Courage. Im Schatten des Nanga Parbat 1934. Bettina Hoerlin
Aufgrund der unvermeidlichen Verzögerung bei der Nachrichtenübermittlung hatte Käthe „Frau Dr.“ Schmid erst am 15. Juli Hoerlin nach Stuttgart geschrieben, dass die Expedition in ernsthaften Schwierigkeiten stecke. Sie schloss das Schreiben mit: „Aber es ist wohl an der Zeit, mit allen guten Wünschen an die Männer zu denken.“188 Am 18. Juli hatten die Münchner Neuesten Nachrichten einen Artikel abgedruckt, dessen Balkenüberschrift den Ernst der Lage unterstrich: „Schwere Sorgen um die deutsche Himalaja-Expedition: Merkl, Wieland und Welzenbach vermisst.“189 Niemand wusste, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits tot waren. Man klammerte sich an die leise Hoffnung, dass zumindest Merkl und Welzenbach irgendwie überleben würden, da sie ein bemerkenswertes Durchhaltevermögen gezeigt hatten, als sie 1931 in der Nordwand der Grandes Charmoz im Mont-Blanc-Gebiet 60 Stunden lang in einem Biwak einem Sturm trotzten.190 Diesmal ließ sie jedoch ihr Glück im Stich.
Nanga Parbat, Rückkehr der letzten überlebenden Sherpas
Vier Jahre später, 1938, fand eine weitere deutsche Expedition Merkls Leiche. In seiner Jackentasche entdeckte man eine Notiz, die Welzenbach in Lager 7 geschrieben hatte. Es war ein letzter, verzweifelter Hilferuf [Hervorhebungen im Original]:
„An die Sahibs zwischen Lager 6 und Lager 4, insbesondere an Dr. Sahib.
Wir liegen seit gestern hier, nachdem wir Uli im Abstieg verloren. Sind beide krank, Ein Versuch, nach 6 vorzudringen, misslang wegen allgemeiner Schwäche. Ich, Willo, habe vermutlich Bronchitis, Angina und Influenza. Bara Sahib hat allgem. Schwächegefühl, und Erfrierungen an Füßen und Händen. Wir haben beide seit 6 Tagen nichts Warmes gegessen und fast nichts getrunken.
Bitte helft uns bald hier in L. 7.Willo und Willy“ 191
Vom 9. bis zum 13. Juli hatten Merkl und Welzenbach gemeinsam im Zelt von Lager 7 gelegen, zu erschöpft und von Erfrierungen gezeichnet, um weiter abzusteigen. Sie warteten auf Rettung aus Lager 4, dessen Zelte sie in Sturmpausen unter sich sehen konnten. Sie sahen, wie man versuchte, zu ihnen aufzusteigen. Ich frage mich, wie oder ob sie sich in diesen letzten Tagen ihre gegenseitigen Ressentiments eröffneten. Merkl dürfte die weitreichenden Folgen der Katastrophe erahnt haben.
Käthe Schmids Brief an Merkl vom 2. Juli erreichte diesen nicht mehr. Während er im Himalaya um sein Leben kämpfte, durchlebte sie in München die „schwerste Zeit meines Lebens“.192 Zwei Tage zuvor war ihr Mann von Hitlers Gefolgsleuten verschleppt worden und sie wusste nichts über sein Schicksal. Um Merkl ihre Gefühle der Verzweiflung und Furcht zu ersparen, verschweigt sie ihm die Details und versichert ihm, „… aber die Arbeit wird gemacht, sei außer Sorge“.193
In ihrem zweiseitigen Schreiben erwähnt sie Finanzen der Expedition sowie Anfragen der Presse nach Fotos, und sie bittet Merkl, ihren Lieblingsneffen Postkarten zu schicken. Der nüchterne Ton ihrer Korrespondenz steht im krassen Gegensatz zu den unvorhersehbaren Tragödien, die sich für beide anbahnten.
Einen Tag nachdem sie ihren Brief an Merkl geschrieben hatte, erhielt Käthe Schmid die Nachricht, dass ihr Mann tot sei. Trotzdem hielt sie ihr Versprechen und erledigte die Arbeit für die Expedition, indem sie die immer unheilvolleren Pressemitteilungen herausgab und mit der Kontaktperson im Alpenverein, Hermann Hoerlin, in Verbindung blieb.194 Aber als sie schließlich von den widersprüchlichen Meldungen über die Todesopfer überwältigt wurde, bat sie um die Hilfe eines Experten … und diese Hilfe kam mit Hermann Hoerlin. Hoerlin war sofort nach München gereist, nachdem er am 17. Juli folgendes Telegramm erhalten hatte:
Die Routen der Nang-Parbat-Expeditionen von 1932 und 1934: Einige Höhenangaben und Ortsangaben im Bild weichen von den heute gültigen Angaben ab.
Der Gipfel ist z. B. 8125 m hoch, und der Todesort von Willy Merkl lag weiter links am Mohrenkopf.
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