Das Weiße Haus am Meer. Hannes Nygaard

Das Weiße Haus am Meer - Hannes Nygaard


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Bucht sichtbare Hochhaus der gleichen Kette. Bei guter Sicht zogen sich die Hochhaustürme an der ganzen Küste bis nach Fehmarn hin. Offenbar hatten viele Gemeinden ihren sichtbaren Fußabdruck hinterlassen wollen. Diese unseligen Hochhäuser traf man leider auch in vielen anderen Orten an, in denen es sonst nicht an Bauplätzen mangelte.

      Nun denn, dachte Lüder, wenn Hunde an jedem Baum ihre Duftmarke hinterlassen, dient es anderen Zwecken als der Nützlichkeit.

      Der Fahrbahnbelag wechselte in ein dunkles Rot. Hotels in Häusern, die den Stil der alten Bäderkultur bewahrt hatten, wechselten mit modernen Zweckbauten und Gebäuden, die durchaus auf phantasievolle Architekten schließen ließen. Dazu gehörte auch eine Appartementanlage mit großzügiger Vorfahrt und ovalem Grundriss. Direkt daneben lag das Rathaus.

      Lüder quetschte sein Fahrzeug in die letzte freie Parklücke und steuerte den Eingang des Gebäudes an, das mit einer Schmalseite zur Straße wies. Man hatte hier das Zweckmäßige mit dem Praktischen verknüpft. Im vorderen Bereich befand sich die Verwaltung, dahinter hatte man Appartements errichtet.

      Ein bunt bemalter Fisch in einem kleinen Beet mit Heidepflanzen begrüßte die Besucher, bevor sie in die Eingangshalle eintauchten.

      Lüder meldete sich beim Empfang an und bat darum, den Verantwortlichen der Verwaltung sprechen zu dürfen.

      Die Angestellte schenkte ihm ein freundliches Lächeln und fragte nach seinem Anliegen.

      »Landeskriminalamt Kiel.«

      »Das wäre unsere Bürgermeisterin, Frau Meyer«, sagte die Frau und bat um einen kleinen Moment Geduld.

      Lüder wandte sich den ausgelegten Prospekten zu. Kurz darauf sprach ihn eine Frau mit angenehmer dunkler Stimme an.

      »Sie möchten mich sprechen?«

      »Wenn Sie die Bürgermeisterin sind?«

      Sie reichte ihm die Hand und begrüße ihn mit einem festen Händedruck. »Astrid Meyer«, stellte sie sich vor.

      »Lüder Lüders« erwiderte er und nannte seine Dienststelle. Dann folgte er der sportlich wirkenden Frau mit den grauen Haaren und der modisch geschnittenen Kurzhaarfrisur.

      Sie bat ihn in ihr Büro und bot ihm Platz an.

      »Kriminalpolizei?«, fragte sie ohne das sonst übliche Erschrecken, das Menschen bei der Begegnung mit der Polizei zeigten.

      »Es geht um den geplanten Besuch eines ausländischen Würdenträgers«, formulierte Lüder neutral.

      »Ich habe davon gehört. Sie sind aber der Erste, der mit uns spricht. Sonst scheint es niemand für nötig zu halten. Was kommt auf uns zu? Und was haben wir zu bewerkstelligen?« Sie sah ihn fragend an. »Begeisterung weckt es bei uns nicht, dass der US-Präsident hierherkommt.«

      »Ich wollte von Ihnen hören, ob sich schon eine Behörde bei Ihnen gemeldet hat.«

      Astrid Meyer lachte kurz auf. »Das ist ein heilloses Durcheinander. Wie beim Straßenbau. Niemand ist zuständig. Andererseits aber wiederum alle.« Sie streckte die Hand in Lüders Richtung aus. »Wir freuen uns über jeden Gast in Timmendorfer Strand. Meine Mitarbeiter unternehmen alles, damit die Gäste sich hier wohlfühlen. Die Fürsorge gilt aber auch unseren Bürgern. Wir wollen und dürfen die Menschen nicht aus den Augen verlieren, nur weil ein Einzelner hierherkommen möchte. Ich gehe davon aus, dass er nichts, aber wirklich gar nichts von den Annehmlichkeiten unserer Gemeinde mitbekommen wird. Glauben Sie, der geht am Strand spazieren und weiß den Sand, die Luft und unsere Anlagen zu schätzen? Er bekommt doch nichts von unserer Infrastruktur mit. Und seine Frau – kommt die eigentlich mit? – wird das Angebot unseres Einzelhandels auch nicht zu würdigen wissen, ganz zu schweigen von unserem vielfältigen gastronomischen Angebot.« Die Bürgermeisterin schüttelte den Kopf. »Mit dieser Schnapsidee – wer ist eigentlich darauf gekommen? – bereitet man uns allen nur Ungelegenheiten.«

      Lüder lehnte sich zurück. Astrid Meyer hatte viele kritische Punkte angesprochen.

      »Zu Ihren Fragen: Ob die Gattin des Präsidenten ihn begleiten wird … Ich weiß es nicht.«

      »Sehen Sie«, fuhr Frau Meyer dazwischen. »Das ist es, was ich kritisiere.«

      »Der Gast wird sich in der Unterkunft einigeln. Ich gehe davon aus, dass er und sein Gefolge wenig vom Ort mitbekommen werden. Und anders als bei einem offiziellen Gipfeltreffen wird sich auch die Zahl der Journalisten in Grenzen halten.«

      Astrid Meyer stieß einen abfällig klingenden Laut aus. »Ich kann mir vorstellen, dass es viele Leute gibt, die ihn hier nicht willkommen heißen. Sagen Sie mal …« Sie beugte sich vertraulich über den Tisch zu Lüder herüber. »Wie kommt der eigentlich auf die Idee, Timmendorfer Strand zu besuchen? Wer hat ihm das eingeflüstert?«

      »Man munkelt, dass es verwandtschaftliche Beziehungen zu einer Ihrer Bürgerinnen gibt.«

      »Zu Hildegard von Crummenthal. Ich kenne die alte Dame persönlich. Eine reizende Person. Gebildet. Aber zurückhaltend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau von Crummenthal stolz auf diese Verwandtschaft ist.«

      Lüder ließ es unkommentiert.

      »Was geschieht nun? Werden Sperrbezirke eingerichtet? Worauf müssen wir uns einstellen? Im schlimmsten Fall kommt das öffentliche Leben zum Erliegen. Regeln Sie das seitens des Landeskriminalamts?«

      »Ich sondiere das Terrain nur am Rande«, versuchte Lüder seine Rolle kleinzureden.

      »An wen können wir uns wenden? Ich meine, es wäre hilfreich, wenn man sich mit uns an einen Tisch setzen würde. Wie gesagt: Es gibt hier nicht nur den einzelnen Besucher, sondern die Bürger unserer Gemeinde und unsere Gäste. Das öffentliche Leben erlischt. Wir können den Ort nicht für eine bestimmte Zeit zumachen. Wie soll das gehen?«

      Leider hatte Frau Meyer recht. Aufgrund der Kurzfristigkeit des Besuchs mussten die Verantwortlichen viel improvisieren. Zum Glück, überlegte Lüder, bin ich selbst bei diesem Tohuwabohu nicht involviert.

      Er warf einen Blick auf das gerahmte Foto an der Wand. Vor dem Hintergrund einer grandiosen Naturlandschaft schoss ein Geysir in die Höhe.

      »Island?«, fragte Lüder und zeigte auf das Bild.

      Astrid Meyer nickte mit einem träumerisch verklärten Blick.

      »Das Land unserer Sehnsucht«, sagte sie. »Mein Mann und ich lieben Island. Waren Sie schon einmal dort?«

      »Es ist immer noch eines unserer Ziele.«

      »Erfüllen Sie sich diesen Traum«, sagte die Bürgermeisterin. »Gleich nach Timmendorfer Strand und Umgebung ist es der zweitschönste Ort auf Erden«, meinte sie und begleitete die Aussage mit einem schwärmerischen Lächeln.

      »Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass es Einschränkungen geben wird«, wagte er zu prophezeien. »Straßen werden gesperrt werden. Und es wird eine Sicherheitszone errichtet werden.«

      »Prima.« In der Stimme der Bürgermeisterin schwang ein Hauch Resignation mit. »Sollen unsere Urlaubsgäste statt an der Ostsee am Hemmelsdorfer See promenieren? Müssen wir die Touristen während des Aufenthalts mit einem Buspendelverkehr ins Hansaland expedieren?« Sie lachte auf. »Wir könnten natürlich auch einen Besichtigungsparcours vor dem Crummenthaler Anwesen einrichten.« Sie malte mit ihren Händen großflächig in der Luft herum. »Nur für kurze Zeit: Disneyland in Timmendorfer Strand.«

      »Bitte?«, fragte Lüder.

      Das Lächeln ging in ein schallendes Gelächter über. »Er heißt doch Donald. Donald Duck zu Gast bei uns.«

      Lüder gefiel die dynamische Art der Bürgermeisterin. Er hatte keinen Zweifel, dass sie ihre ganze Energie für ihre Gemeinde und die Menschen dort aufwandte.

      »Ich werde Ihre Bedenken vorbringen«, sagte er zum Abschied und war froh, dass Astrid Meyer nicht an die dröhnenden Hubschrauber gedacht hatte, die zusätzlich über den mondänen und ruhigen Urlaubsort fliegen würden.

      Lüder


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