Mit gläubigem Herzen und wachem Geist. Reinhold Stecher
seine Huld.“ Dieses Wort begleitet uns durch die ganze Offenbarung hindurch. Damit ist alles ausgedrückt, was aus liebender Zuneigung Gottes für den Menschen da ist. „Rächäm“ bedeutet Mutterschoß. Ein mütterliches Element ist zum Ausdruck der Liebe Gottes geworden. Der Sprache nachzuforschen, führt zum Kern.
Schreiben wir uns aus der Schrift heraus, wie oft Christus als der Bergende auftritt. „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid …“ Dieses Wesentliche des Bergenden müssen wir betonen. Wir dürfen aber auch das menschlich Bergende nicht vergessen. Bergende Bezüge wie Wiederholung gehören zum Menschen. Wenn es jedes Mal anders wird, wird der Mensch verunsichert. Es gibt viele Formen des Bergenden, aber jeder weiß, dass der Mensch, damit er sich geborgen fühlt, gewisse bleibende Formeln braucht. Sie sollen einfach sein, nicht theologisch überladen. Das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria sind solche Formeln. Dies darf zwar nicht übertrieben werden. Nehmen Sie einem Tier den Rhythmus, den es hat. Wenn man dem Wild mit einem Zaun den Wechsel verändert, reagiert es aggressiv. Manche Tiere sterben.
Das Kind braucht bergende Vollzüge, die bleiben müssen. Das heißt nicht, wir bleiben die Alten. „Singt dem Herrn ein neues Lied“ habe ich vergangene Woche hier im Priesterseminar gesagt. Es braucht aber auch die bergende Weise, die das alte Weiblein vor 70 Jahren gehört hat. Es braucht Dinge, die den Leuten vertraut sind: die bergende Formel, das bergende Bild, die bergende Musik. Die Heilige Schrift hat, Gott sei Dank, sich mehr mit Bildern befasst als mit Begriffen.
Ich bin überzeugt, dass der Zug in die Geborgenheit voll wird. Nur wenn der Mensch ein gewisses Maß an Geborgenheit hat, kann er auch Mut entwickeln, hinausgehen, aufeinander zugehen. Es ist wie beim Eisklettern. Ich kann eine Extremität nur bewegen, wenn die drei anderen Extremitäten an der Wand kleben. Das ist im Spirituellen ganz gleich. Nur der Mensch, der eine innere Beheimatung hat, kann etwas wagen. Papst Johannes XXIII. hatte eine tiefe traditionelle Frömmigkeit und einen Mut, der nicht nachvollziehbar ist.
Geleise ins neue Kirchenbewusstsein
Ein weiteres Geleise in die Zukunft ist das neue Kirchenbewusstsein. Dieses neue Bewusstsein heißt: Die Kirche sind wir. Zum Teil ist es schon vorhanden. In der traditionellen Sprechweise verstand und versteht man unter Kirche vielfach nur Papst, Bischöfe, Geistliche, die höheren Etagen. Die anderen sind nur katholisch. Das geistert heute noch herum. Es ist zu bedauern, wenn die Hierarchie überbetont wird. Aber der Unterbau des Geleises, „Die Kirche sind wir“, ist da. Denken Sie an die Pfarrgemeinderäte, Erstkommunionhelfer, Firmhelfer usw. Es gibt den Mangel an Priesterberufen. Ich frage mich oft, warum lässt der Herrgott das zu?
Die Kirche sind wir alle und nicht nur eine Gruppe. Die Laien übernehmen viele Aufgaben. Was da an Verantwortung in den Pfarreien vom Bibel- bis zum Liturgiekreis, von der Caritasgruppe bis zum Arbeitskreis für Altenarbeit wahrgenommen wird, ist fast nicht aufzuzählen. Freilich, auf dem Bahnhof der Kirche kommen viele Züge auch mit Verspätung an. Das neue Kirchenbewusstsein „Die Kirche sind wir“ gibt Hoffnung.
Geleise der Hilfsbereitschaft
Auf dem Geleise der Hilfsbereitschaft ist am Bahnhof der Kirche etwas los. Da brausen die EC- und die IC-Züge in alle Welt hinaus, so wie noch nie. Wie ist doch in den letzten Jahren die Hilfsbereitschaft gestiegen. Da ist Unterbau und Wagenmaterial nicht alt. Der Staat schließt sich heute der Caritas an. Die Staaten verfügen nicht über Bodenmaterial, ganz abgesehen davon, dass der Staat oben vielerorts mit Lumpen besetzt ist. Wir kennen viel Bedrückendes in der Kirche. Doch am Bahnhof der Kirche ist etwas los, vor allem auf dem Geleise der Hilfsbereitschaft. Da rauschen die Züge nach Jugoslawien, nach Somalia, nach Bangladesch und Peru. Da dürfen wir uns wohl an das Wort der Schrift erinnern: „Die Liebe deckt eine Menge Sünden zu.“ Die Hilfe, die geleistet wird, ist nicht nur ein Löcherstopfen. Man denkt ganz ernstlich und fest nach, wie man den Menschen in diesen Ländern das Leben in Zukunft möglich machen kann. Eine Kuh für Peru, lautete das Sammelwort. „Ich spendiere allein eine Kuh“, sagte ein Bauer aus dem Zillertal, „aber sie muss Tirol heißen.“
Geleise des Mutes und des Vertrauens
Als letztes Geleise in die Zukunft möchte ich das Geleise des Mutes und des Vertrauens nennen. Zukunft ist kein so eindeutig berechenbares Ding. Da braucht es auch das Geleise des geistigen und kirchlichen Wagens. Nur mit Lärmen allein wird der Zug in die Zukunft nicht abfahren. Ich hoffe, dass es in der Kirche wieder etwas mehr Mut und Vertrauen gibt. Wenn wir alles tun, um aus dem Wort Gottes und der Liturgie etwas halbwegs Vernünftiges zu machen, dann können wir uns darauf verlassen, dass uns die Gnade Gottes begleitet.
Es stehen in der Kirche viele Fragen an. Das Erste ist die Frage: Was will Gott? Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. Dies ist ein fundamentales Dogma. Der Heilswille Gottes ist das Erste und alles andere Menschliche das Zweite.
Wir brauchen in der Kirche Loks, die über die Grenzen fahren. Paulus ist über die Grenzen des Judentums gefahren. Menschen in der Kirche haben oft Schallmauern durchbrochen. Sie haben dies vermocht, weil sie ein unbegrenztes Vertrauen in Gott hatten.
Es gibt also eine Reihe Geleise in die Zukunft der Heimatkirche, die bereits mehr oder weniger stark befahren werden und Hoffnung und Zuversicht vermitteln.
Gedanken zum Dienst der Kirche in der Welt von Arbeit und Wirtschaft
TAGUNG
SALZBURG (1992)
Ich bin kein Fachmann in der komplizierten Welt des Sozialen und des Ökonomischen. Ich ahne nur, was man wissen müsste, damit man einer wäre. Ich bin von meiner Lebensgeschichte her Seelsorger, Religionslehrer, Jugendseelsorger und Beichtvater gewesen. Ich kann mich nicht für etwas ausgeben, was ich nicht bin.
Andererseits wäre natürlich auch zu fragen, ob es unbedingt zum bischöflichen Amt gehört, in allem und jedem ein Fachmann zu sein, vorab in allen Bereichen des Weltdienstes der Kirche, wie hier, wo es um die Verwirklichung der frohen Botschaft in der Welt von Arbeit und Wirtschaft geht. Hier gibt es viele Details, für die ich beim besten Willen nicht kompetent bin. Ich möchte auch nicht behaupten, dass sozusagen Bischöfe die denkenden Organe in der Kirche sein sollten, deren Ideen dann die Laien auszuführen hätten. Das widerspräche zutiefst einem Kirchenbild, in dem ein abgestimmtes und wogendes Ineinander von Geist und Gabenverteilung, von Amt und Charisma gilt. Darum war ich ja um den Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe so froh, weil hier in einer beispielhaften Art diesem lebendigen Kirchenbild Rechnung getragen wurde.
Aufgaben eines Bischofs
Was kann ich nun als eine legitime Aufgabe des Bischofs in solchen Bereichen wie dem, der hier zu Debatte steht, sehen?
Das eine, was der Bischof wohl leisten soll, ist so eine Art Wachdienst vor der Schatzkammer des Glaubens. Er muss dafür Sorge tragen, dass von dieser Substanz der Botschaft nichts verloren geht, gestohlen oder unterschlagen wird. Aber ich sehe in diesem Kreis keineswegs schwerwiegende Häresien wuchern. Hier scheint mir nur notwendig, dass man immer wieder auf die Wurzeln unserer christlichen Existenz zurückkommt, weil diese Tiefen von den Auseinandersetzungen des Alltags leicht überdeckt und überspielt werden.
Und eine andere Aufgabe des Bischofs im Bereich der Verkündigung ist sicher im Wort „Bischof“ angedeutet. „Episkopos“ heißt griechisch doch „der, der darüber hinschaut“, und ich lege das in besonderer Weise dafür aus, dass die kirchengeschichtliche Stunde immer dort schlägt, wo die ewige Botschaft und die Ströme der Zeit ineinanderfließen. Und da braucht es vielleicht doch so etwas wie einen „Dienst der Übersicht“, ein weitgespanntes Hineinhorchen in ebendiese Ströme der Zeit, in ihre trüben Defizite und ihre klaren Chancen und Hoffnungen, und auch in die Veränderungen, die heute in den Menschen und Gesellschaften schneller vor sich gehen als in vergangenen Jahrhunderten. Natürlich müssen wir diese Wachheit der Zeit gegenüber allen üben, ja ich bin in meinem Dienst auf viele, viele angewiesen,