Follower. Gunnar Engel

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es andersherum: Denkst du, dass Gott Besseres zu tun hat? Denkst du, dass du vielleicht erst einiges an dir ändern müsstest, damit Gott etwas mit dir anfangen kann? Dass er Wichtigeres zu tun hat, als sich mit dir abzugeben? Immerhin ist er der Schöpfer und Erhalter des Universums. Das klingt nach viel Arbeit.

      Man weiß nie genau, wann einem die Dinge begegnen, die das Leben verändern. Und ich meine nicht die x-te belanglose Predigt über ein besseres Leben, die eigentlich bloß Self-Help mit ein bisschen christlichem Zuckerguss ist. (Ganz ehrlich: Hättest du mir im Krankenhaus noch eine Predigt über positives Denken, noch eine Liste mit den fünf besten Tipps zum gesegneten Leben oder einen Artikel über gesteigertes Vertrauen in Gott gegeben, hätte ich geschrien.) Mir fehlte etwas Grundlegendes. Deshalb musste Gott bei mir auch grundlegend neu anfangen. Das einzusehen, war gar nicht so einfach.

      Im Krankenhaus wurde ich nach einer Nacht in der Notaufnahme in ein Isolierzimmer verlegt, ein Einzelzimmer, das vom Personal nur mit Schutzkleidung und so selten wie möglich betreten wurde. Auf eine schräge Art wurde das Isolierzimmer zu meiner Gebetskammer. Die Ärzte und Schwestern kamen immer mal wieder, um herauszufinden, was mit mir los war. Und ebenso kam Gott durch sein Wort zu mir, um mir in einem viel größeren Horizont zu zeigen, was falsch lief und wie er den weiteren Weg für mich vorbereitet hatte.

      Diese absurde Parallelität wurde mir allerdings erst später klar. Als ich dort in meinem Bett lag, ging es für mich erst einmal ums Überleben. Große Fortschritte gab es nicht. Ich konnte nichts bei mir behalten, nahm beinahe zehn Kilo ab und kein Antibiotikum schlug an. Niemand wusste, was zu tun war. Die Ärztin zuckte mit den Schultern und die Schwestern schauten mitleidig drein. Es passte einfach nicht zusammen: Mein Körper behielt nichts bei sich, jeden Morgen war mein Laken blutig und gleichzeitig traten immer wieder Panikattacken auf, die ich aber auch zuvor schon gehabt hatte.

      Es dauerte über eine Woche, bis eine endgültige Diagnose stand: MRSA.

      Vier kleine Buchstaben, die ich bisher nur unter dem Begriff Krankenhauskeim gekannt hatte. Mehrmals im Jahr hatte ich Beerdigungen von Menschen gehalten, die an einem solchen Keim gestorben waren. Sie waren jedoch alle mindestens fünfzig Jahre älter als ich gewesen. Entsprechend groß war die Verwunderung bei den Ärzten und dem Personal, denn in meinem Alter war es beinahe unmöglich, sich einfach so mit MRSA anzustecken, oder wie mir die Oberärztin erklärte: »Für gesunde Menschen ist MRSA in der Regel ungefährlich. Für immungeschwächte Patienten auf Intensivstationen, Krebskranke, Chirurgie-Patienten, frühgeborene Babys oder Menschen mit chronischen Wunden hingegen können multiresistente Erreger lebensgefährlich werden.«

      Bisher war ich mir ganz sicher gewesen, zu keiner dieser Gruppen zu gehören.

      Allerdings hatte mein Immunsystem unter dem Stress und der Überarbeitung der letzten Monate mehr als nur gelitten. Es war beinahe verschwunden. Und so lag ich nun in diesem Isolierzimmer und bekam eine Auszeit von allem, was sonst meinen Alltag bestimmte.

      In dieser Gebetskammer aus Plastikfolie und Desinfektionsmitteln begann meine Reise hin zu einem intensiven Leben der Nachfolge.

      Auf ins Abenteuer

      Ich bin der festen Überzeugung, dass die Angst vorm Versagen uns nicht aufhalten sollte, einen Schritt im Glauben zu tun. Selbst wenn es im gleichen Moment bedeutet, alte Sicherheiten zu verlassen. Selbst wenn es bedeutet, Schmerzen und unbequeme Wege zu erdulden. Das ist notwendig, wenn wir uns von dem Ort, an dem wir sind, zu dem Ort begeben, an dem Gott uns haben will. Mit anderen Worten: Ein gelebter und brennender Glaube kostet dich etwas. Gelebter Glaube ist nämlich nicht bloß ein Lippenbekenntnis. Eigentlich ist genau das Gegenteil gemeint: ein Glaube, der zu einem Ausdruck vollständiger Bereitschaft und Hingabe wird. Ich möchte mit einigen Beispielen verdeutlichen, wie Gott unser Leben auf den Kopf stellt, wenn wir ihm nachfolgen.

      Als Gott Mose aus dem brennenden Busch zu sich rief, antwortete Mose ihm mit »Hineni«. Vermutlich weißt du, welche Aufgabe Mose daraufhin bekommen hat. (Es hat mit einem ziemlich zornigen Pharao, einem geteilten Meer und einigen Jahrzehnten mit einem murrenden Volk in der Wüste zu tun.)

      Als Gott eines Tages »Abraham« rief, antwortete dieser: »Hineni!«, ohne zu ahnen, dass Gott ihn auffordern würde, auf einen Berg zu steigen und seinen Sohn zu opfern.

      Dreimal musste Gott den jungen Samuel rufen, bis dieser schließlich ihm und nicht Eli antwortete: »Hineni!« – »Rede Herr, denn dein Knecht hört.«

      Viele Hundert Jahre später fragte Gott, wer für ihn in den schwierigen Dienst des Propheten treten würde. Jesaja antworte: »Hineni! Sende mich!«

      Kinder sagen es zu ihren Eltern, um zu signalisieren, dass sie bereit sind, dem Wunsch der Eltern zu folgen. Familienmitglieder sagen es einander, um ihre Bereitschaft auszudrücken, füreinander einzustehen und zu handeln.

      Diese wenigen Beispiele zeigen bereits, in welche Richtung wir uns bewegen. Es ist eine Reise in ein fremdes Land, in dem wir unsere Welt und unsere Ansichten und Sicherheiten hinter uns lassen müssen. Der Grund dafür ist simpel: Gott selbst hat alle Ansichten und Sicherheiten hinter sich gelassen, als er in Jesus zu uns gekommen ist. Am Kreuz hat Gott auf einmalige, perfekte und unübertreffliche Weise gezeigt, wie groß seine Liebe für uns ist. Er hört uns permanent zu und sieht in unsere Herzen.

      Das ruft nach Liebe. Das erfordert Hingabe, Verfügbarkeit und Opferbereitschaft für den anderen. Gott hat alles für uns gegeben, aber wird er auch in uns bedingungslose Hingabe und Bereitschaft finden, die Kosten des Glaubens zu tragen?

      Was wäre, wenn Gott deinen Namen heute laut rufen würde? Bist du bereit, dich ihm für den Dienst anzubieten, den er für dich hat, ohne zu wissen, worum es sich handeln könnte?

      Wir müssen nicht warten, bis wir einen hörbaren Ruf empfangen. Der Neustart bei Gott steht dir und mir immer offen. Es ist ein Lebensstil, bei dem wir in Gottes Gegenwart treten, indem wir ihm sagen, dass wir bereit sind, seinen Willen zu tun.

      Wie so oft begann auch bei mir dieses große Abenteuer mit einem kleinen Schritt.

      Alte Weisheiten

      Man weiß nie genau, wann einem die Dinge begegnen, die das Leben verändern werden. Es gibt ein kleines Gebet, das sich mehrmals in der Bibel findet. Es ist ziemlich einfach. Die kurze Variante besteht auf Deutsch aus drei Worten, die lange aus fünf. Man kann es sich also leicht merken. Bewusst habe ich diese drei Worte zum ersten Mal in meinem zweiten Semester an der Universität gehört, in einer Vorlesung über Kirchengeschichte. Unser Professor hatte die Angewohnheit, die manchmal recht trockene Vorlesung alle paar Minuten mit guten und weniger guten Witzen zu unterbrechen. Dann blickte er schief grinsend über den Rand seiner Brille, um einen Lacher einzusacken.

      Um welches Thema es an diesem Tag ging, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Das sagt wahrscheinlich einiges über mein Gedächtnis und noch viel mehr über die Gründlichkeit meiner Mitschriften aus. Ich würde meine Notizen aus der Vorlesung nicht mal finden, wenn mein Seelenheil dran hinge – Gott sei Dank tut es das nicht. Vermutlich ging es um irgendeine Figur der frühen oder mittleren Kirchengeschichte. Und es ging darum, dass Gott spricht, denn diese Information war das Set-up für den Witz. Insgesamt geschah etwa Folgendes:

      Professor (plötzlich und mitten in einem Satz über die Erlebnisse eines armen Menschen aus dem Mittelalter, an den ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann): »Wissen Sie eigentlich, dass es nur ein hebräisches Wort gibt, dass Sie sich wirklich merken müssen?«

      Kurs (in Erwartung des Witzes stumpf dreinblickend): »…«

      Professor: »Ich war ja nie wirklich gut in Hebräisch. Aber ein Wort habe ich mir gemerkt. Wenn Gott zu jemandem spricht, ist die Antwort, die man gibt, ein einziges Wort. Hineni. Mehr nicht. Das ist Hebräisch für Hier bin ich. Und da Gott ja offensichtlich vor allem Hebräisch spricht, habe ich mir schon als Student gedacht, dass es vielleicht ganz sinnvoll wäre, sich wenigstens das zu merken. Man weiß ja nie.«

      Ich weiß nicht, ob und wie oft Gott zu meinem Professor für Kirchengeschichte gesprochen hat. Oder wie die Gespräche


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