G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
antworte, wen hat Ben getroffen?«
»Dave, halte das Maul!« schnappte Ben gereizt. »Das geht nur mich etwas an.«
Der schon ältere Mann senkte den Kopf. Der Alte trat vom Vorbau herunter und knirschte: »Dave!«
»Die – die Toddenhams waren in der Stadt, Boß.«
Es war, als würde der Alte ein Stück kleiner. Er blieb stehen, sah weg und hüstelte. »Und was ist passiert, Dave?«
»Nun, sie saßen alle drei auf dem Wagen – nur John nicht, Boß. Als sie uns sahen…«
»Das brauchst du nicht zu erzählen«, fauchte Ben grimmig. »Ich kann es selber tun, verstehst du? Ich habe sie gegrüßt, wie sich das zwischen Nachbarn gehört. Toddenham hat nur genickt, und seine Frau geradeaus gesehen, als hätte sie mich nicht bemerkt. Suzan Toddenham versuchte ein Lächeln. Dann redete sie auf ihren Vater ein, aber er fuhr nur noch schneller weiter und nahm sogar die Peitsche. Danach sah sich Suzan nach mir um, ich glaube, sie wäre beinahe vom Wagen gesprungen. In ihren Augen war nichts als dieses verdammte Mitleid – nichts als dieses verdammte Mitleid!«
Es klang so bitter, daß Flint wußte, was in diesem großen Mann vorging.
»Ben, es war kein Mitleid«, murmelte Dave leise. »Du hast das falsch gesehen, Ben. Ich sage dir…«
»Hör auf damit!« fauchte Ben scharf. »Ich weiß immer noch, was ich sehe, wenn ich auch auf einem Auge fast blind bin. Jeder Mensch sieht mich an, als müßte er mich bedauern. Wann endlich werdet ihr begreifen, daß ich nicht bedauert werden will?« Er ging ins Haus, und seine Stiefel schlurften über die dicken Holzbohlen.
Einen Augenblick dachte Flint mit der ihm eigenen Gerechtigkeit daran, daß es hart für einen Mann sein mußte, wenn er einen Sohn verloren und in dem anderen einen Krüppel hatte. Wahrscheinlich war diesem Mann nicht viel erspart geblieben. Aber es würde noch viel schlimmer kommen. In dieser Nacht verlor der Alte sein bestes Pferd.
*
Sheriff O’Connor blieb sitzen, als Marshal Brad Harris in sein Office trat. Harris sah jetzt besser aus als am frühen Morgen. Gegen acht Uhr war Harris nach Burns gekommen, ein stoppelbärtiger, blinzelnder Mann, der kaum die Augen aufhalten konnte und mehr in O’Connors Office getorkelt denn gegangen war.
Jetzt war später Nachmittag. Harris hatte sich drüben im Oregon Hotel ein Zimmer genommen. Er war nun rasiert, wirkte frisch und setzte sich seufzend.
»Schon etwas getan?« erkundigte er sich. »O’Connor, ich wette meinen Kopf, daß der verdammte Bursche Flint irgendwo in dieser Ecke seinen Halbbruder sitzen hat. Wenn ich nur den Namen des Mannes wüßte. Es muß ein Mann aus Texas sein, denn dorther stammt Flint.«
»Nur ruhig, Marshal«, meinte
O’Connor gelassen. »Warum fragen Sie nicht in Texas an? Es müßte sich doch feststellen lassen, wer dieser Halbbruder ist, wie sein Vater hieß oder?«
Harris schüttelte bitter den Kopf.
»No, O’Connor«, knurrte er dann.
»Flints Vater zog nach San Angelo, er brachte seine zweite Frau dorthin mit. Alles, was wir erfahren konnten, war, daß die Frau Johnson mit Mädchennamen hieß. Niemand in San Angelo kannte ihren ersten Mann oder wußte, wie er hieß. Angeblich soll sie von Beaumont gekommen sein. Wir fragten in Beaumont an, aber dort waren im Krieg bei den Kämpfen alle Papiere mit der Kirche verbrannt. Wir konnten nur in Erfahrung bringen, daß der erste Mann von Flints Mutter Matrose gewesen sein soll, der oft monatelang von zu Hause fort war. Er brachte seine Frau nach Beaumont, als sie das erste Kind erwartete. Das war Anfang des Krieges. Kaum jemand kannte die Frau. Sie lebte allein in einer Hütte abseits der Stadt. Leute, die sie gekannt haben mögen, gingen nach dem Krieg fort, und schließlich verschwand auch sie. Nur eines ist sicher, wir fanden in Flints Sachen eine alte Fotografie. Auf diesem Bild ist Flint etwa neun Jahre alt, sein Bruder etwa zwölf. Er heißt James… Der Name steht auf der Rückseite des Bildes. Ich fragte Flint einmal, und er sagte, er hätte die Namen selber hingeschrieben. Vater, Mutter, ich – und Jim! Vier Personen, aber keinen Nachnamen dabei. Flint wollte nicht mal zugeben, daß James oder Jim sein Halbbruder war.«
»Ist das so ein hartnäckiger Hundesohn?« brummte O’Connor mürrisch. »Dem würde ich schon das Reden beibringen!«
»Dazu müßten wir ihn erstmal haben«, knurrte Harris bissig. »Ich halte jede Wette, daß der Kerl mich wieder mal ausgetrickst hat. Wie ich ihn kenne, hat er sofort die Richtung geändert. Flint macht das immer so – er geht immer dorthin, wo man ihn nicht vermutet. Ist man ihm auf den Fersen, verwischt er in der ersten Nacht seine Fährte. In der zweiten Nacht reitet er genauso ohne große Spuren weiter, aber in irgendeine Richtung, nur nicht in die, die er ursprünglich nehmen wollte. Danach verkriecht er sich, weil er immer genug Verpflegung bei sich hat.«
»Der Bursche scheint schlau zu sein, was?«
»Schlau?« keuchte Harris. »Gerechter Gott, O’Connor! Das ist der verteufeltste Hundesohn, den ich jemals gejagt habe. Ich bilde mir ein, daß ich beinahe schon wie er denken kann. Danach müßte er erst in ein paar Tagen hier in der Gegend sein. Vielleicht umreitet er sie auch. Er wird sich jetzt, fürchte ich, Zeit lassen. Vielleicht so lange, bis ich ihn sonstwo vermute. Er wird ganz genau wissen, daß ich hinter ihm her bin – und er ist entsprechend vorsichtig.«
O’Connor schüttelte den Kopf, nahm den Steckbrief hoch und las ihn zum zehntenmal an diesem Tag.
»Marshal, soll er wirklich in diese Gegend wollen?«
»Hierher oder nach Prineville, Redmond oder Bend – irgendwo in diese Ecke will er, ich bin sicher, Sheriff. Kennen Sie einen Mann, der so schleppend und etwas singend redet, wie es nur Texaner tun? Bei Flint hört man das kaum, aber sein Halbbruder ist älter, vielleicht hat er diese Sprechweise nicht so abgelegt wie Flint. Sheriff, wenn wir einen Mann finden könnten, der James, also Jim heißt, der dazu noch wie ein Texaner redet, der länger in Texas war als Flint und erst vor etwa zehn Jahren hergekommen ist – das müßte unser Mann sein. Wir brauchten ihn nur zu beobachten.«
O’Connor zuckte die Achseln. Er war in jeden Store gegangen, zum Mietstall, auch in die Saloons und Hotels, aber erfahren hatte er noch nichts.
»Immer langsam«, murmelte
O’Connor träge. »Jack Andrews’
Stagecoachfahrer sind erst am Abend hier, jedenfalls die meisten. Wenn jemand so einem Mann begegnet ist, dann sind es Andrews’ Fahrer. Vielleicht aber auch dessen Holzfäller und Schnittholzfahrer. Andrews gehört das größte Sägewerk auf zweinhundert Meilen in die Runde. Sein Vormann kommt auch erst am Abend aus dem Einschlaggebiet zurück. Ganz ruhig, Marshal, irgendwer wird diesen Jim mit der texanischen Mundart schon kennen.«
»Hoffentlich!« seufzte Harris. »Als ich Flint fragte, wo dieser Jim wäre, wich er wieder aus und brummte nur etwas von Norden. Ich bin sicher, er meinte damit Oregon. Der verdammte Trickser, erwische ich ihn, werde ich ihn keine Stunde mehr aus den Augen lassen. Den transportiere ich nur noch angekettet. Ein zweites Mal entwischt er nicht! He, was ist das für ein Lärm, O’Connor?«
Durch das Office tönte heftiges Gehämmer. Es hörte sich an, als knallten Eisenstücke aneinander.
Sheriff O’Connor erhob sich mit einem Fluch.
»Das sind meine beiden häßlichen Vögel«, brummte er grimmig. »Vor vierzehn Tagen besuchten sechs Halunken das Office von Andrews’ Sägewerk, als Andrews, dessen Buchhalter und zwei Schreiber gerade die Lohngelder abrechneten. Die Strolche stießen ihre Schrotflinten und Revolver durch die Fensterscheiben und drohten Andrews, ihn zu erschießen. Sie kamen nicht an ihn heran, denn alle Fenster des Lohnoffices sind von innen vergittert. Dennoch blieb Andrews nichts anderes übrig, als selber die Tür zu öffnen. Sie kamen herein, banden alle und nahmen das Geld mit. Danach verschwanden alle maskiert – die sechs, die Andrews zu Gesicht bekam.«
Er lachte kurz.
»Well«, fuhr er dann fort. »Dennoch hatten