Adressen mit Geschichte. Georg Markus
HÖRBIGER IM GASTHAUS HANS MOSER
Paul Hörbiger
Wieselburg, Mühling 77,
Paul-Hörbiger-Gasse
Geboren wurde er in Budapest, Karriere machte er in Reichenberg, Prag und Berlin, gelebt hat er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens im Städtchen Wieselburg. Und doch war und blieb Paul Hörbiger zeitlebens die Inkarnation des Wieners.
Wieso aber hat es ihn überhaupt in die niederösterreichische Brauerei-Gemeinde Wieselburg verschlagen, von wo der Schauspieler fast täglich den mühsamen Weg ins Wiener Burgtheater auf sich nehmen musste?
Nun, Paul Hörbiger hatte ein Haus gesucht, in dessen Umgebung er seiner großen Leidenschaft, dem Fischen, nachgehen konnte. Als er bei Dreharbeiten den Verwalter eines herrschaftlichen Anwesens in der Nähe von Wieselburg kennen lernte, sprach dieser die Einladung aus, dass der Star jederzeit im Schlossteich angeln könnte. Das war ein Grund, sich hier anzusiedeln. Hörbiger kaufte einen Grund im Wieselburger Ortsteil Mühling, baute darauf ein unscheinbares Haus in einer noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannten Gasse und fuhr zwei-, dreimal zum Schlossteich. Er fing dort ein paar Forellen, doch dann kam es zu einem unliebsamen Zwischenfall. Ein junger Mann randalierte in der Diskothek seines Sohnes Thommy in der Wiener Innenstadt. Thomas Hörbiger verwies ihn des Lokals – doch der Randalierer war ausgerechnet der Sohn des Schlossverwalters. Paul Hörbiger durfte nie wieder dort fischen und blieb dennoch bis ans Ende seines Lebens in Wieselburg.
Der Zufall wollte es, dass Paul Hörbiger viele Jahre lang sein Mittagessen in einem Gasthaus in der Nähe seines Wohnhauses einnahm, dessen Wirt genauso hieß wie sein kongenialer Filmpartner: Hans Moser. Das Wirtshaus Moser gibt es heute nicht mehr.
SCHAUSPIEL-PROMINENZ
Hans Thimig
Wien 8.,
Friedrich-Schmidt-Platz 4
Gerade in Herford angelangt, dem Ausgangspunkt einer Deutschlandtournee, wollte der Schauspieler seiner Frau und seinen Kindern mitteilen, dass er gut angekommen sei. Hans Thimig begab sich vom Hotel zum Bahnhof, kaufte eine Ansichtskarte und schrieb ein paar Worte nach Hause, an die Adresse Friedrich-Schmidt-Platz 4. Nur mit der Briefmarke gab’s Probleme. Der Markenautomat schluckte zwar sein Geld, warf jedoch das verlangte Postwertzeichen in der Höhe von 20 Pfennig nicht aus.
In diesem Moment der Verzweiflung kam ein Bahnbeamter des Weges, dem Thimig die Karte zeigte und mit seinem Problem vertraut machte. Der Mann nickte freundlich, ging in das Bahnhofsgebäude und kehrte mit einer 20-Pfennig-Marke zurück: »Hier, Herr Thimig«, sagte er, »es ist mir eine Ehre.«
Gerührt erzählte Thimig von diesem Ereignis: »Ich gab ihm die 20 Pfennig und war einigermaßen geschmeichelt, dass mich so ein einfacher Bahnbeamter aus Herford, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen, in der ich noch nie zuvor gewesen war, erkannt hat.«
Tja, Film, Funk, Fernsehen, überlegte Hans Thimig weiter – es ist wirklich erstaunlich, wie weit heutzutage die Popularität reicht!
Der Schauspieler dankte dem freundlichen Mann herzlich und konnte die Frage nicht unterdrükken: »Sagen Sie mir, lieber Freund, wieso haben Sie mich eigentlich erkannt?«
»Das ist doch nicht so schwer«, erwiderte der Beamte, »die Karte, die Sie in der Hand halten, ist doch an Frau Thimig adressiert.«
SEKUNDENTOD BEIM BOXKAMPF
Robert Lindner
Wien 1., Herrengasse 6
Am 6. Juni 1967 wurde der 19-jährige Wiener Hans Orsolics durch einen knappen Punktesieg über den Deutschen Conny Rudhof zum ersten Mal Europameister im Superleichtgewicht. Unter den Zuschauern des Boxkampfes in der Wiener Stadthalle befand sich der als großer Boxfan bekannte Schauspieler Robert Lindner. Plötzlich, in der fünften Runde, rutschte das prominente Mitglied des Burgtheaters, wahrscheinlich vor Aufregung, vom Sitz. Der sofort herbeigerufene Rettungsarzt konnte nicht mehr helfen, er stellte einen »Sekundentod« fest. Lindner hatte sich fünf Tage davor einer gründlichen Durchuntersuchung unterzogen und war von den Ärzten für vollkommen gesund erklärt worden.
Kammerschauspieler Robert Lindner, der – wie auch Hans Jaray, Curd Jürgens, Oskar Werner, Georg Kreisler, Gunther Philipp und viele andere Künstler – im Hochhaus in der Herrengasse wohnte, galt als einer der letzten großen Herren des Burgtheaters, sein Anatol und sein Schwieriger blieben allen, die ihn gesehen hatten, unvergessen. Er wurde nur 56 Jahre alt.
DIE WIENER WOHNSITZE DES WELTSTARS
Curd Jürgens
Wien 1., Franziskanerplatz 6
Er war Weltstar und Weltbürger. Und doch hatte er in keiner anderen Stadt so viele Wohnsitze wie in Wien. Im März 1938 ist er erstmals hierher gezogen. Kaum jemand nahm Notiz davon, denn der 22-jährige Schauspieler war noch vollkommen unbekannt. Ein paar Tage nach ihm marschierte Adolf Hitler in Wien ein.
Curd Jürgens übernahm am Deutschen Volkstheater kleinere Liebhaberrollen. Und bezog seine erste Wohnung gleich an bester Adresse. »Zwei reizende Zimmer am Ring über dem Café Landtmann«, schreibt er in seinen Memoiren. Er stand vor dem Hotel Imperial und sah »zum ersten Mal Hitler, im Wagen stehend, mal schlaff, mit angewinkeltem Ellbogen, mal steif mit ausgestrecktem Arm den ›deutschen Gruß‹ vollführend«.
Lulu Basler, seine erste Ehefrau, übersiedelte nach Wien, weshalb eine größere Wohnung gesucht und gefunden wurde. Sie lag im neu gebauten Hochhaus in der Herrengasse 6. »Ich hatte vom zehnten Stock einen wunderschönen Blick über Wien«, erinnerte er sich später. Die Freude ließ nach, als ihm bei der Einweihungsfeier ein Kollege zuflüsterte, dass in eben dieser Wohnung bis vor kurzem der Schauspieler Hans Jaray gewohnt hatte, der – von den Nazis vertrieben – nach Amerika geflohen war.
Als er 1941 ans Burgtheater ging, erhielt Curd Jürgens im Palais Anday in der Josefstädter Krotenthallergasse 8 ein Dienstquartier. Nach dem Scheitern der Ehe mit Lulu Basler wurde Judith Holzmeister 1944 zur zweiten Frau Jürgens.
Das junge Glück erhielt von der Gemeinde Wien einen auf 99 Jahre befristeten Pachtgrund in der Grinzinger Straße 6. Praktischerweise war der Vater seiner Frau ein weltberühmter Architekt. »Der alte Holzmeister zeichnet die Pläne für ein Häuschen in Grinzing. Ein scheußliches Haus«, beklagte sich Curd Jürgens, »Holzmeister kann Kirchen bauen, aber kein Wohnhaus für lufthungrige junge Menschen. Seine Tiroler Heimat schlägt durch: Statt Fenster Schießscharten, statt eines großzügigen Wohnraums verschachtelte Kämmerchen wie auf einer Skihütte in Kitzbühel. Das weit vorgezogene Schleppdach soll wohl vor Lawinen schützen, aber es sieht aus wie die Mütze eines besoffenen Grinzinger Heurigenbesuchers.«
Die Ehe hielt keine 99 Jahre, weshalb Curd Jürgens nicht nur Judith Holzmeister, sondern auch das Haus in Grinzing lange vor Auslaufen des Pachtvertrags verließ. Er wohnte vorübergehend als Untermieter in der Pressgasse, ehe er aus Wien wegging, um Weltkarriere zu machen. Jürgens zog nach Frankreich und heiratete 1958 – nach einjährigem Zwischenspiel mit Eva Bartok – zum vierten Mal: Simone Bicheron.
Ab 1965 wieder am Burgtheater, gab es ein neues Wiener Domizil, und es war wieder ganz nobel. Curd Jürgens erwarb ein Haus am Franziskaner Platz, dessen obersten Stock mit Blick auf die Franziskanerkirche er ausbauen ließ.
Hier blieb er länger als in irgendeiner anderen Wiener Wohnung, aber er baute nie für die Ewigkeit. »Er musste immer wieder ein neues Projekt in Angriff nehmen«, erinnerte sich Margie, die Ehefrau Nummer fünf. Das Haus am Franziskanerplatz wurde verkauft und später vom Malerpaar Helmut Leherb-Lotte Profohs bezogen.
Mit Margie bewohnte er jetzt Nobelherbergen in Saint Paul de Vence an der Côte d’Azur, im Schweizerischen Gstaad, auf den Bahamas und im ehemaligen Schlosspark