Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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      »Wenn ich sie schön bitte, erlauben sie mir immer alles«, behauptete Jochen zuversichtlich.

      Die Tür öffnete sich zum zweiten Mal. Lilo schob Klaus vor sich her ins Zimmer. Es war nicht zu übersehen, dass der Junge geweint hatte.

      »Hier kommt er, Klaus. Entschuldige, dass es so lange gedauert hat. Dein Sohn benötigt stets eine Extraeinladung. So, nun sag deinem Vater guten Tag«, wandte sie sich an den Jungen.

      Klaus blieb stocksteif stehen. Er tat alles, um sofort zu beweisen, dass er ein schwieriges Kind sei.

      Es war schließlich sein Vater, der auf ihn zuging und die Hand auf seine Schulter legte. »Ich bin dein Vati, Klaus.«

      Der Junge schlug die Augen zu ihm auf. »Das stimmt nicht«, stieß er hervor. »Die Großen schwindeln doch bloß immer etwas anderes.«

      »Ich habe mich auf dich gefreut, Klaus. Wir werden zusammen mit dem Flugzeug nach Südafrika fliegen.«

      Klaus nahm nicht einmal die große Hand, die sich ihm jetzt entgegenstreckte. »Ich mag überhaupt nicht nach Südafrika. Mutti und Vati wollen mich bloß loswerden, weil sie Jochen lieb haben und mich nicht.«

      Lilo erschrak. Sie trat vor und versuchte die Arme um Klaus zu legen. Doch der Bub stieß sie heftig zurück.

      »Was ist nur in dich gefahren, Klaus?« Lilo bemühte sich, die Lage zu retten. »Jedes andere Kind an deiner Stelle würde sich freuen.«

      Klaus schniefte laut. Er hatte kein Taschentuch. Sein Vater zog das seinige aus der Tasche und reichte es ihm wortlos. Klaus schüttelte den Kopf und schniefte nochmals. Nicht einmal das Taschentuch wollte er von seinem Vater annehmen. »Ich freue mich eben nicht«, erklärte er mit erstickter Stimme.

      Klaus Magnus beugte sich zu seinem Sohn hinab. »Können wir zwei nicht wie Männer miteinander reden? Es ist ganz klar, dass du eine Menge Fragen hast.«

      Der kleine Klaus blickte zu Boden, um den großen Klaus nicht ansehen zu müssen. »Ich will nicht reden. Außerdem bin ich kein Mann, sondern ein Junge.«

      Ratlos sahen sich Lilo Werner und Klaus Magnus an. Mit einer solchen Reaktion hatten sie nicht gerechnet.

      »Iss erst einmal ein Stück Kuchen«, schlug Lilo diplomatisch vor. »Ihr müsst beide hungrig sein.«

      Klaus schüttelte den Kopf. »Ich brauche nichts.«

      »Da siehst du selbst, wie er ist«, seufzte Lilo, die allmählich die Beherrschung verlor. »Nimmst du Kuchen, mein Kleiner?«, wandte sie sich an Jochen.

      Jochen zögerte. Seine Mutter konnte freilich nicht ahnen, dass er und Klaus bei Andrea von Lehn mehrere Stücke Obsttorte mit Sahne verspeist hatten. Kein Wunder, dass Klaus jetzt nichts mehr essen wollte. Da der schlaue kleine Jochen jedoch nichts verraten wollte, dass sie beide verbotenerweise im Tierheim gewesen waren, sagte er: »Ja, danke, Mutti. Aber nur ein kleines Stück.«

      Lilo strahlte. Ihr wohlerzogener Liebling war nicht nur höflich, sondern auch bescheiden. Liebevoll schnitt sie ihm ein besonders dickes Stück Kuchen ab. Dass sie dem armen Jochen damit durchaus keinen Gefallen erwies, entging ihr.

      Die Szene endete mit einem nur scheinbaren Sieg der Erwachsenen. Alle Bemühungen, Klaus zur Einsicht zu bringen, scheiterten kläglich. Deshalb schickte Lilo den Jungen schließlich ohne Abendessen zu Bett.

      »Ich kenne ihn«, versicherte sie dem etwas betretenen Vater. »Morgen früh wird er ganz vernünftig sein. Man darf sich gar nicht erst auf lange Diskussionen mit ihm einlassen. Dabei kommt niemals etwas heraus. Nun wird er seinen Trotz verschlafen. Morgen wird er dann wie ausgewechselt sein. Das erleben wir immer wieder mit ihm.«

      Jochen genoss es, dass er aufbleiben und mit den Erwachsenen essen durfte. Allerdings hatte er absolut keinen Appetit und musste mit seinem Schinkenbrot heftig kämpfen.

      Schließlich schickte seine Mutter ihn ins Bad. Nach einer Weile ging sie hinauf, um nach den beiden Jungen zu sehen.

      Klaus hatte sich fest in seine Decke eingewickelt und schien schon zu schlafen. Lilo warf nur einen flüchtigen Blick auf sein Bett und wandte sich dann Jochen zu, den sie zärtlich küsste.

      »Gute Nacht, mein Kleiner. Schlaf schön. Verstehst du eigentlich, warum Klaus so bockig war?«

      Jochen dachte nach. »Vielleicht möchte Klaus doch lieber euer Junge bleiben«, meinte er schließlich. »Wollt ihr Klaus denn wirklich nicht behalten? Wir waren doch immer beisammen …«

      »Darum geht es nicht, Jochen«, erklärte Lilo sanft. »Klaus gehört zu seinem Vater. Das wird er auch nach und nach einsehen müssen.«

      »Hm. Ich finde Onkel Klaus eigentlich ziemlich nett. Aber unseren Vati habe ich am liebsten.«

      »Er ist ja auch dein richtiger Vati.«

      »Aber wenn Tante Gabi seine Mutti war, dann hat der arme Klaus jetzt keine mehr.«

      »Nein, Jochen – das ist nun einmal so.«

      Jochen seufzte auf. »Ich bin froh, dass ich eine Mutti und einen Vati habe.«

      »Gewiss, mein Junge. Darüber solltest du dich auch freuen. Und jetzt musst du schlafen. Träume etwas Schönes.«

      Behutsam schloss Lilo die Tür des Kinderzimmers. Dass Klaus sofort den Kopf hob, um sich mit Jochen in ein flüsterndes Gespräch zu vertiefen, bemerkte sie nicht mehr. Sie kehrte zu Klaus Magnus zurück, der sie traurig und ernst ansah.

      »Was soll jetzt werden?«, fragte er bedrückt.

      Lilo machte eine wegwerfende Handbewegung. »Warte erst einmal bis morgen, Klaus. Ich war eben bei deinem Filius. Er schläft bereits wie ein Murmeltier. Also hat er sich die Sache gar nicht so sehr zu Herzen genommen.«

      »Mich bedrückt sie dafür umso mehr«, erwiderte Klaus Magnus. »Wir haben uns das Ganze zu einfach vorgestellt. Ich beginne einzusehen, dass man die Fehler der Vergangenheit nicht von einem Tag auf den anderen aus der Welt schaffen kann. Ursprünglich wollte ich nur für eine oder zwei Stunden hierbleiben. Nachdem dies alles geschehen ist, werde ich mir wohl ein Hotelzimmer suchen müssen. Gibt es so etwas hier in eurem Bachenau?«

      »Natürlich, Klaus.«

      Lilo stand auf und ging an den Schreibtisch ihres Mannes. Sie suchte eine Telefonnummer heraus und führte gleich darauf ein Gespräch. Schon zwei Minuten später hatte sie ein Zimmer mit Bad für den Gast gebucht.

      Klaus Magnus nickte ihr zu. »Vielen Dank, Lilo. Wenn du mir jetzt noch verrätst, wo sich das sagenhafte Hotel befindet, werde ich dich von meiner Gegenwart befreien.«

      Sie lächelte ihm zu. »Warum auf einmal so eilig? Der Abend wird immer erst gemütlich, wenn die Kinder endlich im Bett sind. Ich werde eine Flasche Wein heraufholen, und du machst sie auf. Bist du einverstanden?«

      Er erwiderte ihren bittenden Blick und nickte. Nur zu gern blieb er in diesem Haus, in dem sein kleiner Sohn schlief und in dem ihn eine junge Frau mit Gabis Augen anschaute. Übermächtig wurde die Erinnerung an die Vergangenheit in ihm. Ihm war, als träume er.

      »Du bist wie Gabi«, sagte er leise, als die gefüllten Gläser zwischen ihnen auf dem niedrigen Tisch standen.

      Lilo mied seinen Blick. »Das stimmt nicht«, widersprach sie. »Ich war immer anders als Gabi.«

      Klaus Magnus schüttelte den Kopf. »Das weiß ich besser als du, Lilo. Mir kommt es vor, als wäre ich nach einer unendlich langen Irrfahrt endlich heimgekehrt.«

      Sie schwieg und schaute auf das Muster des Teppichs. Da nahm er ihre Hand in die seine, und sie ließ sie ihm. Er sprach von den Tagen, in denen sie in ihrer kleinen Heimatstadt glücklich gewesen waren. Nach und nach vergaß er, dass er nicht mit Gabi redete, sondern mit deren Schwester Lilo.

      Lilo saß ganz still und lauschte seinen Worten. Dabei fühlte sie den raschen Schlag ihres Herzens. Wie war es nur möglich, dass ihr Hass gegen den Verführer ihrer Schwester sich innerhalb


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