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Symbolische Beziehungen sind das Ergebnis der individuellen Lerngeschichte eines Menschen. Die Lerngeschichte funktioniert durch Hinzufügen, nicht durch Wegnehmen. Versuche, symbolische Beziehungen, die Leid hervorrufen, zu vermeiden oder loszuwerden (z. B. Erinnerungen an Traumata, Sorgen, geringes Selbstvertrauen) haben häufig paradoxe Effekte, weil sie genau das vermiedene symbolische Netzwerk aktivieren und weiter ausbauen.
• Erlebnisvermeidung funktioniert langfristig nicht. Sie erfordert große Anstrengung. Die Vermeidung symbolischer Ereignisse hält Menschen von wichtigen Bereichen ihres Lebens fern (z. B. vermeiden sie intime Beziehungen, um Abstand zu traumatischen Erinnerungen zu halten).
• Menschen lernen, indem sie Kontingenzen konkret erfahren oder indem sie mit Beschreibungen von Kontingenzen in Kontakt kommen (Regeln oder Instruktionen). Das Lernen durch Regeln und Instruktionen ist häufig effizienter, aber es macht weniger sensitiv für Veränderungen der Kontingenzen (z. B. suchen sich Menschen Restaurants anhand von Kritiken aus und bemerken dann nicht, dass sich die Qualität des Essens mit der Zeit verschlechtert).
• Mangelnde Sensitivität gegenüber sich verändernden Kontingenzen kann zu ineffektiven Formen von Beharrlichkeit führen (z. B. hoffen Patienten, dass eine Depression sich verbessert, wenn sie den ganzen Tag über im Bett bleiben, obwohl sich die Depression dadurch tatsächlich verschlechtert).
• Sprache als Netzwerk symbolischer Beziehungen hat eine inhärente Kohärenz. Sprache verlangt von den Nutzern, dass sie Kohärenz durch die Konstruktion von Logik und Sinn aufrechterhalten. Sprache filtert die meisten Interaktionen mit der Umwelt. Dies kann zu drei Formen von therapeutisch relevanten Problemen führen:
– Verzerrung von Erfahrungen, um die Kohärenz von Ideen und Überzeugungen aufrechterhalten zu können (z. B. Vermeidung von Situationen, die Unsicherheit auslösen, oder Überhören von Kritik, um Selbstvertrauen zu erhalten).
– Lernen und Problemlösen ausschließlich durch Sprache, auch in Situationen, in denen direkte Erfahrung effizienter ist (z. B. Grübeln über vergangene Fehler anstatt Wiedergutmachen eines tatsächlich entstandenen Schadens).
– Ausschließlicher Verlass auf Kohärenz (d. h. die Konstruktion von Sinnhaftigkeit) als alleinige Richtschnur bei gleichzeitigem Verzicht darauf, die Effektivität des eigenen Verhaltens zu überprüfen (z. B. streitet ein Paar darüber, wer Recht hat, auch wenn dies das Vertrauen in die Liebesbeziehung zerstört).
• Die Fähigkeit, symbolische Beziehungen aufzubauen, versetzt den Menschen in die Lage, Motivation aus entfernten und abstrakten Konsequenzen zu ziehen. Dies kann eine wesentliche Quelle von Zufriedenheit sein, die sich beispielsweise dann einstellt, wenn man hart arbeitet und sich der Erfolg Jahre später einstellt, oder ein Verhalten, das im Einklang mit wichtigen eigenen Werten steht, jedoch zunächst schmerzhafte Konsequenzen mit sich bringt. Die Fähigkeit, symbolische Beziehungen aufzubauen, kann aber auch zu Adaptive Peaks führen. Dies gilt dann, wenn die vorteilhaften Konsequenzen, die auf ein Verhalten folgen, mit einem hohen Preis assoziiert sind, oder das Erreichen noch wichtigerer Quellen des Wohlbefindens verhindern. Beispielsweise kann das Einhalten einer strengen Diät zu einem befriedigenden Gefühl von Kontrolle führen, aber auch die Gesundheit schädigen und verhindern, gemeinsam mit anderen in angenehmer Atmosphäre zu essen.
• Der Ansatz der Relational Frame Theory führt zu wichtigen Konsequenzen für die Psychotherapie:
– Symbolische Beziehungen sind zentral für alle komplexen menschlichen mentalen Konzepte und Kognition. Dazu zählen Gedächtnis, Stimmung, Überzeugungen, Selbstregulation, Selbstkonzept, Bewusstsein und Werte. Daraus folgt, dass alle Formen menschlichen psychologischen Leids mit Hilfe der Prinzipien der Relational Frame Theory analysiert werden können.
– Alle Methoden der Psychotherapie nutzen Sprache, selbst wenn sie den Einsatz von Worten, Regeln und Anweisungen beschränken. Die Prinzipien der Relational Frame Theory sind deshalb für jede Therapie, unabhängig von der angewandten Methode, relevant.
– Die grundlegenden Prinzipien der Relational Frame Theory sind relativ einfach, aber die Kombination dieser Prinzipien versetzt Therapeuten in die Lage, auf hohem Niveau von Komplexität zu verstehen und zu intervenieren.
– Sprache ist ein machtvolles Werkzeug, um Aufmerksamkeit zu lenken und zu fokussieren. Dies kann zu einer verminderten Wahrnehmung von anderen Elementen des Kontextes führen, die möglicherweise wichtige Informationen enthalten. Die unzureichende Berücksichtigung wichtiger Aspekte des Kontextes hat erhebliche Folgen für Verhalten: Das Verhalten wird übergeneralisiert, rigide über Zeit und Situationen hinweg oder schwer zu verändern. Um Rigidität und Übergeneralisation zu vermeiden, sollten Therapeuten Regeln mit Vorsicht verwenden und Sprache auf eine Weise einsetzen, die den Erwerb von Fertigkeiten durch Erfahrung fördert (z. B. durch Fragen, aktives Zuhören, Metaphern oder Regeln, die das Beobachten von Kontingenzen fördern).
– Therapeuten können ihren Patienten bei psychischen Problemen nicht dadurch helfen, dass sie symbolische Beziehungen beseitigen oder ersetzen (das heißt, Gedanken können nicht ausradiert werden). Stattdessen können Therapeuten Sprache nutzen, um neue symbolische Beziehungen zu etablieren oder die Funktion bestehender Beziehungen zu transformieren. Dies generiert zusätzliche Möglichkeiten des Einflusses auf dominante symbolische Beziehungen und es ermöglicht das Entwickeln neuen oder anderen Verhaltens.
– Therapeuten können sich nicht alleine auf Logik verlassen, um ihren Patienten dabei zu helfen, mit Problemen umzugehen, die auf symbolischen Beziehungen basieren. Sie müssen den Kontext berücksichtigen, der zu problematischem symbolischem Verhalten führt, und sie müssen eine Form von Sprache und Kognition pflegen, die Wohlbefinden begünstigt.
7 Beachten Sie, dass ab Kapitel 5 der Begriff »Tracking« auch für das Verhalten verwendet wird, funktionelle Beziehungen zwischen psychologischen Erfahrungen zu beschreiben. Beispielsweise wenn ein Patient die Auswirkungen eines Verhaltens beobachtet und beschreibt. Wir nutzen den Begriff in diesem Buch also umfassender als in der traditionellen Verhaltenswissenschaftlichen Literatur. Unser Ziel ist es, die Nutzung von Fachbegriffen in der Alltagssprache zu erleichtern. In diesem Buch meint Tracking sowohl die Beschreibung funktioneller Beziehungen (d. h. das Erstellen einer Regel, die mindestens eine kausale Verbindung zwischen einer Handlung und dem Kontext beinhaltet), als auch das Befolgen einer Regel unter dem Einfluss der Konsequenzen, die die Regel benennt.
8 Dieses Beispiel könnte ein Fall von interpersonellem Tracking anstatt Pliance sein, wenn das Kind einer Regel folgt, die genau die zwischenmenschlichen Konsequenzen benennt, die es gerade erlebt.
9 Augmenting ist ein Terminus technicus der Acceptance & Commitment Therapy. Er leitet sich von »to augment«, [engl.] etwas vergrößern ab.
10 Anmerkung der Übersetzer: Der Begriff Adaptive Peak hat noch keine feste Übersetzung in der deutschen Sprache. Er ist definiert als ein relatives Maximum in einer Landschaft von genetischer Adaptation. Selektion führt dazu, dass sich die Zusammensetzung des Genotyps einer Population hin zu einer Kombination entwickelt, die einem Adaptive Peak für die jeweilige Umwelt entspricht. Ein Konflikt entsteht, wenn für eine optimale Anpassung an eine veränderte Umwelt mehrere Mutationen erforderlich sind, jede einzelne Mutation aber nachteilig ist. Zur Bewältigung muss eine Phase suboptimaler Adaptation durchlaufen werden.
11 Mitgefühl mit sich selbst (noch keine etablierte deutsche Übersetzung)
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