be­fin­den, sind schlimm. Ro­guin hat mir hun­dert­tau­send Fran­ken un­ter­schla­gen. Also kos­tet mich mei­ne Hälf­te der Ter­rains fünf- an­statt vier­hun­dert­tau­send Fran­ken. Ro­guin hat Bi­rot­teau zwei­hun­dert­vier­zig­tau­send Fran­ken un­ter­schla­gen. Was wür­den Sie an mei­ner Stel­le tun, Herr Le­bas? Ver­set­zen Sie sich ein­mal in mei­ne Lage. Ich habe nicht die Ehre, von Ih­nen ge­kannt zu sein, je­den­falls nicht nä­her, als ich Herrn Bi­rot­teau ken­ne. Hö­ren Sie mir ge­nau zu. Wir ma­chen zu­sam­men ein Ge­schäft zu glei­chen Tei­len. Sie be­zah­len Ihren An­teil in bar, ich den mei­ni­gen in Wech­seln; ich bie­te sie Ih­nen an und Sie er­bie­ten sich mit au­ßer­ge­wöhn­li­cher Ge­fäl­lig­keit, sie in Geld um­zu­set­zen. Sie er­fah­ren, daß Cla­paron, der rei­che, an­ge­se­he­ne Ban­kier – ich neh­me alle Ehren­ti­tel der Welt auf mich – daß der tu­gend­rei­che Cla­paron in Kon­kurs ge­ra­ten ist, mit ei­ner Un­ter­bi­lanz von sechs Mil­lio­nen; wür­den Sie in ei­nem sol­chen Mo­ment mit Ih­rer Un­ter­schrift die mei­ni­ge ga­ran­tie­ren? Sie wür­den ver­rückt sein! Nun, Herr Le­bas, Bi­rot­teau be­fin­det sich in der Lage, die ich für Cla­paron an­ge­nom­men habe. Se­hen Sie nicht ein, daß ich dann de­nen, die die Wech­sel ge­nom­men ha­ben, sie als so­li­da­risch Haf­ten­der be­zah­len muß und daß ich auch noch ver­pflich­tet wäre, den An­teil Bi­rot­te­aus zu be­glei­chen bis zum Be­tra­ge sei­ner Wech­sel, wenn ich für sie ga­ran­tiert hät­te, und zwar ohne daß ich …«

      »Wem denn?« un­ter­brach ihn der Par­füm­händ­ler.

      »Ohne daß ich An­spruch auf sei­ne Hälf­te der Ter­rains hät­te,« sag­te Cla­paron, ohne auf die Un­ter­bre­chung zu ach­ten, »denn ich hät­te ja gar kein Vor­recht; das müß­te ich mir ja erst kau­fen! Ich hät­te also drei­mal zu be­zah­len.«

      »Wem denn?« frag­te Bi­rot­teau im­mer wie­der.

      »Nun, dem drit­ten, der den Wech­sel prä­sen­tiert, wenn ich ihn in­dos­siert hät­te und Ih­nen ein Un­glück zu­stie­ße.«

      »Ich wer­de mich mei­nen Ver­pflich­tun­gen nicht ent­zie­hen, Herr Cla­paron«, sag­te Bi­rot­teau.

      »Schön«, er­wi­der­te Cla­paron. »Aber Sie wa­ren Rich­ter, Sie sind ein er­fah­re­ner Kauf­mann, Sie wis­sen, daß man auf al­les ge­faßt sein muß, wun­dern Sie sich nicht, wenn ich tue, was ich darf.«

      »Herr Cla­paron


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