G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
Mann war mittelgroß, stämmig und riß sein Pferd auf die Hacken. An seiner Weste steckte ein Marshalstern.
»Ford?« fragte er scharf. »Deputy, ich komme aus Paradise Hill. Stimmt das, was der Saloon-Keeper mir erzählte? Stammen die beiden Spuren von den Ansons?«
»Marshal Harris!« stieß Ford heraus. Er hatte Harris einmal in Winnemucca gesehen. Harris war Staatenmarshal, zuständig für Nevada. »Yeah, es sind die Ansonsbrüder, und sie sind hinter dem Mann her, den mein Onkel für Flint gehalten hat. Ich war nicht da, als er mit dem Steckbrief in den Saloon…«
»Es war Flint!« fauchte Harris grimmig. »Dann sind Sie Sam Ford, was? Sie sind der verdammteste Narr unter der Sonne, Mann! Ich brauche Flint lebend. Der Halunke hat einen Bruder in Oregon, einen Halbruder, von dem wir nicht wissen, wie er mit Nachnamen heißt. Wir kennen nur seinen Vornamen. Ford, Flint hat Münzsilber im Wert von über dreißigtausend Dollar verschwinden lassen, und nur er weiß, wo das Zeug versteckt ist. Wenn diese verfluchten Kopfgeldjäger den Mann umbringen, dann sieht kein Mensch jemals das Silber wieder. Ich brauche ihn lebend – und Sie Narr hetzen die Ansons auf ihn, die jeden Gesuchten abknallen! Deputy, es gibt nur eine Hoffnung: Flint ist gerissen genug, die beiden Halunken auszutricksen. Er reitet niemals am Tag. Wohin führt seine Spur?«
Jim Ford war bleich geworden.
»Auf den Berg, vermute ich«, stammelte er. »Marshal, wenn er dort oben gewesen ist, dann müßte er jetzt losgeritten sein. Es gibt nur einen Weg nach Norden, den man hier reiten kann, wenn man vom Berg kommt – der Weg führt durch den Einschnitt des Südarmes des Quinn Rivers. Mein Gott, die Ansons haben das erkannt. Sie sind dort abgebogen und sicher im Bogen an die Schlucht geritten, durch die der Bach fließt. Marshal, wir brauchen zwei Stunden, um dort hinzukommen.«
»Gerechter!« ächzte Harris. »Zwei Stunden? Ich kenne die Ansons, dieses Gesindel. Sie schießen erst und fragen dann. Deputy, schnell, wir müssen versuchen, sie zu erreichen. Ich bin seit Monaten hinter Flint her, ich hatte ihn einmal bis nach Arizona gejagt, aber er entwischte. Der Hundesohn ist eiskalt, listig wie ein Fuchs und verwegen wie der Teufel. Aber die Ansons könnten ihn erwischen, die bringen ihn mir um, ehe der verdammte Kerl mir verraten hat, wo er das Silber versteckt hat. Wo müssen wir reiten, Ford?«
»Halbrechts!« antwortete Ford. »Sam, bleib zurück, du kannst uns nicht helfen. Ausgerechnet die Ansons, diese beiden Berufskiller. Los, Marshal!«
Ford jagte sein Pferd an. Er dachte an die dreitausend Dollar Belohnung, die auf Flints Kopf ausgesetzt waren. Die Ansons würden keinen Skrupel kennen. Für dreitausend Dollar brachten die zehn Männer um.
»Hölle und Pest!« fluchte Ford im Losjagen. »Bill Anson ist der verdammteste Strolch, den ich kenne, Marshal, der schießt Flint von hinten ab wie andere Leute einen räudigen Hund. Daß sie auch ausgerechnet im Saloon sein mußten! Sie hausen in der Nähe von Paradise Hill in einer schmutzigen Hütte, sind aber kaum drei Monate im Jahr zu Hause. Ausgerechnet jetzt!«
Harris preßte die Zähne zusammen, dann knurrte er: »Sie könnten sich verrechnen, Mister. Flint ist kein gewöhnlicher Bandit. Man sagt von mir, ich wäre ein menschlicher Bluthund, wie?«
Ford sah weg – er hatte das längst gehört. Harris gab nie etwas auf. Suchte er jemand, dann fand er ihn auch.
»Nun ja…«, machte er lahm. »Ich habe nie gedacht, daß Flint in Paradise Hill auftauchen würde.«
»Das ist sein verdammter Trick«, knirschte Harris. »Er versorgt sich immer für gut eine Woche oder länger mit Verpflegung – und immer nur in kleinen Nestern. Meist erzählt er irgendwelche Geschichten über Partner, die er versorgen müßte. Genauso ist es in Paradise Hill gewesen. Die Frau Ihres Onkels erzählte mir genug. Sie hat ihn bedient, wie? Dieser Hundesohn Flint schläft am Tag und reitet nachts, darum sieht man ihn niemals in derselben Gegend wieder. Versorgt mit Verpflegung legt er manchmal zweihundert, dreihundert Meilen in sieben Tagen zurück.«
*
Steve Anson zog jäh das Gewehr ein. Seine Hand berührte das kühle Schloß der Waffe. Der Hufschlag kam und wurde trommelnd lauter im Schlauch des Bachbettes.
Hölle, dachte Steve und schielte nach links, Billy hat wieder mal recht behalten, da kommt er ja, er kommt, der Kerl! Das ist der einzige Weg nach Norden vom Connell Peak. Na, Mister, dann komm her, dir werde ich eins aufbraten!
Billy hatte es gesagt, sein älterer Bruder, der bullige Billy mit den Wulstlippen und den schnellen Händen. Billy lag jetzt hinter der Biegung, die das Steiltal machte. Vor der Biegung lauerte Steve Anson, das Gegenteil von Billy. Er war hager, klapperdürr, hatte einen ausgemergelten Kopf und klauenartige Finger. Mit denen hatte er Toten die Taschen durchwühlt, wenn sie sie erledigt hatten. Da war oft genug an seinen Finger etwas klebengeblieben.
Jetzt würde noch mehr klebenbleiben, viel mehr. So viel, wie sie noch nie im Leben auf einen Haufen gesehen hatten, dreißigtausend Dollar in Silber!
Steve grinste hämisch und lag ganz still. Der Hufschlag dröhnte jetzt nachhallend durch das enge Tal.
No, dachte Steve beinahe fröhlich, no, Mister Flint! Zuerst schießen wir dich nur an. Danach machen wir dir das Maul auf. Bei uns singt jeder, weißt du? Kein Vogel könnte schöner singen, verlaß dich darauf. Sag uns mal erst, Mister, wo du dein Silber versteckt hast. Danach knallt es – und danach liefern wir dich steif und kalt ab. Sie werden dreitausend Böcke für dich bezahlen, wenn wir dich gebracht haben. Die kassieren wir auch noch. – Ah, jetzt bist du da!
Er streckte jäh den dürren, mageren Hals vor und stierte in das Tal hinab.
In dieser Sekunde sah er das Pferd, aber es lief nicht mitten im Tal, es jagte scharf an der rechten Steilwand entlang, war schon vorbei und preschte auf die Biegung zu.
Steve Anson riß das Gewehr hoch und zielte auf Flints linke Schulter.
Verfluchte Schwärze, dachte er, verdammte Pest, unter der Wand ist es zu dunkel. Nicht in das Kreuz knallen, nur ankratzen, nicht umbringen…
Er drückte ab, als der Gaul nur wenige Meter vor der scharfen Biegung war.
Brüllend stand das Echo im Schlauch des Tales. Dann ein Schrei, die Gestalt schwankte und kippte ab. Das Pferd jagte weiter, der Kerl fiel… oder nicht? Schon war das Pferd um die Biegung. Jetzt mußte Billy es sehen.
»Schieß doch, Billy!« keuchte
Steve, diese verknöcherte Bohnenstange. »Schieß, Bruder, knall ihm den Gaul…«
Billy feuerte – der Gaul wieherte schrill. Dann kam der Aufprall, ein Poltern, Dröhnen – Steine kollerten.
Steve lag still, stierte auf die Biegung, hinter der Billys Kugel das Pferd erwischt und getötet hatte. Dort regte sich nichts, keiner kroch über den Boden, keiner rannte zurück. Nur satte Schwärze war dort unten.
»Steve… Steve…« Billy schrie los.
»Yeah«, brüllte Steve zurück. »Wo ist er?«
»Kann ihn nicht sehen, muß aber unter dem Gaul liegen. Zuviel Staub hochgewirbelt, als der Gaul umkippte. Schmeiß das Zeug runter, Steve, schnell!«
Das Zeug, dachte Steve Anson, richtig, runter damit!
Sie hatten sich vorbereitet und diese Stelle gewählt, weil sie so günstig war. Die Ansons machten das nicht zum erstenmal. Sie suchten sich vorher trockene Büsche. Dann steckten sie sie an und hatten Licht. Wer immer sich verkrochen hatte – er lag plötzlich im Licht und bekam, wenn er nicht aufgab, noch eine heiße Kugel für die Reise auf den langen
Trail.
Steve zog an seinem Lasso, das er um die Büsche gebunden hatte. Er zerrte die Büsche heran, warf einen im Bogen nach unten, den nächsten nach. Den dritten Busch steckte er an und schleuderte ihn auf die anderen.
Sie lagen kurz vor der Biegung und brannten in weniger als einer halben Minute lichterloh. Die verdammte, satte Schwärze, die Steve so gestört hatte, verschwand. Flammenschein loderte durch das enge Tal.
Drüben