G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
– ich…«
Fattermans dicke Hand kroch herab, nestelte an dem Kettenbügel, zog den Schnäpper zurück. Dann nahm er die Hand langsam hoch und streckte sie aus. Die Uhr hing an der dicken Kette und pendelte.
»Du schenkst sie mir, Fatterman? Laut sagen, was du willst! Willst du sie mir schenken oder…«
»Ich – ich schenke sie dir, Mister!«
Der Mann lachte leise, gefährlich, kalt, drohend… und auch irgendwie spottend.
»Sieh mal an, Mister, du schenkst sie mir also. Oder sagst du das nur, weil du jetzt Angst hast, na?«
»No, no, ich schenke sie dir wirklich!«
»Danke, mein Freund, vielen Dank! Und nun…«
Flint nahm die Uhr an und hielt sie in der Linken. Die Rechte lag am Kolbenhals des Gewehres, der Mittelfinger am Abzug.
»Und nun, Fatterman – gib mir das Ding, mit dem du mir zwei Löcher in das Fell machen wolltest. Du verdammter Narr, den Derringer heraus, eins zwei – dr…«
»Hier!« kreischte Fatterman, als hätte sich plötzlich der Teufel vor ihm aufgepflanzt. »Hier, ich tue nichts, ich versuche nichts, Mister. Nicht schießen, nicht schießen…«
Er zerrte den Derringer heraus, warf ihn fort, als hätte er ihn aus einer glühenden Schmiede-Esse fischen müssen. Der Schweiß lief ihm in dichten Perlen über das Gesicht, seine Knie schlotterten.
Dann kam der Stoß, ließ ihn rückwärts torkeln. Er taumelte bis neben den alten Tabe und blieb keuchend liegen.
»So ist das«, sagte Flint kühl. »Fatterman, versprich nie etwas, was du nicht halten kannst. Nicht soviel reden, mein Freund – es könnte dir sonst jemand begegnen, der sich über deine Großmäuligkeit zu mächtig ärgert. Danke für die Uhr, mein Freund, sie wird sich hier ganz gut machen.«
Er hielt das Gewehr in der Rechten. Die Linke schlug den Kittel zurück. In diesem Augenblick sahen sie alle die Cordjacke und unter ihr die bestickte Weste aus schwerer Samtseide mit den Silberknöpfen.
Es war zu schnell gekommen, sie hatten es alle nicht begriffen, als er von den zwei Löchern in seinem Fell sprach. Jetzt erst, als sie die Weste sahen…
»Flint!« röchelte Ben Claydon. »Flint, du – du Pferdedieb! Du verdammter…«
»Claydon, stehenbleiben, sonst drücke ich ab!« fauchte Flint scharf, als Claydon die Röte der Wut in das Gesicht schoß und seine Fäuste jäh herabsanken. »Ganz ruhig, Claydon, nur nicht die Nerven verlieren. Ich habe mir Ihr Pferd nur geborgt, Mister. Sie bekommen es wieder. Grade der richtige Gaul für mich, schätze ich.«
»Der richtige… Mein Hengst für dich Banditen, für dich Wegelagerer?« gurgelte Claydon. »Du – du Dieb, du gemeiner Pferdedieb. Wo ist mein Hengst?«
»Irgendwo«, sagte Flint träge. Er machte bedächtig die Uhr fest, dann seufzte er. »Verdammte Hitze, was? Well, Freunde, da ihr nun doch schon wißt, wer ich bin…«
Claydon sperrte den Mund vor Staunen auf, als sich Flint das Halstuch herabzerrte, und tief Luft holte.
»Alle Teufel!« ächzte Flint erleichtert. »So leicht ist das gar nicht, Bandit zu sein, Claydon, glaube mir. Man erstickt fast unter einem Halstuch. Ruhig, Mister, ganz friedlich. Ich will nicht schießen müssen.«
Claydon stierte den plötzlich lächelnden Flint völlig verstört an. Er hatte erwartet, ein brutales, gemeines Gesicht zu sehen. Statt dessen glich dieser Halunke plötzlich jemand, der friedlich über den Gehsteig spazierte, einen anständigen Anzug trug und höflich vor den Ladies den Hut abnahm.
Anne Claydon blickte auf Flints braungebranntes Gesicht, die gerade Nase, die kräftigen Brauen und den festen Mund. Flints Kinn war leicht eckig, und als er lächelte, tauchte in ihm eine kleine Falte auf.
»Well«, sagte Flint im Tonfall eines Mannes, der jemand etwas erklären will. »Ladies – Gentlemen, wir werden jetzt eine kleine Sammlung vornehmen. Sie müssen verstehen, ich bin nicht gerade reich, auch wenn mir dieser freundliche Mr. Fatterman eine goldene Uhr geschenkt hat. Gentlemen, ich schlage vor, daß Sie Ihre Taschen ausräumen, die Hüte vorher abnehmen und alles, was Sie in den Taschen haben, in die Hüte legen. Ich hoffe, jeder Mann ist mit meinem Vorschlag einverstanden. Wenn nicht – ich wende nicht gern Gewalt an. Geben ist seliger denn nehmen, so steht es geschrieben. Bruder Tabe, da du fast so arm bist wie ich, schließ ich dich mit deinem Partner Luke von der Hergabe irdischer Dinge aus. Nur Sie, Mr. Claydon – und Sie ganz sicher, mein lieber Freund Fatterman, die Taschen ordentlich leeren.«
»Mensch!« keuchte Claydon. »Mensch, du Bandit, ich habe keinen Cent für dich!«
»Nicht doch, nicht doch«, lächelte Flint. »Das Geld für die Tiere, die Mr. Shane bekommen hat, Sir? Miss Anne, ich denke nicht, daß Sie Ihren Vater mit Löchern in der Hosentasche umherlaufen lassen – oder?«
»No«, sagte Anne errötend. »Woher… Mr. Flint, woher wissen Sie…«
Flint lächelte unschuldig.
»Nun«, murmelte er. »Vielleicht erinnern Sie sich, Miss Anne? Sie saßen auf einer Bettkante und sprachen mit Miss Caroll über die Reise nach Burns.«
»Großer Gott!« lispelte Caroll Andrews. »Das ist – der Baum! Flint, Sie haben – auf – dem Baum… Sonst hätten Sie uns nicht auf der Bettkante… Flint!«
Das Blut schoß ihr ins Gesicht, bestürzt sah sie zu Boden.
»Sorry«, antwortete Flint kurz. »Ich mußte wissen, in welchen Zimmern geschlafen wurde, Miss Andrews, wie? Ich saß nicht sehr lange auf diesem Baum, Miss Caroll. Und nun, Claydon – die Taschen umdrehen, mein Freund. Ich habe eine weite Reise vor mir, tut mir leid.«
»Hoffentlich in die Hölle!« gurgelte Old Ben halberstickt. »Halunke, ich habe hundertneunzig Dollar bei mir. Sie sollen dich für jeden Dollar einmal hängen.«
Er riß sich den Hut herunter und nahm alles aus seinen Taschen. Auch Fatterman schien sich mit der größten Hast aller Dinge entledigen zu wollen, die er bei sich trug.
»Wenig, mächtig mager«, stellte Flint murrend fest. »Und jetzt zu den Ladies – Miss Caroll, wollen Sie mir Ihre Tasche geben?«
Caroll Andrews hob den Kopf. Sie blickte Flint ins Gesicht. Seine grüngrauen Augen funkelten, und um seinen Mund lag ein kleines, dünnes Lächeln.
»Ich habe nur zwölf Dollar und einige Cent bei mir – und eine Kette.«
»Gold?« fragte Flint langsam. »Sicher Gold – oder?«
»Ja, Gold. Hier ist die Tasche, sehen Sie nach, Flint.«
Er griff nach Carolls Tasche, fand die Kette, an der ein Medaillon hing, und sah das Mädchen an.
»Sind Bilder in dem Medaillon, Miss Caroll?«
»Die meiner Eltern«, antwortete sie. »Aber das wird Sie wenig stören, Flint, fürchte ich.«
»Glauben Sie? Nun gut!«
Flint ließ die Kette zurückfallen, fand dafür aber einen Ring mit einem roten Stein. Er nahm den Colt heraus, steckte sich den Ring an den kleinen Finger der linken Hand und lächelte.
»Wie Ihr Haar«, murmelte er leise. »Er leuchtet wie Ihr Haar, Miss Caroll. Jemand sagte mir einmal, daß eine rothaarige Frau mein Schicksal werden würde. Es war auf einem Jahrmarkt in Socorro. Es war eine Zigeunerin, und wir waren zwei, die ihr die – Hand hinhielten für zwanzig Cents.«
Seine Stimme war so leise geworden und seine Augen ganz dunkel, als er den Blick hob und an Caroll Andrews vorbeisah. Flint, der Bandit, wirkte plötzlich düster.
»Der andere«, murmelte er, »der andere lachte wie ich über diese alte Frau. Er lachte noch, als sie ihm sagte, daß er nur noch vier Jahre leben würde. Er lachte gern und war ein guter Mann, aber er starb, wie sie es gesagt hatte,