Adressen mit Geschichte. Georg Markus

Adressen mit Geschichte - Georg Markus


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1., Philharmonikerstraße 4,

      Hotel Sacher

      NOCH EIN BISSERL DABEI

      Fritz Kortner

      Wien 8., Josefstädter Straße 52

      Beim Blättern in alten Meldezetteln findet sich eine ganze Reihe von Wiener Adressen, an denen der junge Fritz Kortner – meist nur für kurze Zeit – als Untermieter gewohnt hat. Die Wohnungen lagen in der Wallensteinstraße, in der Treustraße, in der Gentzgasse und an der Brigittenauer Lände. Am längsten, rund ein Jahr lang, hielt es ihn in der Josefstädter Straße. Die folgende Episode erzählt aber auch von einer ganz anderen Unterkunft …

      Es war nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Schicksal den mittlerweile als Schauspieler und Regisseur berühmt gewordenen Fritz Kortner wieder nach Wien führte. Er besuchte das Café Schwarzenberg, an dessen Eingang er einer älteren Frau begegnete, die ihn stürmisch begrüßte. Kortner kam die Dame irgendwie bekannt vor, er konnte sich jedoch beim besten Willen nicht entsinnen, wo und wann er ihr in ferner Vergangenheit begegnet war. Glücklicherweise lieferte sie gleich die Erklärung: »Fritzl, weißt noch, wie du im Grünen Kakadu g’wohnt hast, damals?«

      Tatsächlich, aus Kortners Jugenderinnerungen tauchte ein dunkler Punkt auf, hatte er doch als mittelloser Student einige Monate in einem billigen, übel beleumundeten Stundenhotel am Stadtrand gewohnt. »Und dort«, gestand jetzt das ältliche Fräulein, »hab i damals gearbeitet. I bin die Fifi.«

      Jetzt erkannte Kortner das einst aufreizende Freudenmädchen, an dem die Jahrzehnte nicht spurlos vorübergegangen sind, wieder. »Ja, die Fifi, natürlich«, sagte er, und weil er auf diese Situation so ganz und gar nicht vorbereitet war, stellte Kortner jetzt die etwas unbeholfene Frage: »Und was, Fifi, was machen Sie heut so? Ich mein beruflich?«

      Fifis Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich bin die Klofrau vom Hotel Imperial.« Und dann fügte sie noch an: »Da is ma halt immer noch ein bisserl dabei.«

      DER SCHÖNSTE BUB VON KLOSTERNEUBURG

      O. W. Fischer

      Klosterneuburg,

      Martinstraße 53

      Wenn man den Filmstar auf seine Wiener Herkunft ansprach, korrigierte er stets: »Ich bin kein Wiener, ich bin Klosterneuburger!« Tatsächlich war Otto Wilhelm Fischer am 1. April 1915 in der Babenbergerstadt zur Welt gekommen und daselbst als »schönster Bub von Klosterneuburg« bezeichnet worden. Sein Vater, der k. u. k. Hofrat Dr. Franz Fischer, besaß ein kleines Haus in der Martinstraße, »in dem ein Zuckerbäcker seinen Laden hatte, bei dem wir Schaumrollen und einen kleinen Mokka nahmen«.

      Den Gymnasiasten faszinierte der alte Stadtkern, in dem »die Schlosser und Gerber immer noch wie im Mittelalter in ihren Höhlen hämmerten«. Ottos erster Flirt hieß Betty und hatte, wie er sich später erinnerte, wuscheliges Haar.

      Nach der Matura übersiedelte er nach Wien, absolvierte das Reinhardtseminar, hatte seine ersten Auftritte an der Josefstadt und am Burgtheater. Und dann war er nahe dran, eine Karriere zu machen, die ihn weit über den deutschen Sprachraum hinaus geführt hätte. Aber er stand sich selbst im Weg. Ein Hollywoodproduzent hatte den als schwierig geltenden Schauspieler in die amerikanische Filmmetropole geholt, wo es zum Debakel kam.

      Der Charmeur reiste im Jänner 1957 mit gigantischem Medienrummel in die USA, um in dem Film My Man Godfrey die Titelrolle zu spielen. Sein Vertrag mit Universal Pictures sah vor, dass er für diesen und einen weiteren Film die sensationelle Gage von 250 000 Dollar bekommen sollte. Doch Fischer missfiel das Drehbuch, und so verfasste er eine neue Version, die wiederum vom Regisseur Henry Koster abgelehnt wurde.

      Weitere Probleme folgten. O. W. Fischer sollte einen aus Wien stammenden Seemann spielen, der in New York als Butler arbeitet. Als er mit Maßanzug und Steirerhut am Set erschien, entgegnete der Regisseur: »Ein Seemann trägt weder Maßanzug noch Trachtenhut.« Doch Fischer bestand auf diese Adjustierung. Koster, ein gebürtiger Berliner, hatte »vom ersten Tag an das Gefühl, dass er einen Film für Österreich machen wollte und nicht für Amerika«. So sagte er stets »Tante Lotterl« statt »Tante Charlott«.

      Fischer wurde zum Produktionschef gerufen, der ihm klarmachte, dass er den Anweisungen des Regisseurs zu folgen hätte, doch es half nichts. Wenn Koster »Komm langsam bei der Tür herein« sagte, dann kam Fischer schnell. Einmal ging er auf Zehenspitzen, weil ein Butler seiner Ansicht nach auf Zehenspitzen geht. Koster hatte »seit zwanzig Jahren einen Butler, aber der ist nie auf Zehenspitzen gegangen, warum auch«.

      Es gab tausend Reibereien. Eva Gabor sollte weinen. Da Fischer die Szene anders spielte als vorgesehen, musste sie siebzehn Mal gedreht werden, bis sie nicht mehr weinen konnte und der Drehtag verloren war. »Nachher, in der Garderobe«, erinnerte sich Koster, »weinte sie dann wirklich – aus Verzweiflung.«

      Die Crew wurde immer nervöser. Als sich am sechzehnten Drehtag ein Schauspieler weigerte, mit Fischer weiterzuarbeiten, wurde er von Universal Pictures zurück nach Wien geschickt. Die mit Fischer gedrehten Szenen wurden vernichtet, David Niven übernahm die Rolle.

      Eine Hollywoodkarriere war beendet, noch ehe sie begonnen hatte. O. W. Fischer drehte wieder in Berlin, München und Wien.

      Einmal noch, im Jahre 1960, kehrte er heim nach Klosterneuburg, um sich an die Tage der Kindheit zu erinnern. Die letzten Jahrzehnte verbrachte er zurückgezogen in seinem Landhaus im Tessin.

      DER LETZTE VORHANG

      Werner Krauß

      Wien 9., Porzellangasse 33a

      Obwohl er in seinen letzten Lebensjahren schwer zuckerkrank war, trat Werner Krauß regelmäßig am Burgtheater auf, so auch am 23. Oktober 1958 in der Rolle des König Lear. An diesem Abend erlitt er während der Vorstellung einen Gefäßspasmus, der ihm die Sprache raubte. Das Publikum dachte zunächst an einen besonderen Regieeinfall, doch als der Mime immer undeutlicher sprach und bald auch desorientiert über die Bühne wankte, herrschte große Unruhe im Zuschauerraum.

      Der Vorhang fiel, der rasch herbeigerufene Theaterarzt leistete Erste Hilfe. Als Krauß sich ein wenig erholt hatte, riet der Mediziner zur Fortsetzung der Aufführung, da ein Abbruch Krauß dermaßen aufgeregt hätte, dass ein neuerlicher Schlaganfall zu befürchten war. So spielte Werner Krauß den Lear zu Ende, machte alle Bewegungen, sprach den Text, aber das Publikum verstand kein Wort und konnte nicht fassen, was da vor sich ging.

      Es


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