Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Es hatte sie nicht interessiert, was vor ihr gewesen war. Er hatte sie geheiratet, und ja, sie hatte das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen. Sie hatte es genossen, auf einmal reich zu sein.

      Doktor Heinz Rückert, von Beruf Notar, zudem Sohn aus begütertem Hause, war nicht ihre erste Wahl gewesen. Ihre Freunde vorher, waren im Gegensatz zu ihm attraktiv und amüsant gewesen. Aber leider hatten sie kein Geld, und deswegen redete sie sich den eher biederen und langweiligen Heinz schön. Inzwischen hatte es sich geändert. Sie wusste, was sie an ihm hatte, und im Laufe der Jahre hatte sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt, sie mochte Heinz. Und Liebe? Ganz so richtig wusste Rosmarie nicht, was das wirklich war. Früher hatte sie Liebe mit Begehrlichkeit verwechselt. Und wenn sie an ihre Eltern dachte, da hatte es nicht die Spur von Liebe gegeben, sie hatten sich viel gezankt, und da war es in erster Linie um Geld gegangen, von dem sie immer viel zu wenig hatten. Und sie kam aus einfachen Verhältnissen. Ihr Ehrgeiz, aus diesem Milieu herauszukommen, hatte sie vorangetrieben, und es konnte durchaus sein, dass das sie ein wenig hart gemacht hatte und sie nicht liebevoll war, besonders ihren Kindern gegenüber nicht.

      Warum dachte sie jetzt an ihre Vergangenheit?

      Warum dachte sie an den nicht gerade rühmlichen Beginn ihrer Beziehung?

      War es ein aufkommendes schlechtes Gewissen?

      »Heinz, ich …, es tut mir leid, ich habe dich wirklich nicht gefragt, aber du …, du hast mir auch keine Fragen gestellt.«

      Er blickte sie an.

      »Doch, Rosmarie, das habe ich. Aber du hast immer alles abgeblockt. Du wolltest nicht über deine Vergangenheit reden, weil du dich geschämt hast, aus einfachen Verhältnissen zu stammen. Glaubst du nicht, dass ich das wusste? Aber es hat mir nichts ausgemacht. Du warst so anders als die Frauen, die ich vor dir kannte. Es gab nur eine, die mein Herz berührt hat, die ich über alles geliebt habe, und das war Adrienne. Mit dir glaubte ich, über diese Liebe hinwegzukommen. Und das ist auch gelungen. Du hast mich wegen meines Geldes genommen und ich dich, um vergessen zu können. Wir hatten beide etwas davon. Und findest du nicht auch, dass wir uns im Laufe der Jahre ganz schön zusammengerauft haben?«

      Diese Stunde der Wahrheit hatte Rosmarie nicht erwartet. Sie und Heinz hatten noch nie zuvor so offen miteinander geredet. Sie war verwirrt. Sie musste kein schlechtes Gewissen haben, Heinz war nicht anders gewesen. Sollte sie jetzt verletzt sein, weil ihr Ego nicht verkraften konnte, dass er sie nicht aus Liebe geheiratet hatte?

      Was sollte das bringen?

      Und er hatte recht, es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit gewesen, und es war aufgegangen.

      Ahnte er ihre Gedanken?

      Nun, er kannte sie. Rosmarie konnte ganz gut austeilen, einstecken konnte sie nicht.

      »Rosmarie, wir müssen uns jetzt deswegen nicht mehr die Köpfe heißreden. Du bist meine Frau, und ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben. Wir haben zwei großartige Kinder und liebe Enkel, und über die Partner unserer beiden müssen wir uns auch nicht beklagen.«

      Er machte eine kleine Pause.

      »Ich bin froh, dass das alles jetzt einmal zur Sprache kam. Jetzt können wir unter die Vergangenheit einen Strich ziehen und von vorne anfangen. Offen und ehrlich. Rosmarie, du bist eine großartige Frau, und ich möchte dich nicht verlieren.«

      Das klang schön und versöhnlich.

      Sie blickte ihren Mann an.

      »Heinz, das möchte ich doch auch nicht. Und das sage ich jetzt nicht wegen des komfor­tablen Lebens, das ich an deiner Seite habe, sondern das sage ich, weil ich …, ich kann mir ein Leben ohne dich wirklich nicht vorstellen. Ich weiß, was ich an dir habe.«

      Er stand auf, ging um den Tisch herum, zog sie zu sich empor, nahm sie in die Arme, und dann küsste er sie.

      Und das fühlte sich so richtig gut an.

      *

      Die Kinder waren im Bett, Stella und Jörg Auerbach waren allein. Jörg hatte sich keine Arbeit mit nach Hause gebracht, sie hatten keine Verpflichtungen, mussten nirgendwo hin, sondern hatten sich vorgenommen, sich einen gemütlichen Abend zu machen.

      So ganz für sich allein waren sie schon eine ganze Weile nicht mehr gewesen, und deswegen freuten sie sich so und wollten ihre Zweisamkeit auch genießen. Jörg machte viele Überstunden, war häufig geschäftlich unterwegs. Sie trafen sich oft mit Ricky und Fabian und den Kindern. Und nun gab es ja auch noch Cecile, ihre Halbschwester, die plötzlich in ihr Leben geschneit war und mit der sie sich sehr gut verstanden. Das war wirklich sehr überraschend für Stella und Jörg gewesen, aber für ihren Vater ja auch, der von Cecile nichts geahnt hatte. Ja, und dann war es hier und da unumgänglich, die Eltern und Schwiegereltern zu besuchen. Und da musste peinlich darauf geachtet werden, dass keiner zu kurz kam. Das hatte man davon, wenn man so eng miteinander verbandelt war wie die Auerbachs und die Rückerts. Fabian Rückert hatte Ricky Auerbach geheiratet. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und Stella Rückert und Jörg Auerbach hatten es ihnen ein wenig später nachgemacht. Bereut hatten sie es alle nicht. Sie verstanden sich wunderbar. Na ja, das Verhältnis zu ihren Eltern fand Stella sehr schwierig, und ihr Bruder fand es noch schwieriger.

      Tja, wenn es um die Liebe von den Kindern zu ihren Eltern ging, da konnte man nicht einfach einen Schalter umschalten und plötzlich Gefühle entwickeln. Sie waren sich während ihrer ganzen Kindheit über Kinderfrauen oder sich selbst überlassen gewesen, und das rächte sich jetzt.

      Aber dennoch …

      Stella fuhr brav jede Woche zu ihren Eltern, brachte ihnen selbst gebackenen Kuchen.

      Jörg kam mit einer Flasche Rotwein ins Wohnzimmer, wo Stella es sich bereits auf der Couch gemütlich gemacht hatte.

      »Oh, du hast die Gläser bereits bereitgestellt, mein Schatz«, sagte er, warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. »Dann können wir ja jetzt zum gemütlichen Teil übergehen. Ich habe uns aus dem Weinkeller einen ganz besonderen Rioja hochgeholt, der dir bestimmt schmecken wird. Du liebst ja spanische Rotweine.«

      Sie hätte mit Jörg jetzt gern über ihre Mutter reden wollen. Doch das konnte sie jetzt wirklich nicht tun. Er war so aufgeräumt, so gut gelaunt. Es musste warten.

      Stella sah, wie er den tiefroten Wein in die wunderschönen Kristallweingläser schenkte, die sie gekauft hatte, nachdem sie von ihrer Tante Finchen eine Menge Geld geerbt hatte. Tante Finchen, von der jeder geglaubt hatte, dass sie gerade mal so zurechtkam. Sie war aus der Familie die Einzige gewesen, die sich um Tante Finchen gekümmert hatte, sie hatte sie eingeladen, an Ostern und Weihnachten war sie immer bei ihnen. Und dafür war sie Jörg heute noch dankbar, dass er das mitgemacht hatte. Tante Finchen war ziemlich schwierig gewesen. Alle waren sie aus allen Wolken gefallen, als plötzlich ein Testament auftauchte, in dem sie als Alleinerbin eingesetzt worden war.

      Sie hatte sich gefreut, war glücklich und gerührt gewesen. Und natürlich unendlich dankbar. Jörg hatte sich für sie mitgefreut, und er wollte von dem plötzlichen Geldsegen nichts haben. Das war ihr Geld, sie hatte sich gekümmert.

      Stella mochte nicht daran denken, dass nicht alle es so aufgenommen hatten. Fabian und Ricky auch, aber ihre Eltern …, die waren wütend gewesen und der Meinung, das Geld stünde ihnen zu.

      Aus, vorbei.

      Sie mochte nicht mehr daran denken. Dass sie überhaupt darauf gekommen war. Vermutlich wegen der Weingläser, die sie nur für besondere Anlässe aus dem Schrank holten.

      Jörg setzte sich neben sie, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte: »Auf einen schönen Abend, mein Schatz, ich freue mich. Und ich denke, es ist auch mal wieder an der Zeit, dir zu sagen, wie glücklich ich mit dir bin.«

      In diesem Moment wurde sie von ihren Kindern unterbrochen, die nicht einschlafen konnten. Stella war dankbar, dass Jörg sich ihrer annahm, sie beruhigte und zurück ins Kinderzimmer brachte.

      Alles war gut!

      Sie und Jörg zogen an einem Strang, und da gab es keine Eifersüchteleien.


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