G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
die in der Luft schwebt und landet unter seinem Pferd.
»Weg«, sagt Saguaro keuchend und zieht sich hastig in den Sattel. »Noch mehr kommen – immer mehr kommen und wollen fangen, Hund tot, Byrd liegen unter Pferd, was? Auch gut! Jetzt weg, schnell weg!«
Der Schmerz reißt ihm fast den Arm aus, als er das Sattelhorn packt und sich in den Sattel schwingt. Dann geht sein Pferd wieder an. Es humpelt leicht, steigert sich aber gleich zum Galopp. Es ist schnell genug, um Saguaro die Verfolger weit genug vom Hals zu halten, die von hinten heranspreschen und ihm einige harmlose Kugeln nachschicken.
Der Indianer kauert im Sattel, betrachtet seine linke Hand und reißt ein Stück Tuch aus seiner Satteltasche.
Mit dem Tuch wischt er das Blut ab, nimmt dann sein Messer, ein kleines Klappmesser, das eine haarscharfe Klinge besitzt, aus der Tasche und streift die Klinge am Tuch sauber. Eine Meile weiter hält er auf einer Hügelkuppe an, blickt sich um und starrt zurück.
Sie kommen ihm nicht mehr nach. Sie haben den Wolfsbastard gefunden und genug zu tun, um Byrd unter dem Pferd herauszuziehen. Saguaro hat keine Ahnung, dass Byrd nicht unter dem Pferd liegt, aber er sieht keine Verfolger und starrt auf seine vier Bissstellen an der Hand. Dann beißt er die Zähne zusammen, nimmt die Klinge und presst seine linke Hand auf das Sattelhorn.
Er denkt einen Augenblick daran, dass jeder Indianer so tapfer zu sein hat, keinen Schmerz zu zeigen, scheinbar niemals welchen zu spüren. Und er weiß, dass es nicht wahr ist. Dann hebt er entschlossen die Klinge an und drückt sie vorwärts. Er fällt beinahe vor Übelkeit vom Pferd, doch er muss die Wunden bis auf den Grund erfassen und aussaugen können.
Wenn er an den Wolfsbastard denkt, dann zuckt er jedes Mal zusammen und schließt die Augen. Er wird den aufgerissenen Rachen und die fürchterlichen Augen niemals vergessen können, das weiß er nun endlich. Er wird manchmal in der Nacht hochfahren und sich wild umsehen. Und es wird kein Hund neben ihm sein. Der Traum nur, der wird bleiben.
Der Indianer jagt nach Süden, dem Morgenrot entgegen.
Er hat einen Todfeind von dieser Sekunde an, einen Feind, der nichts auf der Welt jemals lieben konnte – nur Tiere. Dieser kleine bösartige Mann hat nicht nur sein Pferd verloren, er besitzt nun auch keinen Hund mehr, der ihm die Hand leckt.
Jetzt hat Saguaro in diesem Mann einen Todfeind. Byrd wird nicht eher Ruhe geben, bis er sich gerächt hat.
Am Ende des Weges sehen sie sich wieder.
Und wer stirbt dann?
*
Peitschen knallen in den grauen Tag hinein, die Rinder wälzen sich zu einem Halbkreis gegen den nächsten Hügel im Osten, genau in das blutrote Morgenrot hinein.
Die Herde zieht.
Der Staub steigt auf.
Er legt sich auf den Tau an den Gräsern und macht ihn blind.
Die Herde zieht dem Red River zu. Slim Dorlanays Tücke hat sie zwar aufgehalten, aber nicht am Weiterziehen hindern können.
Schon wallt der Staub zu einer langen flatternden Fahne. Der Morgenwind kommt, zerreißt die Schleier. Die Sonne steigt über den Horizont und überschüttet die Masse der Rinder mit ihrem Licht.
Trevor jagt zur Remuda nach links hinaus, sieht Saguaro fragend an und deutet kurz gegen den Wind.
»Ja, gut, ziehen andere Seite. Keine Angst, wir beide hier es schaffen, Boss!«
Trotzdem reitet Trevor weiter, stößt dann auf Suzanne, die den Hut im Nacken hängen hat, und lächelt leicht.
»Nun, Lady, geht es?«
»Sicher, Trevor, sicher. Was für ein prächtiger Morgen!«
»Ja«, sagt er kurz. »Ich reite voraus. Hoh, treibt sie, treibt sie!«
Er bleibt an der Remuda, bis sie drüben sind und die andere Seite der Herde erreicht haben. Hier läuft die Remuda, sichtbar für jeden an der staubfreien Seite.
Dann erst jagt Trevor los, kommt zu Jerry Anderson an die Spitze der Herde und sagt scharf: »Treibe den Bullen an, Jerry. Wir werden einen kleinen Weg bis an den Red River machen. Richte dich darauf ein. Ich sehe mich vorn um und bin gegen Mittag wieder zurück.«
Bald kreuzt Trevor den Iron Creek. Hier steigt das Gelände noch an, um dann auf den Red River zu, innerhalb von drei Meilen um hundertfünfzig Fuß abzufallen. Vor ihm öffnet sich der steile Durchlass zwischen den Hügeln, der zum Red River führt. Dort ist der Bach, der jetzt ein kaum drei Fuß breites Rinnsal bildet. Es hat in diesem Jahr früh angefangen zu regnen und dann zu schnell aufgehört. Es ist nicht viel Wasser in den Bächen und Flüssen, aber immerhin die beste Zeit zu einem Trail.
Die Hügel liegen unter der sengenden Sonnenlast, das Gras ist hart und beinahe schon verwelkt. In der Höhe der beiden Talerhebungen steht auf den Kämmen das Buschwerk, noch staubig von Slim Dorlanays Herde, die wenige Tage vorher hier durchgezogen ist. Spuren sind hier nicht mehr zu finden, der Boden ist von siebentausend Rindern zerstampft worden.
»Das ist weit genug«, sagt sich Trevor Joslyn, als er am Ende der fast zwei Meilen langen Talsenke ankommt. »Noch auf die Hügel rechts, dann sehe ich den weiten Weg zum River. Die Sicht ist gut genug.«
Er reitet hinauf, wirft einen Blick nach Norden und sieht in der Ferne in einer leichten Dunstschicht den Fluss blinken.
Er kann fast zehn Meilen weit von hier oben sehen, dreht schließlich und jagt noch auf die andere Höhe links. Auch dort ist nichts zu sehen. Lediglich weit hinten am Fluss steigt Rauch auf. Dort liegt Colberts Ferry. Sonst gibt es hier kaum eine Ansiedlung. Weiter rechts die Indianer-Post, einige Siedlerstellen – das ist alles. Sonst ist nichts zu sehen. Das Land scheint leer zu sein.
Trevor dreht nun endgültig um und schlägt den Rückweg ein.
Er jagt durch die Schlucht zurück, blickt sich noch einmal um und drückt seinem Schimmel dann die Hacken an.
Vielleicht sollte er nicht so schnell davonreiten und besser die Augen aufhalten.
Hinter ihm, knapp unterhalb der Buschreihe auf dem linken Talrand, den er vor weniger als drei Minuten verlassen hat, taucht ein Mann auf und sieht ihm starr nach. Der Mann bleibt auf dem Bauch liegen, duckt sich leicht, als Trevor Joslyn noch einmal nach hinten blickt und sagt, als sich unter ihm jemand räuspert: »Bei so vielen Spuren findet nicht einmal dein verdammter Indianer eine frische Spur, Byrd. He, Byrd, hörst du nicht?«
Er wendet den Kopf. Sein roter Bart zuckt einmal, als er beinahe verächtlich auf den kleinen Mann blickt, der wie eine Statue auf einem neuen Pferd sitzt.
Im Steingesicht Byrds rührt sich nichts. Der kleine Mann hebt beinahe schläfrig die Lider und blickt Dorlanay aus halb geschlossenen Augen an.
Dorlanays Grinsen erstickt jäh. Der Blick des kleinen Mannes ist so voller Bösartigkeit, dass selbst Slim Dorlanay eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Seitdem Byrd wieder bei Bewusstsein ist, hat er nicht mehr als zwanzig Worte gesprochen. Er hat seinen Wolfsbastard begraben und sich schweigsam ein Pferd aus der Remuda genommen. Dass dieser Gaul einem der Männer gehört, das hat ihn nicht eine Sekunde gestört.
Dorlanay erinnert sich, dass der Eigentümer des Pferdes hatte protestieren wollen, und Byrd hatte ihn dann nur mit seinen kalten Augen angesehen. Und dann hatte Byrd ganze sechs Worte geredet – und der Mann hatte zusehen müssen, wie Byrd sich das Pferd genommen hat.
»Das ist jetzt mein Pferd, fertig«, hatte Byrd gesagt. Und das hatte genügt!
»Er hat nichts gemerkt«, sagt Dorlanay spröde. »Hörst du, Byrd, er hat nichts gemerkt.«
»Ja«, erwidert Byrd trocken und ausdruckslos. Mehr sagt er nicht. Aber er greift zu dem Packen, der hinter seinem Sattel aufgeschnallt ist.
Sein bisher ausdrucksloses Steingesicht verändert sich jäh. In seinen kalten Augen taucht ein wilder, bösartiger Funke auf und erlischt wieder. Die Narbe an seiner linken Kinnseite beginnt förmlich zu glühen.