Das goldene Vließ. Franz Grillparzer

Das goldene Vließ - Franz Grillparzer


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kommt!—Hier ist sie! Medea (in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier der an einem, gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf dem Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.)

      Medea.

       Was willst du, Herr?

      Absyrtus.

       Ist das die Schwester, Vater?

       Wie anders doch als sonst, und ach, wie bleich!

      Aietes (zu Absyrtus).

       Schweig jetzt!

      (Zu Medeen.)

      Tritt näher!—näher!—

       Doch erst Lösch' deine Fackel, sie blendet mir das Aug!

      Medea

      (die Fackel am Boden ausdrückend). Das Licht ist verlöscht, es ist Nacht, o Herr!

      Aietes.

       Jetzt komm!—Doch erst sag' an wer dir erlaubt,

       Zu fliehn, des väterlichen Hauses Hut

       Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis

       Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd,

       Zu trotzen meinem Worte, meinem Wink?

      Medea.

       Du fragst?

      Aietes.

       Ich frage!

      Medea.

       Reden soll ich?

      Aietes.

       Sprich!

      Medea.

       So höre wenn du kannst und zürne wenn du darfst.

       O könnt' ich schweigen, ewig schweigen!

       Verhaßt ist mir dein Haus

       Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe.

       Als du den Fremden erschlugst,

       Den Götterbeschützten, den Gastfreund

       Und raubtest sein Gut,

       Da trugst du einen Funken in dein Haus,

       Der glimmt und glimmt und nicht verlöschen wird,

       Gössest du auch darüber aus

       Was an Wasser die heil'ge Quelle hat,

       Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl

       Und das ohne Grenzen gewaltige Meer.

       Ein törichter Schütze ist der Mord,

       Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht,

       Gewinnsüchtig, beutegierig,

       Und was er für ein Wild gehalten,

       Für frohen Jagdgewinn,

       Es war sein Kind, sein eigen Blut,

       Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.

       Unglücksel'ger was hast du getan?

       Feuer geht aus von dir

       Und ergreift die Stützen deines Hauses

       Das krachend einbricht

       Und uns begräbt.—

      Aietes.

       Unglücksbotin was weißt du?

      Medea.

       In der Schreckensstunde

       Als sie geschehn war die Tat,

       Da ward mein Aug geöffnet

       Und ich sah sie, sah die Unnennbaren

       Geister der Rache.

       Spinnenähnlich,

       Gräßlich, scheußlich,

       Krochen sie her in abscheulicher Unform

       Und zogen Fäden, blinkende Fäden,

       Einfach, doppelt, tausendfach,

       Rings um ihr verfallen Gebiet.

       Du wähnst dich frei und du bist gefangen,

       Kein Mensch, kein Gott löset die Bande

       Mit denen die Untat sich selber umstrickt.

       Weh dir, weh uns allen!

      Aietes.

       Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit?

       Deines Gleichen magst du erschrecken,

       Törin! Nicht mich!

       Hast du die Zeichen, die Sterne gefragt?

      Medea.

       Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es?

       Hundertmal hab' ich aufgeblickt

       Zu den glänzenden Zeichen

       Am Firmament der Nacht.

       Und alle hundertmale

       Sanken meine Blicke

       Von Schreck getroffen, unbelehrt.

       Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch

       Und (Mord) darauf geschrieben, tausendfach,

       Und (Rache) mit demantnen Lettern

       Auf seinen schwarzen Grund.

       O frage nicht die Sterne dort am Himmel,

       Die Zeichen nicht der schweigenden Natur,

       Des Gottes Stimme nicht im Tempel:

       Betracht' im Bach die irren Wandelsterne,

       Die scheu dir blinken aus den düstern Brau'n

       Die Zeichen die die Tat dir selber aufgedrückt,

       Des Gottes Stimme in dem eignen Busen,

       Sie werden dir Orakel geben,

       Viel sicherer als meine arme Kunst,

       Aus dem was ist und war, auf das was werden wird.

      Absyrtus.

       Der Vater schweigt. Du bist so seltsam Schwester

       Sonst warst du rasch und heiter, frohen Muts;

       Mich dünkt du bist dreifach gealtert

       In der Zeit als ich dich nicht gesehn!

      Medea.

       Es hat der Gram sein Alter, wie die Jahre

       Und wer der Zeit (vorauseilt), guter Bruder,

       Kommt früh ans Ziel.

      Absyrtus.

       Du weißt wohl also schon

       Von jenen Fremden die—

      Medea.

       Von Fremden—?

      Aietes.

       Halt!

       Ich gebot dir zu schweigen! Schweig denn, Schwätzer!

       Medea, laß uns klug sprechen und besonnen,

       Das Gegenwärt'ge aus der Gegenwart

       Und nicht aus dem betrachten was Vergangen.

       Wiss' es denn. Fremde sind angekommen, Hellenen,

       Sie begehren zu rächen Phryxus' Blut,

       Verlangen die Schätze des Erschlagnen

       Und des Gottes Banner, das goldene Vließ.

      Medea

      (aufschreiend). Es ist geschehn! Der Streich gefallen! Weh!

      (Will in den Turm zurück.)

      Aietes (sie zurückhaltend).

       Medea, Halt!—Bleib, Unsinnige!

      Medea.

       Gekommen die Rächer, die Vergelter!

      Aietes.

      


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