Himmel. Sandra Newman

Himmel - Sandra  Newman


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Ecken offensichtlich von einem Hund abgekaut worden waren. Der fragliche Hund, ein nachdenklicher Sheltie, betrachtete Ben von seinem Platz unter einem ramponierten Kaffeetisch aus voller Zweifel, wurde ausgelacht und zum Hervorkommen überredet. (»Sei nicht albern«, sagte Kates Mutter Ágota zu dem Hund, »du bist doch ganz mutig.«) Die Hündin hieß Dogknees, eine Anspielung auf den Kyniker Diogenes – kynisch bedeutet auf Altgriechisch »hundeartig«. Kates kleiner Bruder, der gerade weggezogen war, hatte sie so getauft; er studierte im ersten Jahr an der Penn State. »Das war so unglaublich clever, als er zwölf war«, sagte Ágota, »und jetzt müssen wir ewig mit diesem furchtbaren Witz leben.« Kate hockte sich hin, um dem Hund die Ohren zu kraulen, und sah lächelnd zu Ben auf, der den Hund mochte, und die Eltern, und sie, und der eine verworrene Erleichterung empfand.

      Kates Vater Salman wirkte auf extravagante Weise persisch, obwohl er einen breiten Bostoner Dialekt sprach und ein Red-Sox-Trikot trug. Er gestikulierte viel und war hinreißend präsent; Kate war die weibliche Version von ihm. Ihnen eignete derselbe kindliche Ernst, eine körperliche Ungezwungenheit, bei der es eindeutig um den Körper als solchen ging, um Sinnlichkeit. Während Salman redete und redete, sah Ágota immer wieder mit einem ironischen Lächeln zu Ben, und einmal sagte sie: »Ich hoffe, das ist nicht allzu albern.« Sie war grazil und mäuseartig, blass, mit graumeliertem Haar und winzigen Händen, die sie bewegte, als würde sie Handschuhe tragen. Sie sprach mit einem schleppenden ungarischen Akzent, der von osteuropäischer Folklore durchtränkt zu sein schien, pelagisch und weise und gütig.

      Kates Eltern mochten Ben auf Anhieb. Während Kate den Tisch deckte, ließen sie ihn eines seiner Gedichte rezitieren und nannten es beachtlich, intensiv, hervorragend. Ágota fragte Ben nach seiner Doktorarbeit und schien sehr interessiert an den Schwierigkeiten der CO2-Sequestrierung in tiefen salinen Aquiferen (sein Dissertationsthema), obwohl es ganz und gar nicht interessant war; darum brauchte er ja so lange, um die Arbeit zu schreiben.

      Dann schwärmte Salman überschwänglich von einer Fra-Angelico-Ausstellung im Metropolitan Museum, die so fantastisch gewesen sei, dass sie ihn zum Glauben bekehrt habe – die Gemälde seien heilig, Salman habe es gespürt, ihnen wohne die unverkennbare Natur der Wahrheit inne, der Wahrheit einer Gotteserfahrung –, bis Kate lächelnd sagte: »Aber du glaubst nicht an Gott«, und Salman antwortete, ohne aus dem Schritt zu kommen: »Selbstverständlich glaube ich nicht an Gott«, und alle lachten. Alles war gut, vielleicht besser als gut. Ben hatte das Gefühl, dass er zum ersten Mal begriff, wie es wäre, eine glückliche Familie zu haben.

      In der Zwischenzeit kam der Mohnkuchen auf den Tisch. Es gab eine Pause, um den ersten Bissen zu nehmen, zu reagieren, ihm genug Raum für eine Wertschätzung zu geben. Dann sagte Kate, als würde sie eine große Ankündigung machen, als hätte sie alle allein zu diesem Zweck versammelt: »Letzte Nacht hatte ich einen Traum.«

      Sie erzählte den Traum erneut und fügte einige Details hinzu – in dem Traum sei sie vom Lord Chamberlain schwanger gewesen, einem Mann namens Hunsdon. Sie sei seine Geliebte gewesen, verheiratet war sie mit einem anderen Mann, einem Hofmusikanten. Er spiele Blockflöte, aber sei dieses Instrument damals wirklich gespielt worden?

      »In dem Traum beschloss ich, London mit meinen Bediensteten zu verlassen. Ich hatte so eine Ahnung, dass ich es tun muss. Es klingt wirklich doof, wenn ich es erzähle. Ich war da, um etwas Wichtiges zu tun, vielleicht sollte ich die Pest aufhalten? Aber dafür müsste man Antibiotika im großen Maßstab herstellen, also weiß ich nicht, wie man das anstellen sollte.«

      »Sehr interessant«, sagte Ágota in einem Tonfall, der andeutete, dass sie das Thema wechseln wollte, und Salman ging in die Küche, um sich noch einen Kaffee zu machen. Da war eine Veränderung in der Stimmung, eine Steifheit. Kate verstummte. Sie starrte auf das Nichts vor ihren Augen, sah isoliert aus, als sei ihr jemand in die Quere gekommen.

      Ágota lächelte ihr sorgenvoll zu und sagte zu Ben: »Kitty ist eine große Träumerin. Ich sage immer, sie ist wie der kleine Junge, der sich im Traum verlief. Kennst du die Geschichte?«

      »Natürlich kennt er sie nicht«, sagte Kate abwesend.

      »Niemand in Amerika kennt sie.«

      »Ich kenne sie nicht«, sagte Ben.

      »Es ist die Geschichte von einem Jungen, der im Traum eine falsche Abzweigung nimmt«, sagte Ágota. »Er kann den Weg zurück zu seinem Bett nicht finden, also reist er durch viele Länder, tötet einen Drachen und wird schließlich zu einem Prinzen, der eine Prinzessin heiratet. Ganz normale Märchengeschichten. Die Jahre vergehen, und im Traum wird er alt und stirbt.

      Dann erwacht er in seinem Bett und ist wieder ein Kind. Doch sein Vater, der ein sehr armer Mann gewesen war, ist nun ein wohlhabender Geschäftsmann; seine Mutter, die vorher im Sterben gelegen hatte, ist dick und gesund. Wir verstehen also, dass es an dem liegt, was er im Traum erreicht hat. Es ist ein ungarisches Kinderbuch«, sagte Ágota. »Unser alter Freund Gabor hat es geschrieben.«

      »Gabor glaubt solche Dinge wirklich«, sagte Salman, der aus der Küche zurückkam. »Er ist immerhin derjenige, der sich im Traum verliebt hat.«

      »So ein Blödsinn«, sagte Ágota.

      Salman stellte seinen Kaffee ab und lächelte Ben zu. »Gabor hat seine Frau für jemanden verlassen, den er im Traum getroffen hat.«

      »Er hat sie nicht im Traum getroffen«, sagte Ágota. »Sie war eine seiner Studentinnen.«

      »Er sah sie im Traum zum ersten Mal und verliebte sich«, sagt Salman. »Und dann, eines Tages, kam sie in seine Vorlesung.«

      »Blödsinn«, sagte Ágota.

      »Vielleicht ist es wahr«, sagte Kate.

      Ben sagte: »Ich stimme für Blödsinn.«

      Alle außer Kate lachten. Salman sagte zu Ágota: »Du glaubst, dass er lügt? Aber warum sollte er sich diese Lüge ausdenken?«

      »Ich glaube, dass er ein Mann ist, der sich in eine Zwanzigjährige verliebt hat«, sagte Ágota. »Das ist doch nicht so schwer zu durchschauen.«

      »Früher hat mir das Buch Angst gemacht«, sagte Kate. »Der Junge, der sich im Traum verlief. Ich dachte, mir würde dasselbe passieren.«

      »Das wissen wir doch«, sagte Ágota. »Reg dich nicht auf.«

      »Ich rege mich nicht auf.« Kate sah zu Ben. »Sehe ich aus, als würde ich mich aufregen?«

      »Manchmal regst du dich auf«, sagte Salman in einem weicheren, versöhnlichen Ton.

      Kate zuckte mit den Achseln. »Ich erzähle nur, wie ich mich gefühlt habe.«

      »Gabor ist tablettenabhängig«, sagte Ágota. »Du bist nicht wie Gabor. Was Gabor passiert, wird dir bestimmt nicht passieren.«

      »Und wenn es schon passiert ist?«, sagte Kate.

      »Der Mann nimmt zwei Handvoll Tabletten am Tag.« Ágota streckte ihre hohlen Hände aus, um die zwei Handvoll zu zeigen.

      Kate sagte: »Er könnte tablettenabhängig sein und Träume haben, die das reale Leben beeinflussen. Korrelation ist nicht gleich Kausalität.«

      »Kitty, ich bitte dich«, sagte Ágota. »Das ist kein echtes Problem.«

      Plötzlich duckte Kate sich unter den Tisch. Sie kroch auf allen Vieren herum. Ihre Eltern runzelten irritiert die Stirn.

      Salman sagte zu Ben: »Normalerweise macht sie das nicht. Das ist nicht Teil des Familienrituals.«

      »Kitty?«, sagte Ágota. »Was machst du da?«

      Unter dem Tisch rief Kate: »Ich suche die Siegel, die ich und Petey gemacht haben. Ich wollte sie Ben zeigen.«

      »Wovon redest du?«, sagte Ágota.

      »Die Siegel!«, sagte Kate. »Ich kann sie aber nicht finden. Die Siegel, die ich und Petey in die Tischbeine geritzt haben?«

      »Ihr habt in die Tischbeine geritzt?«, sagte Ágota.

      »Du


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