Clausnitz. Sebastian Caspar

Clausnitz - Sebastian Caspar


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      1. Auflage 2020

      ©opyright 2020 by Autor

      Cover: D-ligo

      eISBN: 978-3-95791-110-0

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       Sebastian Caspar

       09236 Clausnitz

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      Inhalt

       Kapitel 29

       Kapitel 28

       Kapitel 27

       Kapitel 26

       Kapitel 25

       Kapitel 24

       Kapitel 23

       Kapitel 22

       Kapitel 21

       Kapitel 20

       Kapitel 19

       Kapitel 18

       Kapitel 17

       Kapitel 16

       Kapitel 15

       Kapitel 14

       Kapitel 13

       Kapitel 12

       Kapitel 11

       Kapitel 10

       Kapitel 9

       Kapitel 8

       Kapitel 7

       Kapitel 6

       Kapitel 5

       Kapitel 4

       Kapitel 3

       Kapitel 2

       Kapitel 1

       Kapitel 0

       Clausnitz, 18.02.2016

      „Terror ist nichts anderes als sofortige, unnachsichtige und unbeugsame Gerechtigkeit; folglich ist er ein Ausfluss der Tugend.“

      Maximilien de Robespierre, Rechtsanwalt

      „Die wirkliche Krise, vor der wir stehen, ist eine spirituelle.“

      Ronald Reagan, Schauspieler und

      ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten

       29

      „Und das nennst Du Asyl?“, schreit Christian und hämmert mit der Faust auf das Armaturenbrett. Doch seine Frage ist ein Statement und rhetorischer Natur. Aber ist es nicht eine Tatsache, dass wir auch Klimaflüchtlingen gegenüber moralisch verpflichtet sind? Ich bin mir der Wahl meiner Worte, der Ernsthaftigkeit dieser Frage bewusst, und dennoch erschrecke ich darüber, dass mich Christians Wut so unvermittelt trifft. Die uns umgebende Einöde durchqueren wir mit einem blauen Skoda, der uns Tag für Tag durch diese Szenerie führt. Christian ist beileibe kein sicherer Fahrer und manchmal, wenn sich seine Fahrkünste mit seiner Wut einen Zweikampf liefern, bekomme ich einfach nur Angst.

      Wir rasen auf das Flüchtlingsheim zu, welches wir betreuen, denn einmal mehr soll es dort Stress gegeben haben. Schnaufend berichtet Röhm (der Leiter dieser Einrichtung) von betrunkenen Tunesiern, was beileibe kein Einzelfall ist und mir beinahe ein Déjà-vu beschert. Und allein der Fakt, dass wir abermals wegen der Tunesier, die von Christian nur noch NAFRIS genannt werden, das Heim ansteuern, lässt ihn erneut überschäumen. Christian springt auf alles an, was ich oder andere ihm berichten und deutet es sofort in dem Kontext von Migration und Asyl. Bisweilen erzähle ich ihm deshalb das Blaue vom Himmel, denke mir die tollsten Geschichten aus, nur, um ihn aufzuziehen, denn er macht sich ständig Sorgen. Er sorgt sich um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden, das Wetter, die Bettler auf den Straßen, die steigenden Preise im Supermarkt, arabischen Antisemitismus, sexuelle Übergriffe von Migranten, grundlose Gewalt in U-Bahnhöfen, den Schmutz im Treppenhaus des Heims und die zerfallende globale Situation. Was in seinem Potpourri aus Sorgen jedoch nicht vorkommt, sind: die Wahlerfolge populistischer Parteien, die Taten des NSU, Kameradschaften und Bürgerwehren, Flat-Earther, Prepper, Truther, der Anstieg rassistischer Übergriffe und die allgemeine Verrohung der deutschen Sprache.

      Wir arbeiten seit nunmehr einem Jahr zusammen, verfügen beide über ein Diplom der Sozialen Arbeit, und sind trotz inhaltlicher Differenzen einander sehr vertraut. So gut es geht, kümmern wir uns in dem neu geschaffenen Feld der Flüchtlingssozialarbeit um Asylbewerber und fahren nahezu täglich in die uns vom Landkreis zugewiesene Gemeinschaftsunterkunft. Auf der Rückbank des Skodas kauert Rafik, unser schwuler marokkanischer Sprachmittler. Er ist ein stiller und schüchterner Typ, HIV-positiv, spricht Arabisch, Französisch und ziemlich gut Deutsch. Vor zwei Monaten gehörte Rafik noch zu unserem Klientenstamm, doch wir haben ihn erfolgreich aus dem Heim geholt und mit einem Ehrenamtsvertrag für vierzig


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