Follower. Gunnar Engel

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dies seine Hauptgebetssprache war. Aber vielleicht war das ja auch nur Ironie. Doch dieser eine Satz wurde für mich lebensverändernd. Denn genau dieses kleine Gebet benutzte Gott, um mich in den Wochen und Monaten nach meiner Aufnahme im Krankenhaus »auf links zu krempeln«.

      Ich schlief nachts auf meiner Bibel ein. Versuchte, so viele Verheißungen Gottes wie möglich aufzusaugen. Wie ein ausgetrockneter Schwamm lechzte ich danach, Gott als Heiler und Tröster zu erleben. Und immer wieder stolperte ich über diese Worte:

      Hier bin ich. Hier bin ich. Hier bin ich.

      Ich betete. Laut, leise, mit Tränen. Es ging inzwischen gar nicht mehr so sehr um die Zeit im Krankenhaus. Mit einem Mal war das Ganze deutlich größer geworden.

      »Hier bin ich« ist eine alte Weisheit. Viel älter als du oder ich. Älter als unsere Kirche. Sie steht schon ganz am Anfang der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Diese Art zu leben, führt uns an den Beginn unseres Menschseins. Und gleichzeitig ist sie neu, weil Gott unser Leben ständig und beständig erneuern wird. Wir Menschen sind so oft auf der Suche nach dem neusten Trend oder dem letzten Schrei. Auch ich dachte: Es muss doch ein Konzept geben, das mein Problem X löst. Aber jedes Mal warteten nur neue Enttäuschungen auf mich.

      Nun war es an der Zeit, loszulassen. Es war an der Zeit, dass ich mich ganz in Gottes Gnadenmeer fallen ließ mit der festen Hoffnung, dass er mich nicht ertrinken lassen würde.

      Damals begriff ich: Gott hatte mir die Auszeit gegeben, weil er etwas von mir wollte. Er wollte Veränderung. Er wollte mich. Und das war schmerzhaft, weil ich mir eingestehen musste, dass ich auf dem falschen Weg war. Dass ich viel zu lange eine ganze Menge an Masken getragen hatte. Weil ich perfekt erscheinen wollte. Weil ich geliebt werden wollte. Weil ich meine Bestätigung immer an den falschen Orten gesucht hatte. Es war die Sünde, perfekt sein zu wollen. Wie ein Bollwerk hatte ich diese Mauer um mich herum hochgezogen. Und dann zerbrach Gott all das.

      Ich ahnte noch nicht, dass die nächsten zweieinhalb Jahre die härtesten meines Lebens werden würden. Aber gleichzeitig waren es zweifellos die besten Jahre, denn ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt.

      Die neue Perspektive

      Wenn du deine Umstände nicht ändern kannst, ist es an der Zeit, die Perspektive zu ändern. Und was könnte für eine neue Perspektive hilfreicher sein, als auf einen Berg zu steigen?

      Nach meinem langen Krankenhausaufenthalt packte ich meinen Rucksack und war einige Tage in den Alpen unterwegs. Dazu muss man wissen, dass ich ein norddeutscher Jung bin. Ich hatte davor noch nie einen richtigen Berg gesehen – von hinaufklettern ganz zu schweigen. Entsprechend geschafft war ich, wenn ich abends auf der nächsten Hütte ankam, um mein Lager für diese Nacht zu beziehen. Ich lud meinen Rucksack ab, in dem sich alles befand, was ich auf dieser Reise dabei hatte. Es war ein wundervoller Tausch: ein Krankenzimmer mit Sicherheitsschleuse und Personal, das sich immer in Plastikanzüge kleidete, die ich sonst nur aus Filmen über Alieninvasionen kannte, gegen das offene Panorama der Alpen. Und so stand ich mitten in den Bergen, der kalte Nachtwind fuhr mir durchs Gesicht, und ich war mit einem Mal weit weg von allem Bekannten. Von allem, was mich festhielt. Wenn das mal kein Perspektivwechsel war!

      Ich blickte zu den Sternen und dachte an Abraham. Tausende Jahre zuvor hatte Gott zu diesem Mann gesagt: »Schau hinauf zum Himmel. Kannst du etwa die Sterne zählen?« (1. Mose 15,5). Gott verbindet die simpelsten Dinge zu einer Geschichte des Neuanfangs. Die Sterne am Himmel waren schon immer da. Abraham hatte sie schon unzählige Male angeschaut. Hatte vielleicht in einer ruhigen Minute versucht, sie zu zählen, immerhin hatte er kein Smartphone, um die Zeit totzuschlagen. Aber in dieser Nacht war alles anders. Gott gab ihm eine Verheißung. Das Versprechen, ihn an den Ort zu führen, an den er gehörte. Ihm Nachkommen zu schenken. Ein ganzes Volk, das aus ihm entstehen sollte.

      Ich blickte in den Himmel, wie Abraham es damals getan hatte. Er wusste nicht, wie es für ihn weitergehen sollte. Er wusste nicht, was der nächste Tag bringen würde. Er wusste nicht mal genau, wer er war. Er saß einfach nur irgendwo in der Wüste, hinter sich das Zelt, neben sich das Kamel, doch tief in ihm brannte das unauslöschliche Vertrauen, dass Gott jeden Moment seines Lebens in der Hand hielt. Dass es nichts gab, das außerhalb von Gottes Willen lag, und dass er sich einfach nur auf diesen Gott einlassen musste.

      Und in dieser Situation sprach er ein einfaches Gebet. Ganz leise sagte er die Worte in die Dunkelheit der Nacht. Hauchte sie beinahe, weil er wusste, dass Gott ihn hörte.

      »Hier bin ich.«

      Hier beginnt das Leben der Nachfolge: Wenn wir realisieren, dass Gottes Wille in jedem Moment alles trägt. Daraus wächst die unglaubliche Freude des christlichen Lebens. Es ist zugleich die Schönheit und die Ernsthaftigkeit der Nachfolge, dass sie immer nur im Hier und Jetzt möglich ist. Ich kann nicht in einem Moment der Vergangenheit nachfolgen und ich kann ebenso wenig jetzt sagen, was ich tun werde, wenn ich einmal in dieser oder jener Situation sein werde. Nachfolge ist immer nur jetzt möglich. Die Vergangenheit mag mich an diesen Punkt gebracht haben und die Zukunft ist das Ergebnis meiner heutigen Entscheidung. Aber nachfolgen kann ich einzig und allein in diesem Moment.

      Das mag simpel klingen, aber für mich war es eine großartige Entdeckung, denn es befreite mich zum einen davon, meine Vergangenheit ständig durchzuspielen, und zum anderen davon, mir die schlimmsten Szenarien für meine Zukunft auszumalen. Alles, was Gott von mir wollte, war mein Jetzt. Als ich mit diesem Gedanken in den Alpen umherwanderte, fühlte ich mich befreit. Es ging nur um diese Zeit. Alles andere konnte ich hinter mir lassen.

      Immer wieder habe ich mit Menschen gesprochen, die auf der Suche nach Gottes Willen waren: Für ihr Leben, ihren Beruf, ihre Ehe, ihre Gemeinde. Ich habe es genauso gemacht. Immer wieder. Bis zu diesem Moment der Hingabe. Mit einem Mal wurde mir klar, dass Gottes Wille viel einfacher ist, als ich dachte. Ich suche nicht nach seinem Willen, sondern ich antworte auf seinen Willen. Gott setzt sich durch. Im Hier und Jetzt.

      »Hier bin ich.«

      Abraham ist der Erste, der diese Worte in der Bibel spricht (1. Mose 22,1). Aber er ist bei Weitem nicht der Einzige. Eine lange Kette von Glaubenden haben dieselben oder ähnliche Worte gebraucht. Menschen, denen Gott begegnet ist. Menschen, die das dringende Bedürfnis hatten, immer mehr von Gott zu erfahren.

      Abraham sucht nach dem nächsten Schritt und folgt Gott auf dem Weg ins Unbekannte hin zu großen Verheißungen. Mose wird aus seinem Alltag geholt und führt eine neue Generation von Menschen zu Gott zurück. Samuel wird von Gott aus dem Schlaf gerissen und lebt als sein Prophet für ein taubes Volk. Jesaja steht mit allen Fehlern, Schwächen und Sünden vor Gott und wird ausgerüstet für Großes. Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen: Debora, Ruth und Ester, Gideon, David und Josia. Maria, die Mutter von Jesus, und Johannes der Täufer. Timotheus, Paulus, Lydia und Priscilla. All diese Menschen stellen sich in den entscheidenden Momenten Gott ganz zur Verfügung, weil sie wissen, worauf es ankommt, wenn Gott mit Macht in ein Leben bricht und mit Macht die Perspektive neu ausrichtet. Ein hebräisches Wort, drei kleine Worte auf Deutsch:

      »Hier bin ich.«

      Eine kleine Warnung

      Beim Wandern in den Bergen sah ich immer wieder Schilder mit Warnhinweisen, die unpassierbare Wege und steile Abhänge kennzeichneten. Entweder sollte man diese Wege gar nicht begehen oder nur mit einem gewissen Level an Erfahrung.

      Ein kleines Warnschild möchte ich nun auch hier aufstellen:

      Dein Leben wird sich verändern.

      Egal, wie schwach dein Glaube gerade ist – Gott ist stärker. Egal, wo du gerade herkommst und was du bisher erlebt hast – Gott ist größer. Egal, was du gerade über dich selbst denkst – Gott liebt dich.

      Ein schwacher Glaube braucht einen starken Gott. Und dieser starke Gott wird nach und nach an dir sichtbar werden. Die Menschen in deiner Nähe werden sehen, dass dein Leben sich verändert, seit du mit Gott unterwegs bist. Sie werden sehen und erkennen, dass sich dein Blick auf das Hier und Jetzt verändert hat. Dass du nicht mehr einfach nur als Reaktion auf deine Umwelt


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