Die Feuerprobe. Ed Underwood
auf deine ‚Zeichen von Gott‘ nicht viel gebe. Könntest du bitte einfach darum beten, dass wir sicher ankommen?“
„Okay, du hast recht. Das ist jetzt am wichtigsten“, gab Susan zurück und betete weiter: „Vater, bitte beschütze uns auf dieser Fahrt – und auch vor diesem sogenannten Pastor, falls er irgendein Verrückter sein sollte.“
Dann herrschte Schweigen. In der Dunkelheit fuhren sie weiter die steile Bergstraße hinauf. Christopher warf einen Blick auf das Navi. Noch fünfzig Minuten, bis sie diesen Peter treffen sollten.
Er ging noch einmal die verschiedenen Möglichkeiten durch, die vor ihnen lagen. Sollten sie ihr ganzes Leben umkrempeln und nach Pasadena ziehen, um zu erfahren, was Gott dort mit ihnen vorhatte? Christopher wusste, dass das eine einmalige Gelegenheit war. Oder sollten sie an dem Ort bleiben, wo sie selbst und die Kinder zu Hause waren und es eine Gemeinde gab, die sie liebten? Sie mussten entscheiden – Claremont oder Pasadena. Zum wiederholten Mal bedachte Christopher jedes Für und Wider, bis er sicher war, auf alle Fragen antworten zu können, die dieser Peter nur stellen mochte. Außerdem hatte der Alte versprochen, ihnen ein paar Grundsätze zu zeigen, nach denen sie den Willen Gottes für ihr Leben erkennen konnten.
Irgendwann erreichte das Paar die Rangerstation Blackrock. Auf der Heckklappe eines weißen Pick-ups hatte es sich ein alter Mann gemütlich gemacht, als säße er auf der Veranda seines Hauses. Im Licht einer Taschenlampe las er ein Buch. Während Christopher und Susan aus dem Wagen stiegen, klappte der Alte seine Lektüre zu und kam ihnen lächelnd entgegen. Er trug verwaschene Jeans, ein Kakihemd über dem T-Shirt und eine Baseballkappe. Alles an ihm machte einen sportlichen Eindruck, obwohl er beim Gehen sichtlich hinkte. „Ich bin Peter Lewis“, sagte er. „Willkommen im Hochland.“
Christopher schüttelte Peters ausgestreckte Hand, stellte sich und seine Frau vor und kam dann direkt zur Sache. „Ja, ich hätte da noch ein paar Fragen zu dieser … äh, Expedition, die wir vorhaben.“
Peter richtete die Taschenlampe auf Christophers und Susans Wanderschuhe. „Sieht so aus, als hätten Sie die Schuhe eingelaufen, wie ich empfohlen habe. Das ist wichtig. Mit Blasen an den Füßen schaffen Sie es nämlich nicht. Bis zur Bergwiese Casa Vieja sind es zwei Meilen vom Startpunkt, und der Weg geht steil bergab.“ Der Alte sah wieder hoch und blickte jetzt das erwartungsvolle Paar an.
„Also, okay, was möchten Sie noch wissen?“
Christopher versuchte sich zurückzuhalten, aber sein Verstand, der es gewohnt war, jedes Risiko abzuschätzen, startete jetzt voll durch: „Also zunächst mal: Wie gut kennen Sie sich hier aus? Waren Sie überhaupt schon mal hier? Wir haben nicht mal Mobilfunkempfang. Und was ist, wenn etwas passiert? Wenn sich jemand den Fuß verstaucht oder Schlimmeres?“
Im Dunkel des Waldes bewegte sich etwas mit einem leisen Rascheln. Ängstlich trat Susan näher zu ihrem Mann. Peter beachtete das Geräusch nicht. „Ja, ich war schon oft hier. Ich habe früher hier gearbeitet, und die Golden Trout Wilderness durchwandere ich seit mehr als vierzig Jahren. Das ist auch der Grund dafür, dass ich Sie gern hier treffen wollte. Die Gegend ist abgelegen, aber das ist der Sinn der Sache. Wenn diese Expedition, wie Sie es nennen, sich für Sie lohnen soll, dann erfordert das Ihre volle Aufmerksamkeit. Ich würde mich wohler fühlen, wenn Sie das Ganze eher als Abenteuer verstehen würden.“
„Brechen wir denn von hier auf?“, fragte Susan mit so viel Freundlichkeit in der Stimme, dass Christopher überrascht zu ihr hinsah.
„Und was lesen Sie da? Ich konnte den Titel nicht erkennen.“
„Das Neue Testament. Allerdings auf Griechisch. Ich beschäftige mich gerade mit dem Galaterbrief.“ Der Alte schien ein wenig verlegen, dass man ihn beim Lesen der Bibel überrascht hatte, und das noch dazu in einer antiken Sprache. „Unser Startpunkt ist eine Viertelstunde weiter nördlich. Sie können hier noch Ihre Feldflaschen auffüllen, und dann springen Sie wieder in Ihre Kiste und folgen mir.“
Als sie wieder im Auto saßen und zum Startpunkt des Wanderwegs fuhren, sagte Susan: „Also, ich mag ihn. Er ist nicht durchgeknallt, aber etwas ungewöhnlich vielleicht. Liest den Galaterbrief auf Griechisch, nennt unseren Wagen eine Kiste und redet von ,Feldflaschen‘.“
„Tja, wie in alten Kriegsfilmen.“ Christopher konzentrierte sich auf den Weg, den die Scheinwerfer vor ihm erleuchteten. „Peter ist einer von der alten Schule. Das Ganze hier mag vielleicht ein Schlag ins Wasser sein, aber zumindest dürfte es interessant werden.“
Unwillkürlich kam ihm in den Sinn, was Victoria beim Frühstück im Café zum Abschied gesagt hatte: „Diese Hochlandtour mit Peter damals kam mir sehr riskant vor. Aber ich möchte nie mehr so leben wie davor, ohne den Willen Gottes zu kennen.“
***
Im Gänsemarsch führte Peter das Paar unter den gewaltig aufragenden Bäumen hindurch und den steilen Weg bergab. Mit großer Sorgfalt hatte er seine wettergegerbten, dicken Lederstiefel geschnürt, die er „meine Buffalos“ nannte. Dann hatte er einen Rucksack geschultert und sich den verwitterten Wanderstock aus hartem Holz gegriffen. Christopher und Susan boten ein gänzlich anderes Bild: Sie trugen die schicksten Outfits, die die Outdoor-Mode zu bieten hatte, und folgten Peter mit federnden Schritten, als würden sie gerade einen Tennisplatz betreten. Die eingeschalteten Stirnlampen erleuchteten ihnen im Dämmerlicht des anbrechenden Morgens den Pfad.
Vor einer Brücke auf einer kleinen Wiese blieb Peter so abrupt stehen, dass Susan beinahe auf ihn geprallt wäre. Hier sollte ihre eigentliche Reise beginnen. Peter zog eine Wasserflasche aus dem Rucksack, nahm ein paar Schlucke und hob dann ein paar Mal seine Schultern, um das Gewicht wieder richtig zu verteilen. Mit dem Ärmel wischte er sich den Mund ab, stellte seine Flasche auf einen Felsblock und bückte sich, um die Kniebandage zurechtzuziehen, die er am rechten Bein trug. Dann richtete er sich auf und griff wieder nach seiner Wasserflasche. Er stöhnte leicht, als er die Luft einsog, und nahm noch ein paar Schlucke.
„Susan, könnten Sie meine Feldflasche in die Seitentasche meines Rucksacks stecken? Arthritis, wissen Sie? Meine Hände wollen einfach nicht mehr so wie früher“, erklärte er. „Also, wie finden Sie’s hier? Reizvolle Gegend, oder?“
Christopher trat einen Schritt vor. Er war sichtlich erregt. „Peter!“, sagte er mit Nachdruck. „Könnten Sie uns jetzt wenigstens mal sagen, wohin wir unterwegs sind? Wir machen so was schließlich nicht alle Tage.“ Er trat noch etwas näher an Peter heran, sodass dieser ihn ansehen musste. „Bisher haben Sie uns keine Karte gezeigt; Sie haben anscheinend kein GPS und noch nicht mal einen Kompass. Ich liebe die Berge, das können Sie mir glauben. Und es mag auch wirklich eine reizvolle Gegend sein. Aber ganz sicher ist es auch gefährlich hier, jedenfalls für uns. Außerdem haben Sie versprochen, dass man hier Gottes Stimme hören kann.“
Mit lautem Getöse flatterte ein Felsengebirgshuhn aus einem Farndickicht auf und protestierte beim Auffliegen gegen die Anwesenheit der Menschen. Christopher machte unwillkürlich einen Satz zur Seite, während Susan einen kleinen Schrei ausstieß. Als sie sich beruhigt hatten, sagte Peter: „Also dann: Was glauben Sie, was sagt Gott Ihnen – jetzt, wo er Ihre Aufmerksamkeit gewonnen hat?“
Christopher umklammerte den Trekkingstock in seiner Rechten mit festem Griff und stieß ihn kräftig auf die erste Holzplanke der kleinen Brücke. Er musste sich sichtlich beherrschen, bevor er sagte: „Das hier ist nichts weiter als eine alte Holzbrücke mitten auf einer Wiese im Hochgebirge. Und dieser Vogel ist nichts weiter als aufgescheuchtes Federvieh. Vermutlich schreckt er zwanzigmal am Tag so auf. Das ist genau das, was ich befürchtet hatte. Statt herumzugrübeln, was Gott uns wohl mit dem Auffliegen eines blöden Vogels sagen will, sollten wir doch lieber herausfinden, ob uns gerade nicht ganz andere Tiere beobachten. Soll uns das vielleicht helfen, uns für oder gegen Pasadena zu entscheiden, wenn wir einem Bären oder einem Puma begegnen?“
Während Christopher redete, hatte Peter Susans Gesichtsausdruck aufmerksam beobachtet. Enttäuscht und resigniert schloss sie die Augen. Offensichtlich ging es hier um viel mehr als um einen neuen Job in Pasadena. Wenn er den beiden helfen wollte, erkannte der alte Mann, würde es sich nicht vermeiden lassen, ihnen wehzutun.
„Nein,