Wechselgeld für einen Kuss. Ruth Gogoll

Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll


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mir einen Strauß zusammenstellen, der ein Frauenherz zum Schmelzen bringt?«, fragte Lian.

      Die Floristin blickte sie irritiert an.

      Lian lachte. »Keine roten Rosen, bitte. Das wäre zu banal. Sie ist eine . . . ganz besondere Frau.«

      Endlich hatte die Floristin ihre erste Überraschung überwunden. »Ihre Frau?«, fragte sie.

      »Leider nein«, erwiderte Lian schmunzelnd. »Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«

      Nachdenklich betrachtete die Blumenfachfrau die verschiedenen Vasen, die das Angebot ihres Geschäfts enthielten. »Blaue Iris vielleicht«, sagte sie. Sie schaute Lian fragend an. »Mag sie Blau?«

      Lian zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Habe sie eben erst kennengelernt.«

      »Oh.« Das warf die Floristin offensichtlich in ihrer Planung zurück. »Blaue Iris bedeuten Ich stehe mit meinem ganzen Sein zu dir. Dafür ist es dann vielleicht noch etwas früh.«

      Amüsiert lachte Lian auf. »Ja, ich glaube, da muss ich noch etwas Geduld haben.« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Obwohl das wirklich nicht meine starke Seite ist.«

      »Geduld«, nahm die Blumenhändlerin den Faden auf. »Das wären Veilchen.«

      »Veilchen?« Ein lautes Lachen verließ Lians Lippen. »Ich soll ihr Veilchen schicken?«

      »Sie sollen gar nichts.« Die Floristin hob die Hände. »War nur ein Vorschlag.« Etwas bedauernd lächelte sie. »Die Blumensprache ist ja auch aus der Mode. Die versteht heute niemand mehr.«

      Kurz überlegte Lian. Dann fühlte sie, wie ihre Mundwinkel zu zucken begannen. »Doch, sie wird es verstehen«, sagte sie. Sie amüsierte sich köstlich bei dem Gedanken. »Veilchen sind auf jeden Fall keine roten Rosen. Die sie garantiert von jeder anderen bekommen hat und bekommen würde.«

      Die Blumenhändlerin fühlte sich für eine Entscheidung in dieser Hinsicht offensichtlich nicht zuständig und wartete einfach ab, was Lian als Nächstes sagen würde.

      »Gut«, sagte Lian. »Veilchen. Kann man daraus überhaupt einen Strauß machen?«

      Nun zuckten die Mundwinkel der Floristin fast genauso wie Lians zuvor. »Ich kann aus allem einen Strauß machen«, versprach sie selbstbewusst.

      Lian nickte. »Dann tun Sie das doch, bitte. Und dann schicken Sie die Veilchen«, sie musste erneut lachen bei der Vorstellung, wie Nicolas Gesicht aussehen würde, wenn sie diesen Strauß bekam, »an diese Adresse hier.«

      Sie griff nach einem Werbeprospekt, suchte eine unbedruckte Stelle und schrieb Nicolas Namen und Adresse darauf. Außerdem zog sie eine Grußkarte aus dem Ständer vor der Verkaufstheke und schrieb darauf: Erwarten Sie mich heute Abend. Ich komme über den Balkon. Das Ganze verzierte sie mit zwei ineinander verschlungenen großen Ls.

      Es fiel ihr wirklich schwer, ihre zuckenden Mundwinkel zu beherrschen, als sie der hilfreichen Blumenfrau die Karte überreichte. »Und was macht das jetzt alles zusammen?«

      Die Floristin nannte ihr den Preis, Lian bezahlte, verabschiedete sich und verließ das Geschäft.

      Kaum glitt die Glastür hinter ihr zu, spitzte sie die Lippen und begann gutgelaunt zu pfeifen, während sie erwartungsvoll vor sich hinlächelte.

      Das versprach ein interessanter Urlaub zu werden.

      3

      Nicola kochte innerlich schon seit zwei Stunden, es brodelte förmlich in ihr, und die Blasen schlugen immer höher, seit sie diesen . . . Blumenstrauß – sie gab ein abschätziges Geräusch von sich, als sie das Wort nur dachte – bekommen hatte. Und diese Karte . . .

      Am liebsten hätte sie irgendetwas an die Wand geworfen. Aber ehrlich gesagt war sie nicht sehr mit weltlichen Gütern gesegnet, und sie brauchte alles, was sie hatte. Und dann noch für diese . . . Lian. Nein, das war die Frau nicht wert. Wütend biss sie die Zähne zusammen.

      In diesem Moment klingelte es an der Tür. Nicola überlegte, ob sie überhaupt öffnen sollte. Lian hatte gesagt, sie wollte über den Balkon kommen – weshalb Nicola sowohl die Tür als auch das Fenster verriegelt hatte –, also konnte sie es nicht sein. Sie hätte dann wohl eher ans Küchenfenster oder die Balkontür geklopft. Zumindest hätte Nicola sie gehört, wenn sie sich heraufschwang. Und sonst kannte sie noch niemanden so richtig in dieser Stadt oder in diesem Haus.

      Es klingelte noch einmal, und diesmal wurde das Klingeln von einer Stimme begleitet. »Frau Harnoncourt? Sind Sie da? Könnte ich mir von Ihnen ein bisschen Zucker leihen?«

      Das war eine Nachbarin, die sie bereits kennengelernt hatte. Nicola biss sich auf die Unterlippe. Normalerweise hatte sie nicht viele Vorräte, das konnte sie sich gar nicht leisten, aber Zucker konnte man nun einmal nur in relativ großen Packungen kaufen, und sie hatte genügend übrig, um ihrer Nachbarin etwas davon abzugeben.

      Allerdings hatte Nicola den Verdacht, dass der Zucker lediglich ein Vorwand war. Auch wenn sie noch nicht lange hier wohnte, aber diese Nachbarin wusste eigentlich alles, was im Haus vor sich ging, das hatte Nicola schon mitbekommen.

      Merkwürdigerweise fand Nicola sie trotzdem nicht unsympathisch. Diese begeisterte Ehefrau und Mutter hatte trotz ihrer offensichtlichen Neugier, die sie auch gar nicht versteckte, etwas Erfrischendes. Also öffnete Nicola ihr.

      »Guten Abend, Frau Schindler«, begrüßte sie sie zwar immer noch leicht genervt, aber trotzdem durchaus freundlich. Seltsamerweise hatte Frau Schindler so eine beruhigende Ausstrahlung, dass sie selbst Nicola alle aufmüpfigen Gedanken vergessen ließ, die sonst sehr schnell in ihr aufloderten. »Wie viel Zucker brauchen Sie denn?«

      »Vierzig Gramm.« Frau Schindler lächelte. »Stellen Sie sich vor, ich will Pudding machen als Nachtisch, mache das Päckchen auf, und dann erst sehe ich, dass ich keinen Zucker mehr habe. Nun steht alles fast fertig da, die Milch hat schon gekocht, alle warten auf den Pudding, und ich . . .«, sie lachte, »bin mal wieder eine schlechte Hausfrau.« Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf. »Das ist aber nichts Neues, deshalb stört es mich auch gar nicht. Mein Mann und meine Kinder sind sowieso daran gewöhnt.« Ihre Augen strahlten, als hätte sie gerade eine höchst erfreuliche Erfolgsgeschichte erzählt.

      Ganz gegen ihren Willen und ganz sicher entgegen ihrer Stimmung in den letzten Stunden musste auch Nicola lachen. »Ich hole Ihnen schnell den Zucker. Warten Sie kurz.«

      Sie lief rasch in die Küche, griff sich eine Tasse, schüttete den Zucker hinein und brachte die Tasse wieder zur Tür.

      Dort hätte sie sie allerdings fast fallengelassen.

      Frau Schindlers strahlende Augen richteten sich vor der Wohnungstür nämlich gerade auf eine große Frau, die neben ihr stand. »So sportlich möchte ich auch mal sein«, verkündete sie seufzend und warf einen entsagungsvollen Blick auf Nicola, der dann wieder zu Lian zurückschwenkte. »Wie Sie da an den Balkonen hinaufgeklettert sind . . .«

      Natürlich hatte sie das mitbekommen, dachte Nicola. Konnte ja auch gar nicht anders sein.

      »Gut, dass Sie keine Einbrecherin sind«, fuhr Frau Schindler fort. Plötzlich stutzte sie und zog die Stirn kraus. »Sind Sie doch nicht, oder?«, fragte sie etwas verunsichert nach.

      »Nein, bin ich nicht«, erwiderte Lian lächelnd.

      Und schon lachte Frau Schindler wieder. »Na, dann bin ich ja beruhigt. Sonst hätte ich jetzt immer darauf achten müssen, alles abzuschließen, und ich bin doch so furchtbar schusselig.« Sie griff nach der Tasse, die Nicola immer noch in der Hand hielt. »Darf ich? Meine Kinder haben sich so auf den Pudding gefreut.« Sie zwinkerte erst Nicola und dann auch Lian zu. »Und besonders mein Mann. Er ist eigentlich das größte Leckermaul von allen.«

      Auch wenn man ihr ansah, dass sie gern noch geblieben wäre, um mehr über Nicola zu erfahren und vielleicht als spezielles Leckerchen sogar auch noch über Lian, verabschiedete sie sich nun mit der Tasse in der Hand in den ersten Stock hinunter, wo


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