Im Zweifel für Gott. Malte Detje
leibhaftig vor mir stehen und sprechen. Mein Mitchrist spricht hier nicht aus Willkür, sondern im Auftrag Jesu, der seiner Kirche gesagt hat: »Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten« (Johannes 20,23). Seine Vergebung ist Gottes Vergebung. Manchmal kommt mein Herz dabei mit und fühlt die Vergebung, manchmal aber auch nicht. Und das ist dann in Ordnung, denn ich weiß, sie gilt in jedem Fall.
Ob Matsch, die Farben des Regenbogens oder das Wort: Gott liebt es, Mittel zu benutzen, um mit uns zu kommunizieren. Weil er weiß, dass unser Herz hin und her geht, gibt er uns in seinem Wort einen deutlichen Einblick in sein Herz.
Aber müssen wir nicht auch daran glauben? Wenn du eben feinfühlig die Beichtliturgie gelesen hast, bist du vielleicht über eine Stelle gestolpert. Du wirst gefragt, ob du daran glaubst und sollst ein »Ja, das glaube ich« sprechen. Doch was ist, wenn du das nicht tust? Was ist, wenn du diesen Glauben nicht mehr in dir findest? Dieser Frage stellen wir uns nun in einem letzten Gedankengang. Wie ist das eigentlich mit dem Glauben?
Wenn es um den Glauben geht, kann uns vieles im Weg stehen. Für manch einen liegen die Zweifel auf der intellektuellen Ebene. Es gibt argumentative Gründe, die gegen das christliche Weltbild sprechen. Für andere sind die Zweifel existenzieller Art, wenn man persönliche Schicksalsschläge nicht mit dem Glauben an einen liebenden Gott vereinbaren kann.
So wichtig das alles ist, geht es uns an dieser Stelle um einen anderen Blick auf das Thema Glaube, nämlich um die Frage: Wie hängt unsere Vorstellung von Glaube mit unseren Gefühlen zusammen? Denn ich habe den Eindruck, dass unser Verständnis von dem, was Glaube ist, ebenfalls von jener Emotionalisierung des Christentums betroffen ist, die ich in diesem Kapitel zu beschreiben versuche.
Glaube ist für uns ganz selbstverständlich ein Teil unserer Gefühlswelt. »Zum Glauben kommen« ist für uns mit dem Gefühl verbunden, »dass Jesus in unser Leben tritt.« Fehlt diese Emotion, stellt sich die Frage: Glaube ich noch?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass Glaube nur die fromme Variante von Optimismus ist. Glaube ist eine starke, innere Gelassenheit, die feste Gewissheit im Herzen, dass Gott schon alles gutmachen wird. Aber was ist, wenn ich diese Gelassenheit und Gewissheit in mir nicht finde? Glaube ich dann?
Mir hilft eine kleine Geschichte, um besser zu verstehen, worauf es beim Glauben ankommt.7
Die richtige Tür
Für zwei Jungen, etwa zehn Jahre alt, ist es wieder einer dieser späten Feriennachmittage, an denen sie nicht so genau wissen, wohin mit sich. In der Dämmerung ziehen sie durch die Nachbarschaft, auf der Suche nach versteckten Abenteuern mit so mancher Dummheit im Gepäck. Am Ende der Straße steht ein Haus, das schon seit Jahren leer steht. Das Grundstück ist inzwischen verwildert. Jeder nennt es nur das »Geisterhaus« und es strahlt eine unheimliche Faszination aus. Irgendetwas zieht die beiden hierher.
Heute überschreiten sie die Grenze, von der sie wissen, dass sie sie eigentlich nicht überschreiten sollten. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen öffnen sie die quietschende Tür. Dann geht es die Treppe hoch, durch eine Tür, dann durch noch eine Tür. In ihrer Fantasie ist hier irgendwo zwischen den knarrenden Balken ein Schatz versteckt. Doch einen Schatz finden die beiden nicht. Stattdessen werden sie gefunden. Plötzlich hören sie ein unheimliches Geräusch, das schnell lauter wird. Schritte kommen immer näher.
Die beiden denken nicht nach. So schnell sie können, rennen sie zurück, durch die Türen hindurch und die Treppe hinunter. In der Luft ist der Staub und hinter ihnen kommen die Schritte immer näher. Mit pochendem Herzen kommen unsere Jungs im Erdgeschoss an. Doch zu ihrem Schrecken sehen sie vor sich nicht eine, sondern zwei Türen. Durch welche von beiden waren sie noch einmal hereingekommen?
Was die beiden nicht wissen: Nur eine der beiden Türen führt in die Freiheit. Die andere führt hinunter in den Keller, wo sie endgültig in der Falle säßen.
Die Frage lautet nun: Woran entscheidet sich, ob diese Geschichte gut ausgeht? Wie ist das mit ihrem Glauben?
Die beiden können mit dem größten Glauben und der höchsten Zuversicht auf die falsche Tür setzen und es würde ihnen nichts nützen. Ihr Optimismus würde sie nicht retten, wenn sie die Tür in den Keller wählten.
Oder sie könnten sich mit dem kleinsten Glauben für die richtige Tür entscheiden und alles würde gut. In ihrem Herzen ist nur ein »O nein, o nein, das geht bestimmt schief«. Aber solange sie die richtige Schwelle übertreten, wird ihnen nichts passieren. Es kommt also nicht auf die Stärke ihres Glaubens an, sondern ob die gewählte Tür die richtige ist.
So ist es auch mit dem christlichen Glauben. Es kommt nicht auf den Glaubenden an, sondern auf den, an den geglaubt wird: Jesus Christus. Er macht den Glauben stark. Wir haben einen starken Jesus, der von sich sagt: »Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden« (Johannes 10,9).
Ein starker Glaube ist also deshalb stark, weil Jesus als das Objekt des Glaubens stark ist, nicht du als das Subjekt. Wenn du auf Jesus als deine Lebenstür setzt, dann hast du einen starken Glauben, weil Jesus stark ist, nicht weil das stark wäre, was du als Gefühl in deinem Herzen findest.
Glaube ist kein geistliches Hochgefühl. Ganz im Gegenteil: Glauben bedeutet, schlicht Jesus zu vertrauen, gerade weil du deinem eigenen Herzen mit seiner Gefühlswelt nicht vertrauen kannst. Glaube ist eine Bankrotterklärung. »Ich allein schaffe es nicht und habe es nicht in mir. Deshalb brauche ich dich, Jesus.« Glaube ist keine geistliche Qualität, die du in dir findest, sondern er entsteht, wenn du merkst: Ich habe in mir keine geistliche Qualität und kann deshalb nur hoffen, dass Jesus genug ist.
Der Glaube ist die ausgestreckte Hand eines Bettlers, der nach Jesus als seinem letzten Strohhalm greift. Fühlst du dich geistlich wie ein Bettler? Als eine, die Gott nicht spüren kann? Als einer, der im Lobpreis nichts fühlt? Als eine, die Jesus nicht in ihr Herz lassen kann? Als einer, der wirklich nichts anderes hat als die Brotkrumen, die vom Tisch des Herren fallen?
Wenn Jesus der letzte Strohhalm ist, dann kann dein Glaube nicht größer sein.
Ich kann nicht glauben – Mias Geschichte
Vor einigen Jahren fand ich mich in einem Gespräch wieder, das mir bis heute nachgeht. Ich hatte einen Vortrag über »Glaube und Wissenschaft« vor einer Studentengruppe gehalten. 45 Minuten lang trug ich Argumente vor, warum es sinnvoll sei, an Gott zu glauben.
Hinterher kam eine junge Studentin auf mich zu. Nennen wir sie Mia. Mia sagt mir: »Weißt du, mit all dem heute Abend habe ich keine Probleme. Der Glaube an Gott erscheint mir vernünftig. Ich glaube an Jesus und dass er für mich gestorben ist. Aber irgendwie will es einfach nicht ›klick‹ machen. Ich spüre nichts. Ich glaube nicht.«
Das war der Beginn einer langen Unterhaltung. Mia erzählte aus ihrem Leben und wie sie aufgewachsen war. Sie war viele Jahre in eine christliche Jugendgruppe gegangen. Dort lernte sie ein Christentum kennen, das den Schwerpunkt ganz auf das Persönliche legte, auf das Gefühl und das, was im Herzen passiert. In ihrem Kopf war ein festes Bild entstanden, das aus Sätzen bestand wie: »Glaube, das kann man nicht erklären, man spürt es einfach«, »Du wirst es merken, wenn Jesus in dein Leben tritt«, »Wenn Gott dein Herz berührt und du ihm dein Herz schenkst, dann wirst du ein Christ«, »Christ werden, heißt Jesus in dein Herz zu lassen«.
Das hatte sehr viele schöne und faszinierende Seiten. Doch letztendlich trieb es Mia an den Rand der Verzweiflung. Denn all das fühlte sie so nie. Sie glaubte zwar an Jesus und dass sein Tod ihr galt, aber sie hatte das Gefühl, noch nicht zu dem Eigentlichen durchgestoßen zu sein. Sie konnte Jesus irgendwie nicht in ihr Herz lassen, obwohl sie das so sehr wollte. Sie hatte nie gespürt, wie Jesus in ihr Leben trat.
Gegen Ende des Gesprächs versuchte ich ihr eine Alternative zu eröffnen, stammelnd und etwas