Follower. Gunnar Engel

Follower - Gunnar Engel


Скачать книгу
viele Menschen leben ihr Leben ohne Sinn und Verstand vor sich hin. Sie drehen sich im Kreis und wandern taub durch die Wüste ihres Lebens. Auf dem Weg aus dem Krankenhaus zurück in meine Gemeinde wurde mir das deutlicher als je zuvor. Wir Menschen sind zerbrechlich und voller Sehnsucht.

      Wenn wir tief genug in uns hineinhorchen, stoßen wir darauf. In uns lebt die Sehnsucht, uns an etwas hinzugeben, das größer ist als wir selbst. Wir sind auf Hingabe angelegt.

      Hingabe heißt: Ich werde durch etwas Faszinierendes, das größer ist als ich selbst, dazu verlockt, mich loszulassen und mein Leben daran zu verschwenden. Gott zu finden und mit ihm zu leben, ist ohne den Preis der Hingabe nicht möglich. Und die Heimatlosigkeit, die Menschen immer wieder überfällt, hat nicht zuletzt auch etwas damit zu tun, dass sie sich nicht hingeben können oder wollen.

      Denn Hingabe ist gefährlich. Wenn ich von Hingabe spreche, meine ich keine Teil-Hingabe oder ein wenig Leidenschaft, sondern eine die ganze Person umfassende Hingabe. Eine Hingabe, die das ganze Sein verschlingt. Es ist die Sehnsucht nach etwas, an das ich mein Herz verlieren kann. Genau das ist jedoch immer mit Risiken verbunden. Es ist immer ein ungeheures Wagnis. Ich setze mich selbst aufs Spiel. Dabei kann ich alles gewinnen oder alles verlieren. Ich habe ja nur ein Herz.

      Aber erst wenn ich mein Herz verliere, finde ich mich. Wo mein Herz ist, da ist nämlich auch mein Zuhause, da gehöre ich hin.

      Und vielleicht stoßen wir damit an das eigentliche Geheimnis unserer Sehnsucht: Wir wollen wissen, wo wir hingehören – im Gelingen und im Scheitern, auf den Höhen und in den Tälern unseres Daseins, im Leben und im Sterben. Wir wollen irgendwo ganz »zu Hause« sein.

      Kennst du das? Dann bist du hier richtig. Denn alles beginnt mit einem Satz.

      Die wunderbarste Beziehung

      »Hier bin ich.«

      Diese drei Worte, die wunderschön miteinander verflochten sind, bilden einen der mächtigsten Sätze der Schrift. Tatsächlich würde ich es wagen, zu sagen, dass es einer der eindrucksvollsten Sätze ist, die wir jemals sprechen können. Aber wie kommt es, dass eine kleine Phrase so viel Macht hat? Wie können diese Worte deinen geistlichen Weg radikal verändern, indem sie Glauben und Mut entzünden, die anders sind als alles, was du je gekannt hast?

      Die folgenden Seiten und Kapitel wollen dich mitnehmen auf eine Reise durch deine Zweifel, den geistlichen Schluckauf und die Ängste, um aufzudecken, welchen Stellenwert Gott in deinem Leben wirklich hat.

      Dabei betrachten wir unterschiedliche Menschen in der Bibel, die die Worte »Hier bin ich« gesagt und mit eifrigem Gehorsam geantwortet haben, als Gott sie zum nächsten Schritt im Glauben berufen hat. Jeder von ihnen zeigt, wie es aussieht, Hindernisse zu überwinden und an den Punkt zu kommen, an dem wir den Ruf Gottes hören und entsprechend reagieren.

      Wir werden den Vorhang ihres Lebens zurückziehen und herausfinden, was sie bewegt hat. Wir werden untersuchen, wie sie bei ihrem Streben nach eigener Gerechtigkeit versagt haben, wo und wie Gott ihr Leben verändert hat und welche Bedeutung ihr »Hier bin ich« hat. Mein Gebet ist, dass du dadurch ebenfalls deine Stimme findest und sagst: »Gott: Hier bin ich. Sende mich.«

      Aber ich will dich nicht nur mit netten Geschichten inspirieren und sagen: »Jetzt streng dich ein bisschen mehr für Gott an!« Billige Magie und falsche Versprechungen haben wir in unserer Welt und zwischen zwei Buchdeckeln schon genug. »Hier bin ich« ist kein Zauberspruch oder ein Mantra, das du nur oft genug wiederholen musst, damit es wirkt. »Hier bin ich« sind Worte, die uns an etwas erinnern sollen. Sie sollen dich und mich immer wieder daran erinnern, wer Gott ist. Sie sollen uns immer wieder vor Augen halten, dass all unser Handeln ganz von Gott abhängig ist.

      Von den Nächten in meiner Gebetskammer aus Plastikfolie bis zu diesem Buch war es eine ziemlich lange Reise. Unterwegs habe ich Menschen getroffen, die genau wie ich auf der Suche nach einer neuen Begegnung mit Gott waren. Nach und nach haben wir uns gesammelt. Nicht um diese drei Worte, sondern um den lebendigen Gott, der sie hört. Gott hat uns in dieser Zeit eines unmissverständlich gezeigt: »Du wirst dich selbst nicht finden, wenn du mich nicht findest. Um herauszufinden, was der Sinn deines Lebens ist, musst du herausfinden, wer ich bin.«

      Die lange Kette von Menschen, die diesen Weg mit Gott gehen, reißt nicht ab. Immer wieder treffe ich Leute, die genau so leben. Mit ganzer Hingabe in der Nachfolge Gottes. Nicht nur für sich selbst, sondern als Ansporn für eine ganze Generation.

      Ich habe die Geschichten, in denen Menschen diese drei Worte gesagt haben, immer wieder gelesen. Hier bin ich. Hier bin ich. Hier bin ich. Sie sagten sie voller Angst, voller Vertrauen, mit Mut, mit Tränen. Da waren sie nicht anders als ich. Und jeder, der dieses Gebet sprach und es so meinte – über alle Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg – machte eine Erfahrung, die mit nichts anderem zu vergleichen ist: Gott antwortet auf dieses Gebet.

      Die DNA unseres Glaubens beinhaltet immer einen Hunger nach Gott. Eine Sehnsucht nach mehr. Das ist der Heilige Geist in uns. Er lässt uns nach dem eigentlich Unmöglichen streben. Er richtet uns auf und zieht uns immer wieder zu Gott. Und zugleich macht er es unmöglich, beim Altbekannten stehen zu bleiben. Genau da stoßen wir mit unseren christlichen Routinen an Grenzen. Dabei ist ein Leben mit Gott alles andere als bloße Routine. Die wunderbarste und tiefste Kommunikation findet nur statt, wenn ich mein Gegenüber kenne. In unserer zwischenmenschlichen Kommunikation macht das den Unterschied zwischen Small Talk und einem echten Gespräch. Gott ist nicht für Small Talk da. Gebete, Gespräche, Leben mit Gott sind alles andere als einseitig.

      Wir stehen an der Schwelle zum Himmel. Jesus wurde einmal von seinen Jüngern gefragt, wie sie beten können. Seine Antwort war das Vaterunser. »Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.«

      Gott hat alles im Griff. Er möchte, dass wir mit ihm leben. Dazu hat er uns in Jesus befreit.

      Also: Rauf auf den Berg! Stell dich deinen Ängsten. Mache Fehler. Lerne. Versuch es noch einmal. Erlebe, wie Gott mehr tut, als du dir jemals vorstellen könntest!

      imageTEIL 1: HIER

      Acht Jahre bevor ich in meiner Gebetskammer aus desinfizierten Folienwänden von Gott gerufen wurde, fiel die Tür meiner ersten Studentenbude ins Schloss. Der Umzug war geschafft. Ich war von zu Hause ausgezogen. Das Auto meiner Eltern fuhr weg und ich war allein.

      An meinen Schülerfantasien gemessen, hätte sich jetzt eigentlich eine ganze Menge an Gefühlen Bahn brechen müssen, von Freude bis Freiheit. Ich fing aber einfach nur an, zu weinen. Ich wusste in diesem Moment, dass ich noch oft umziehen würde. Wer wollte schon sein Leben lang in einer Studentenbude wohnen? Aber vor allem wusste ich, dass ich nie wieder in das Haus einziehen würde, in dem ich aufgewachsen war. Ich wusste, dass dieser Abschnitt meines Lebens für immer vorbei war. Und auch wenn mir das eigentlich vorher schon klar gewesen war, spürte ich es in diesem Moment mit ganzer Härte. Selbst wenn ich ein Dach über dem Kopf hatte, war ich auf eine gewisse Weise heimatlos geworden. Damit war ich in einem Grundzustand des Christseins angekommen.

      Es gibt eine Heimatlosigkeit, die durch und durch christlich ist. Denn Christen sind nicht mehr von dieser Welt, auch wenn sie in der Welt bleiben (Johannes 17,14-15). Die meisten von uns verstehen das abstrakt. Wir wissen, dass Jesus uns aus dieser Welt auserwählt hat (Johannes 15,19) und dass wir aufgefordert sind, hier auf der Erde nur als »Gäste und Fremde« zu leben (Hebräer 11,13).

      Trotzdem ist es schwierig, sich an die konkrete Erfahrung zu gewöhnen, dass es nie so richtig passt. Egal, wo wir sind, egal, was wir tun, wir sind Fremde und fühlen uns etwas fehl am Platz. Bis wir mit dieser Realität wirklich zurechtkommen, werden wir immer wieder Desorientierung empfinden und Enttäuschung.

      Stell dir einmal einen Karton vor und schreib in Gedanken darauf mit einem dicken Filzstift »Hier«. Es ist ein ziemlich großer Karton. Nicht bloß ein Schuhkarton oder eine der Abermillionen Amazon-Kisten, die täglich durch unser Land gefahren werden, sondern ein Riesenkarton für


Скачать книгу