Das Weiße Haus am Meer. Hannes Nygaard

Das Weiße Haus am Meer - Hannes Nygaard


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den Personenschutz, beispielsweise der Königsfamilie, zuständig. Die Nachricht war Lüder zugeleitet worden, da er über gute schwedische Sprachkenntnisse verfügte.

      »Die Schweden sprechen alle hervorragend Englisch, schon als kleine Kinder, da die Filme in der Regel nicht synchronisiert werden«, erzählte er Dr. Starke und rief in Stockholm an.

      Kommissar Jonas Nyström war ihm von gemeinsamen Lehrgängen und vom Erfahrungstausch bekannt. Sie wechselten ein paar private Worte, bevor Nyström berichtete, dass ein Mann namens Gutiérrez unter falschem Namen aus New York in Stockholm eingereist war. »Er traf mit einem Airbus A330 der SAS von Newark kommend in Stockholm Arlanda ein. Er ist unter dem Namen Andrés Norales angekommen, angeblich Mitarbeiter einer Steuerberatung aus Panama. Wir haben es geprüft. Diesen Norales gibt es wirklich. Er ist aber nicht nach Europa geflogen. Gutiérrez hat sich in Arlanda einen Leihwagen genommen. Den hat man in Sundsvall gefunden. Danach verliert sich seine Spur. Man nimmt an, dass er über Dänemark nach Deutschland einreisen wird.«

      »Wie sind Sie auf Gutiérrez aufmerksam geworden?«, wollte Lüder wissen.

      »Wir haben unsere Quellen«, wich Nyström aus. Kein Sicherheitsdienst verriet diese.

      Lüder verschaffte sich Informationen über Rodrigo Gutiérrez. Der Mexikaner war neununddreißig Jahre alt und galt nicht nur in seiner Heimat als einer der meistgesuchten Verbrecher. Er stammte aus der Colonia Anapra, einer Armensiedlung in Ciudad Juárez, der Millionenstadt an der Grenze gegenüber El Paso. Das erinnert mich an John Wayne, dachte Lüder. Der Rio Grande – oder Rio Bravo, wie die Mexikaner ihn nannten – war der Grenzfluss zwischen den beiden Städten. Lüder stockte bei der Aussprache des Bundesstaates, der Texas gegenüberlag. Chihuahua.

      Der US-Präsident führte unter anderem als Argument für den geplanten Grenzzaun zu Mexiko den großen Rauschgiftschmuggel an. Mexiko galt als Transferland. Zwischen den Drogenkartellen untereinander, aber auch mit der Polizei und dem Militär wurde ein regelrechter Krieg geführt. Man ging von einer Viertelmillion Mordopfer in den letzten zwölf Jahren aus. Allein im ersten Halbjahr 2019 zählte man fast fünfzehntausend. In ganz Deutschland kommen wir auf etwa vierhundert Mordopfer, überlegte Lüder. Aber in einem ganzen Jahr. Korrupte Polizeieinheiten mischten in Mexiko munter mit. Rodrigo Gutiérrez hatte mit Hilfe eines Paters den Weg aus den Slums geschafft und war Polizist geworden. Er hatte sich durch sein konsequentes Vorgehen, das man eher mit »brutal« übersetzen konnte, einen Namen gemacht und war dadurch ins Visier der Drogenbosse geraten. Statt ihn zu eliminieren, hatte man ihn umgedreht. Seit sechs Jahren war er als gefürchteter Auftragskiller des Drogenkartells unterwegs. Ihm wurden fast einhundert Morde nachgesagt. Er galt auch als Spezialist für schwierige Aufträge. Dabei half ihm seine Spezialausbildung in seiner Heimat und beim FBI. Nun hatte man Gutiérrez auf den amerikanischen Präsidenten angesetzt.

      Es war zu dieser späten Stunde still geworden im LKA. In Nathusius’ Büro hatten sich Dr. Starke, Kriminaloberrat Gärtner und Lüder eingefunden. Sie lauschten Lüders Bericht über seine Besuche bei Hildegard von Crummenthal und der Bürgermeisterin, nahmen die Bedenken der beiden entgegen und bekundeten, dass es nicht in der Macht dieser Runde lag, Maßnahmen zu ergreifen, die etwas an der Situation ändern würden.

      »Es gibt viele, die zurückstehen müssen«, stellte Nathusius fest. »Ich verstehe die Skepsis Frau von Crummenthals. Auf die Belange der Nachbarn, der Einwohner und Feriengäste wird keine Rücksicht genommen.«

      »Das ist ein Unding«, beklagte sich Lüder. »Da hat ein Einzelner eine Schnapsidee, und alles gerät aus dem Gleichgewicht. Es geht nicht nur um die Beeinträchtigung vieler Menschen, es entstehen auch immense Kosten. Wer kommt dafür auf?«

      »Es gibt Fragen, Herr Dr. Lüders«, erwiderte Nathusius, »deren Beantwortung nicht in unserer Verantwortung liegt. Lassen Sie uns den Fokus auf die Aspekte der Sicherheit legen. Welchen Beitrag können wir Schleswig-Holsteiner leisten?« Er sah nacheinander die Männer in der Runde an.

      »Ich denke, diese Frage ist Teil einer konzertierten Aktion, an der das BKA mit seiner Sicherungsgruppe, aber auch die Bundespolizei maßgeblich beteiligt sind. Wir spielen nur die zweite Geige«, sagte Gärtner.

      »Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, unser Scherflein dazu beizutragen«, mahnte Dr. Starke.

      »Wir werden aufgefordert werden, Personal zur Verfügung zu stellen«, sagte Nathusius. »Ich werde mich darum kümmern und mit dem Landespolizeidirektor sprechen, in welchem Rahmen wir Einsatzkräfte für die Objektsicherung bereitstellen können. Abhängig von der Analyse der Gefährdungslage ist hierzu auch die Heranziehung weiterer Kräfte aus anderen Bundesländern denkbar. Die Bundespolizei kann das nicht allein übernehmen.« Jochen Nathusius musste sich keine Notizen machen. Er würde sich zuverlässig um diese Fragen kümmern.

      »Ich übernehme für uns die Koordination zu den anderen Sicherheitsbehörden«, sagte Dr. Starke, und Gärtner wollte sich um eine Zusammenstellung der potenziellen Gefährder bemühen.

      »Dann versuche ich, etwas über den Verbleib von Gutiérrez herauszufinden«, sagte Lüder. »Ich spreche mit der Bundespolizei, damit man Flug- und Fährhafen sowie die Bahnreisenden und die Grenzübergänge kontrolliert. Das wird Begeisterung bei den Reisenden, aber auch bei den Speditionen wecken, wenn es zu Staus auf den Straßen kommt, nur weil ein Einziger eine beleidigte Leberwurst spielen musste und den Dänen und ihrem NATO-Gipfel eins auswischen will.« Er faltete die Hände und sah mit dramatischem Blick zur Zimmerdecke empor. »Lieber Gott, manchmal bist du ungerecht. Wenn Onkel Donald unbedingt Urlaub am Timmendorfer Strand machen möchte, dann soll er dort für sich und seinen Bodyguard ein schickes Hotel buchen, die Nachtruhe einhalten und nicht vergessen, die Kurtaxe zu bezahlen. Aber nein! Und Berlin wedelt eilfertig mit der Parfümflasche hinterher, wenn dieser Mensch einen Darmwind entlässt, sei es auch nur der Marke Twitter.«

      Nathusius lächelte. »Ich weiß um Ihren Hang, Sachverhalte dramatisch zu unterstreichen, aber in diesem Fall sind die Berliner genauso überrollt worden wie wir. Und wenn eine solche Persönlichkeit solche Wünsche äußert, muss der ganze Apparat funktionieren. Wir sind ein Teil davon. Und unsere Zahnräder greifen präzise ineinander. Davon bin ich überzeugt«, sprach der Leitende Kriminaldirektor das Schlusswort, bevor sich die vier Männer in den wohlverdienten Feierabend begaben. Mittlerweile hatte der neue Tag begonnen.

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