BAT Boy 2. C. A. Raaven

BAT Boy 2 - C. A. Raaven


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Ines feststellte, dass sich die erhoffte Ruhe einfach nicht einstellen wollte, wartete sie noch eine Weile weiter, bis sie fühlte, dass sich innerlich eine Art Druck aufbaute. Schon kurze Zeit später war dieser Druck stark genug, dass sie das Gefühl hatte, sich von der Tür abstoßen zu können. Das tat sie dann auch, und diesmal reichte der Schwung dafür, dass sie nicht nur die erste Treppenstufe überwand, sondern direkt bis um Standort des Telefons vordrang. In dem Moment, als Ines das Handteil aus der Ladeschale nahm, kam ihre Mutter in den Flur. Sie hatte wohl aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen und war aus der Küche geeilt, um ihrer Tochter zu begegnen, in der Hoffnung, sie in ein Gespräch verwickeln zu können.

      »Hallo Mäuschen, da bist du …«, begann sie, aber Ines schnappte sich nur das Telefon und stürmte, ohne ein Wort zu sagen, wieder die Treppe hoch.

      »… ja wieder«, schloss Diana den eben begonnenen Satz lahm und schaute ihr hinterher. Zumindest bewegte sich Ines inzwischen wieder aus ihrem Zimmer. Das war doch schon einmal etwas.

      »Luky? Bist du wach?«

       Verdammt. Jetzt bin ich es wirklich wieder. Fast hätte ich es endlich geschafft gehabt. Die letzten paar Minuten des Films habe ich doch bloß noch als Geräusch wahrgenommen.

      Er drehte seinen Kopf in Richtung Tür, wo er Betty stehen sah, und brachte sogar fast so etwas wie ein Lächeln zustande.

      »Oh, gut«, sagte sie, als sie dies sah. »Ich hab jemanden für dich am Telefon.«

      »Hmm, wen denn?«, murmelte Lucas, aber statt zu antworten, streckte seine Mutter ihm das Telefon entgegen.

      »Ja?«, sagte Lucas und versuchte dabei, nicht allzu leidend zu klingen. Wenn Erik dran wäre, dann wollte er möglichst keinen Anlass zu Mitleid – oder noch viel schlimmer zu Nachfragen – geben. Die nächsten Worte, die er hörte, brachten jedoch alle Vorsätze ins Wanken.

      »Hi, Lucas«, sagte Ines.

      »Ohhh«, machte er, teils aus ehrlicher Überraschung, teils deswegen, weil er seiner Stimme nicht traute.

      Doch dann geschah etwas, mit dem Lucas nicht gerechnet hatte. Ines lachte. Zuerst war es nur ein verhaltenes Kichern, aber es steigerte sich immer mehr, bis sie lauthals lachte. Und Lucas lachte mit, obwohl er eigentlich gar nicht wusste, warum. Er lachte, bis ihm die Tränen in den Augen standen, und bemerkte dabei erstaunt, wie befreiend es auf ihn wirkte.

      Als sie sich beide wieder beruhigt hatten, räusperte sich Lucas und sagte: »Ja, hi Ines. Ähm. Warum hast‘n du gelacht?«

      »Ach, na ja. Ich hab schon den halben Tag mit mir gekämpft, weil ich wusste, dass ich mit dir sprechen muss. Und eben beim Wählen habe ich mir die ganze Zeit gesagt ‘Wir müssen reden – wir müssen reden – wir müssen reden’. Und dann gehst du ran und sagst ‘Oh’.«

      Lucas grinste. »Stimmt. Da hätte ich wohl auch lachen müssen.«

      Doch dann wurde ihm bewusst, was als Nächstes geschehen würde, und das Grinsen erstarb.

      »Ähm«, machte Ines.

      Lucas schwieg, denn er hatte Angst davor, was sie gleich sagen oder fragen würde. Es trat eine unangenehme Pause ein, während die beiden krampfhaft nach Worten suchten, um weiterzumachen. Lucas hob seinen Blick und sah aus dem Fenster in die Richtung des Balkons, hinter dem sich Ines‘ Zimmer befand. Als er dort nicht nur ein erleuchtetes Fenster, sondern auch ihren Umriss erkannte, zuckte er schuldbewusst zusammen. Ihm wurde klar, dass es für Ines ungleich schwerer sein musste, den Anfang zu machen.

      Also räusperte er sich erneut und fragte: »Gibt es etwas Bestimmtes, das du wissen willst?«

      »Alles«, hauchte sie in ihr Telefon. »Ich will, nein ich muss alles wissen. Sonst werd ich noch verrückt. Was war das mit diesem Freak? Wo ist Neumann? Und was hast du mit mir gemacht? Wo war ich?«

      Lucas ließ seinen Kopf hängen. Verdammt – das volle Programm. War sie überhaupt bereit dafür? War er es? Wo sollte er anfangen?

      Er schluckte schwer. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, gestand er.

      »Na dann fang doch am besten mit dem Club an. Wenn ich es mir überlege, dann denke ich, dass ich nicht mal die Hälfte von dem weiß, was da so abgeht.«

       Oh, Mist.

      Das stimmte. Also war es sogar noch mehr, als nur das volle Programm. Das würde sie bestimmt nicht aushalten. Aber als Lucas in sich ging, stellte er fest, dass er eigentlich davon überzeugt war, dass Ines es doch aushalten würde. Das Nichtwissen war vermutlich noch schwerer zu ertragen. Lucas stand auf und trat an sein Fenster.

      Ines‘ Silhouette im Blick sagte er mit möglichst fester Stimme: »Das geht so nicht. Ich muss zu dir kommen.«

      »Was?!«, kam es prompt von ihr zurück.

      Lucas schloss die Augen. Genau diese Reaktion hatte er befürchtet. Es hatte sich nichts geändert. Auch das gemeinsame Lachen vorhin war nichts weiter gewesen, als ein Zufall, der sie beide kalt erwischt hatte. Aber er blieb hart.

      »Hör mal. Ich kann dir das nicht einfach am Telefon erzählen, so wie man nem Freund von einem Kinobesuch berichtet. Ich muss dir dabei in die Augen sehen. Also entweder lässt du mich vorbeikommen, oder du kannst lange auf die Erklärung warten.«

      Lucas hörte, wie Ines tief Luft holte – wahrscheinlich um zu einer geharnischten Antwort auszuholen – aber dann ließ sie die Luft seufzend wieder entweichen.

      »Na gut. Tu, was du nicht lassen kannst. Ich sag meiner Mutter Bescheid, dass du gleich rüberkommst«, murmelte sie und legte auf, ohne sich zu verabschieden.

      Ein weiteres Mal starrte Lucas auf ein Telefon in seiner Hand. Dann stand er auf, zog sich schnell etwas an und spritze sich im Bad ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Danach ging er hinunter, um seinen Eltern zu sagen, dass er kurz zu Ines gehen würde.

      »Ach, weiß du, es ist bestimmt ganz gut, dass du noch ein bisschen frische Luft bekommst, und ihr beide mal ein bisschen in Ruhe quatschen könnt«, sagte Lucas‘ Vater, während dieser das Haus verließ.

      Wenn du wüsstest, was es mit dieser netten Plauderei auf sich hat, dachte Lucas, als er die Tür hinter sich schloss.

      Der Spaziergang bis zu Ines‘ Haus dauerte nicht lange. Dort angekommen erblickte Lucas Ines, die in der Tür stehend auf ihn wartete.

      »Hi«, begann er, wurde aber von Ines sofort gestoppt.

      »Am besten gehen wir direkt hoch«, sagte sie. »Meine Eltern sind gerade beschäftigt.«

      »Okay?«, machte Lucas zweifelnd, folgte ihr aber gleichwohl.

      Oben angekommen führte Ines ihn in ihr Zimmer und schloss die Tür. Sie setzte sich auf ihre Bettcouch und sah Lucas erwartungsvoll an.

      »Also gut. Dann schieß mal los.«

      Lucas stand etwas belämmert da, weil ihm in diesem Moment klar wurde, dass er – abgesehen von der Aktion zu Silvester – zum ersten Mal in Ines‘ Zimmer war und das auch noch allein. Hilfesuchend sah er sich nach einer Sitzgelegenheit um, da er keine Lust hatte, wie bei einem Vortrag in der Schule stehen zu müssen.

      Zu seinem großen Erstaunen sagte Ines: »Ach, Quatsch. Setz dich hier mit her. Ich glaub, ich habe insgesamt ein bisschen überreagiert. Aber das war alles echt …«

      »Ist schon okay«, platzte Lucas heraus und setzte sich auf die Couch, bevor Ines es sich anders überlegen konnte. Dann sah er ihr fest in die Augen und sagte eindringlich: »Tu mir bitte den Gefallen und hör dir erst mal alles an, was ich zu sagen habe. Ich hoffe, dass ich in möglichst kurzen Worten zumindest das Wichtigste erzählen kann. Wenn du Fragen hast – und du wirst welche haben – dann beantworte ich sie gerne hinterher.«

      »Na gut«, kam es von Ines zurück.

      »In


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