G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
hinter die Büsche, kaum dass sie mit Mühe und Not die Feuer wieder erreicht haben.
Aber sie können reden und laufen, obwohl ihnen hundeelend ist und die Sache keine zwei Stunden hinter ihnen liegt.
Wenn sie reden, dann nicht im üblichen Sinne, sie fluchen alle.
Selbst der ruhige und durch nichts zu erschütternde Wes Turner, der nun, mit Trevor von den Büschen kommend zum Wagen zurückwankt, flucht fürchterlich. Ihnen zittern alle die Knie, sie sind nicht fähig, die Herde zu bewachen, obwohl sie es immer wieder versuchen. Die einzige Möglichkeit ist noch, dass sie sich ihren Platz an der Herde auswählen, dicht an den Tieren bleiben und singen und grölen, solang sie die Pause zwischen den Anfällen genießen können. Im Sattel zu sitzen, das ist unmöglich. Sie sind beinahe schlagartig alle so schwach geworden, dass sie kaum stehen und gehen, geschweige denn die Kraft aufbringen können, sich in die Sättel zu ziehen.
»Wes, das bleibt vielleicht nicht die letzte Teufelei. Saguaro hat gemeint, wir hätten eine ganze Woche damit festliegen können – die liegen wir fest, wenn er keine Medizin bringt. Nun, zum Henker, dieser Schuft Slim wird noch mehr anstellen, wenn wir zu schnell nachkommen. Pass du hier ein wenig auf – wenn jetzt einer an die Herde geht, dann …«
Sie sehen sich nur an und wissen es beide. Geht jetzt jemand an die Herde, kommen Viehdiebe oder jagen plötzlich einige Reiter wild schießend vorbei, dann bräche eine Panik unter den Rindern aus, die eine Katastrophe bedeuten würde.
Die Mannschaft ist nicht in der Lage zu kämpfen, oder eine durchgehende Herde aufzuhalten.
»Das wäre«, sagt Wes abgehackt, »das wäre das Ende der Teufelei, was? Schießen kann ich noch, aber reiten …, nicht mehr. Versuch, ob du in den Sattel kommen kannst.«
Trevor torkelt los, kommt schwankend zum Seilcorral und sieht das gesattelte Pferd des Jungen dicht neben dem fest zugedeckten und frierenden Jesse stehen.
»Na, Junge, schöne Geschichte, was? Ich nehme mal deinen Gaul, muss versuchen, in den Sattel zu kommen. Geht es dir ein wenig besser?«
»Ja«, erwidert Jesse Tyler und klappert leise mit den Zähnen. »Boss, es geht schon wieder.«
Trevor zieht das Pferd herum, beugt sich vor und klinkt den Sperrhaken des Corrals aus.
Er nickt dem Jungen zu und reitet an. Niemand, der ihn sieht, erkennt etwas von dem, was an Gedanken durch seinen Kopf geht. Er reitet an den ersten seiner Männer vorbei, er sieht einige der neuen Männer, die er eingestellt hat, gute Reiter, die ihre Pflicht getan haben. Beinahe vergisst Trevor, dass er schwach und ziemlich elend ist.
Er denkt an das Gift und daran, dass er morgen früh ein Experiment machen wird. Eines der Mavericks soll morgen früh eine Ladung Zucker fressen. Ein Stier würde vielleicht eine Ladung Giftzucker verdauen, ein Maverick wird das nie verkraften können, ohne die gleichen Erscheinungen zu zeigen wie ein Mensch.
Es wird niemand dabei sein, der dieses Experiment sehen kann, niemand, der eine Ahnung von dem Versuch hat.
Vielleicht, denkt Trevor Joslyn voller Furcht und halber Wut, vielleicht wird nicht nur das Maverick den Zucker fressen …, vielleicht auch ich, was? Und bleibe ich gesund, dann weiß ich einige Dinge mehr, als für jemanden gesund sein wird.
Er schließt einen Moment die Augen und beißt heftig die Zähne aufeinander.
Was ist, wenn keiner der drei Männer, die in das gestrige Camp gekommen waren, etwas mit dem Gift zu tun haben?
Was ist, wenn jemand nur die Anwesenheit von drei Männern ausgenutzt hat, um selbst unerkannt zu bleiben?
Dann, denkt Trevor Joslyn, dann habe ich einen Mann in meiner Mannschaft, der seine Bezahlung nicht von mir, sondern von Slim Dorlanay bekommen hat.
Dann habe ich …
Er zaudert selbst vor dem Gedanken, er weigert sich einfach zu glauben, dass unter seinen Männern einer sein soll, der kaltblütig die anderen vergiftet – und sich selbst mit.
Oder doch nicht sich selbst?
Kann es nicht sein, dass einer unter ihnen ist, der nur schauspielert, der nur so tut, als hätte auch er von dem Gift genommen? Wenn er dieses Zeug wirklich in den schon ohnehin starken und bitteren Kaffee geschüttet hat, muss er den Kaffee dann unbedingt getrunken haben?
Muss er nicht!
Eine Handbewegung – Kaffee rinnt aus dem Becher in das dürre Gras.
Und ein dreimal verdammter Schuft wälzt sich wie die anderen auf dem Boden, rennt wie die anderen hinter die Büsche, tut so, als hätte er sich erbrochen und spielt alles mit, um unentdeckt zu bleiben!
Der Gedanke ist schrecklich, aber er ist da und lässt Trevor nicht mehr los.
Er macht seine Runde um die Herde, muss zweimal aus dem Sattel und kommt doch immer wieder hinein. Er ist hart genug, um sich zu zwingen, hart genug, um härter zu sein als die anderen.
Er weiß mit plötzlicher Sicherheit, dass einer unter seinen Männern ein schmutziger Vergifter ist. – Doch wer ist es?
Trevor Joslyn ist sicher, einen Verräter in der Mannschaft zu haben.
Und Verräter – Verräter erschießt man.
Dies ist die Aussicht für den nächsten Tag: Er muss den Verräter finden, ehe noch mehr passiert.
Er hat ihn zu finden.
*
Saguaro kauert auf dem Küchenwagen und verabreicht die dritte Ladung Tee an jeden Mann der Mannschaft. Es ist neun Uhr früh. Der Tag ist mit einem rostroten Himmel gekommen, der die Männer weit um die Herde verstreut gesehen hat. Sie haben auf Trevor Joslyns Anweisung hin die Gewehre mitgenommen und einen Ring um die Herde gebildet. Männer, die immer wieder von den Anfällen des Brechdurchfalles heimgesucht werden und doch wenigstens auf ihren Posten sind, bereit, jeden Gegner mit Kugeln zu empfangen.
Einigen geht es um diese Zeit schon besser, der Tee – ein fürchterlich bitteres Zeug, von dem Saguaro behauptet, dass es pulverisierte Galle enthält schmeckt widerlich, aber sie trinken. Die Stimmung aber ist auf den Nullpunkt gesunken. Zwar äußert sich diese gereizte, beinahe bösartige Stimmung nicht bei den alten Partnern Joslyns, aber bei den anderen sechzehn Mann ist sie deutlich spürbar. Die Männer fluchen nur noch, wenn sie jetzt auch reiten können. Aber sie haben kaum geschlafen, kaum gegessen, sie rauchen nur die dreifachen Tabakmengen als sonst. Hunger, Brechdurchfall und wenig Schlaf machen sie zu gereizten Löwen. Sie brüllen sich gegenseitig ohne jeden ersichtlichen Grund an und fluchen dauernd.
Trevor beobachtet sie kühl und wachsam. Er kann reiten. Wes Turner, genauso hart wie er, schafft es auch. Dann hält noch Saguaro die Augen auf. Und selbst dem Koch geht es besser.
Trevor sieht die Männer zum Wagen kommen, den heißen Tee schlürfen und beobachtet sie verstohlen.
Trevor aber zieht sich auf den Wagen, kauert sich neben Bill Lawson an die andere Seite der Sitzbank und sagt nach einem Blick in die Runde: »Passt ein wenig auf. Du auch, Tonia. Die Stimmung ist verdammt schlecht geworden. Das kann nur ein Anfang gewesen sein, das dicke Ende kann noch kommen. Ist das alles Holz, Bill?«
»Ja, Boss. Du meinst doch nicht, dass die Burschen weglaufen werden, was?«
»Verrückt wird man immer dann, wenn man nicht genug essen und schlafen kann. Passt also auf. Saguaro, du reitest nach links um die Herde. Tonio, du nach rechts. Eddy, was macht deine Wunde?«
»Alles in Ordnung, Trevor«, erwidert Swartz. »Nun gut, dann werden wir aufpassen. Und du?«
»Ich werde mal nach verlaufenen Rindern sehen. Sind genug in der einen Nacht weggekommen!«
Die Männer verschwinden. Er wartet, bis sie außer Sichtweite sind und greift dann nach dem Zuckersack.
»Wo willst du mit dem Sack hin, Boss?«, fragt Bill Lawson heiser. »Wenn du nichts von dem Kalb gesagt haben würdest, das den Zucker schlecken soll – ich hätte ihn schon weggeschüttet.