BAT Boy 2. C. A. Raaven

BAT Boy 2 - C. A. Raaven


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nicht das. Sie konnte doch nicht meinen, dass er …

      Ines ergänzte nichtsahnend: »Vielleicht hat dieser Freak ihn ja doch nur schwer verletzt und … Lucas!«

      Erschrocken ließ sie eines der Gläser fallen, denn sie hatte sich in diesem Moment umgedreht und Lucas erblickt, der – kalkweiß im Gesicht – seinerseits sie fassungslos anstarrte. In diesem Moment wurde Ines klar, was sie mit den Worten, die sie eben gedankenlos gesagt hatte, für ihn angedeutet haben musste.

      Schnell stürzte sie in Lucas‘ Richtung und rief zerknirscht: »Ach verdammt, das habe ich doch nicht …«

      Aber der Schaden war bereits angerichtet.

      Lucas bedachte sie mit einem leeren Blick und antwortete mit tonloser Stimme: »Nein, nein. Ist schon ganz richtig. Kann ja wirklich sein, dass Plague nicht stark genug zugetreten hat, und Neumann dann günstig gefallen ist, sodass er nur betäubt war. Kann auch sein, dass wir besser nach ihm hätten sehen sollen, als diesem Monster zu folgen. Und es kann natürlich auch sein, dass ich nicht so gottverdammt viel Energie hätte aufwenden müssen, um ihn zu stoppen. Vielleicht … ja vielleicht könnte Neumann dann immer noch leben.«

      Er stieß ein freudloses Lachen aus und hob abwehrend die Hände, als Ines sich ihm nähern wollte.

      »Jetzt musst du mich bitte entschuldigen«, krächzte Lucas mit zugeschnürter Kehle. Er stand auf, ging an Ines vorbei und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus.

      Ines brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass Lucas wirklich gegangen war. Einen Moment lang blickte sie ihre geschlossene Zimmertür an. Dann räumte sie das Geschirr wieder aufs Tablett, wischte die ausgeschüttete Limonade auf und brachte alles zusammen nach unten in die Küche. Zum Glück fragte ihre Mutter nicht nach, warum Lucas so plötzlich wieder weg war. So trollte Ines sich unbehelligt wieder nach oben, wo sie sich auf ihre Couch fallen ließ, um Löcher in die Luft zu starren. Kurze Zeit später bemerkte sie aus dem Augenwinkel etwas wie eine Bewegung. Als sie jedoch den Blick darauf richtete, stellte sie fest, dass es doch keine Bewegung gewesen war, sondern nur ein Lichtschein, der aus Lucas‘ Fenster drang. Also war er wieder zu Hause. Was er jetzt wohl tat? Ines ertappte sich dabei, in Gedanken schon auf dem Weg zum Telefon zu sein, um ihn anzurufen. Eine Aktion, die sie vorhin noch sämtliche Willensanstrengung gekostet hatte, deren sie fähig war, wirkte nun wie etwas, das sie ohne jegliche Mühe bewerkstelligen könnte. Aber Ines wusste, dass es im besten Fall keinen Sinn haben würde, weil er einfach nicht dranging. Im schlimmsten Fall … daran wollte sie gar nicht denken. Sie riss den Blick von dem kleinen Rechteck aus Licht los und versuchte, an etwas anderes zu denken. Nun ja, eigentlich nicht wirklich etwas anderes aber zumindest nicht mehr direkt an Lucas, sondern an das, was sie vorhin von ihm erfahren hatte.

      Es war also tatsächlich nicht nur ein bloßer Jugendclub, der sich in diesem seltsamen Hinterhof befand. In Wirklichkeit war es eine Akademie. Eine Akademie für … wie hatte Lucas es genannt? Gestaltwandler. Menschen, die zu Tieren werden konnten. Unglaublich, dass sie sich wochenlang mitten unter ihnen aufgehalten hatte, ohne etwas zu merken – und ohne dazuzugehören. Aber gehörte sie denn wirklich nicht dazu? Hatte Amanda sie nicht gescannt? Ja, aber das war wohl nur dafür gewesen, um durch die Tür zu kommen. An diesem ominösen Check hatte sie vorsorglich nicht teilgenommen. Nur warum hatte Amanda so zufrieden ausgesehen, als sie sich in der BAT getroffen hatten? Wusste sie vielleicht doch etwas, das sie Ines nur nicht gesagt hatte? Und was war mit diesen Kaugummis gewesen? Es hatte ja glatt so geklungen, als ob die für irgendwas wichtig waren. Ines ließ sich das Gespräch mit Harald und Amanda noch einmal genau durch den Kopf gehen und kam zu dem Schluss, dass mit diesem Kaugummi etwas getestet worden war – vermutlich, ob sie auch ein Gestaltwandler war. Dumm nur, dass sie auf den letzten nicht wirklich geachtet hatte, sonst hätte sie … ja was denn? Sie würde es nie wissen, wenn sie nicht jemanden fragte. Aber Moment. Sie konnte ja jemanden fragen. Sie schoss hoch. Lucas würde bestimmt … Ines‘ Gedanken verebbten und mit ihnen auch das Lächeln, das eben noch dabei gewesen war, sich auf ihrem Gesicht auszubreiten. Sie raufte sich die Haare und ließ sich rückwärts auf die Couch sinken.

       Wundertüte

      n seinem Zimmer saß Lucas auf dem Bett und starrte einen Teller Nudeln an, so als ob dieser ihn soeben tödlich beleidigt hätte. Innerlich tobte ein Wettstreit aus Wut und Scham. Wut über das, was Ines eben gesagt hatte. Unbedacht oder nicht, wie konnte sie auch nur im Ansatz daran denken, dass er Neumanns Leben fahrlässig oder sogar absichtlich gefährdet hätte? In diesem Moment setzte die Scham ein und erinnerte Lucas daran, dass er es hätte überprüfen müssen. Hatte er sich denn sicher sein können, dass er bereits tot gewesen war, nachdem er die Treppe hinunterstürzte? Nein, das hatte er nicht. Diese Schuld würde Lucas von nun an sein ganzes Leben mit sich herumtragen müssen. Egal was sein Vater sagte. Auch wenn sein Mentor noch so tot ausgesehen hatte, als er dort auf dem Treppenabsatz lag. Neumann hätte auch nur bewusstlos gewesen sein können – sich dessen unbewusst, dass eine tödliche Gefahr in Form seines Schützlings auf ihn lauerte.

      Lucas stöhnte, schob den Teller von sich weg und griff stattdessen nach dem Rucksack, den er seit Silvester mit sich herumschleppte. Irgendwie hatte dieses unförmige, NATO-oliv gefärbte Ding eine tröstliche Wirkung auf ihn, da ihm inzwischen klar geworden war, dass es Neumann gehört hatte. Lucas vergrub sein Gesicht in dem rauen Stoff. Dann fiel ihm etwas ein und er ließ den Rucksack aufs Bett sinken.

      Wie kannst du eigentlich so sicher sein, dass es Neumanns Rucksack ist? Schließlich war da doch das Handy von dem Fiesling Plague drin, stellte die Stimme in Lucas‘ Hinterkopf diesen Einfall infrage.

      Ist doch egal. Sie kommt mir einfach unheimlich bekannt vor. Das wäre ja wohl bestimmt nicht so, wenn es die von jemand anderem wäre, würgte er sich selbst gedanklich ab.

      Aber woher kam das Handy denn dann?, beharrte die Stimme.

      Wahrscheinlich hatte Plague selbst keine Tasche und hat es da eben mit reingepackt, brachte Lucas sie zum Schweigen.

      Dann holte er tief Luft und tat etwas, das er – wenn er es recht bedachte – schon viel früher hätte tun sollen. Er öffnete den Rucksack und schüttete dessen Inhalt auf das Bett. Zum Vorschein kam außer einigen undefinierbaren Krümeln, Büroklammern und einer angefangenen Packung Kaugummis noch ein schwarzes Stück Stoff, das wohl ein Halstuch war. Außerdem sah Lucas eine Brieftasche, ein Schlüsseletui, einen kleinen Stecker mit einem daran befestigten Kabel und einen länglichen Gegenstand aus schwarzem Metall. Lucas besah sich zunächst das metallene Ding. Dieses war an der einen Seite griffartig geformt und hatte auf der anderen Seite ein leicht gegabeltes Ende, aus dem kurze glänzende Metallstifte ragten. Interessiert fuhr er mit dem Zeigefinger seiner linken Hand über einen der Stifte. Als er gerade dabei war, sie sich noch einmal genau aus der Nähe anzusehen, betätigte Lucas mit seiner Rechten versehentlich einen Schalter, den er nicht bewusst wahrgenommen hatte. Sofort gab das Gerät ein summendes Zischen von sich. Lucas wurde schmerzhaft geblendet.

      Vor Schreck warf er es von sich und schlug stöhnend beide Hände vors Gesicht. Er schloss die Augen, aber die unregelmäßig gezackte Linie, die so plötzlich direkt vor ihm erschienen war, geisterte weiterhin in seinem Gesichtsfeld herum. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde das Geisterbild wieder schwächer. Auch der Schmerz ließ nach. Lucas bückte sich und nahm den Apparat erneut – diesmal aber vorsichtiger – in die Hand. Bevor er noch einmal auf den Schalter drückte, hielt er das andere Ende wohlweislich von sich weg. Wieder erklang das Summen, und Lucas konnte aus sicherer Entfernung einen Lichtbogen erkennen, der sich zwischen den Metallstäben bildete.

      Wahnsinn, das muss so ein Elektroschocker sein, wie sie ihn auch in Filmen haben, dachte er fasziniert. Gleichwohl legte er das Gerät beiseite, um sich den beiden anderen interessant aussehenden Gegenständen zu widmen.

      Die


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