Himmel trifft Erde. Alina Pfeifer
ernst, es kommt von Herzen, denn sie ist einer der ehrlichsten Menschen, die ich kenne. Wenn sie schlechte Laune hat, hat sie schlechte Laune und versteckt sich hinter keiner Maske, um andere zu täuschen, und wenn sie mich in den Arm nimmt, dann weiß ich, sie mag mich wirklich.
Manchmal frage ich mich, ob sie weiß, dass sie anders ist, und ob sie gerne mal so wäre wie wir, also mit einem Chromosom weniger. Doch ich glaube, sie liebt ihre Welt mit Filmen, wunderschönen Geschichten und vielen Liedern, die sie auswendig kennt. Sie will nicht so sein wie ich. Denn im Gegensatz zu mir liebt sie Schule. Und ihre Freunde können sich glücklich schätzen, denn auch hinter ihrem Rücken redet sie nur gut von ihnen.
Doch trotzdem werden Menschen, die anders aussehen, sich anders verhalten und vielleicht einfach anders sind, in unserer Gesellschaft schräg angeguckt. Was gibt es Menschen, wenn sie anders wirkenden Menschen hinterherschauen? Ich starre sie ja auch nicht an, wenn ich ihr Gesicht zu hässlich finde, weil sie es mit Schminke überdecken, damit andere ihre Traurigkeit nicht entdecken! Menschen mit Behinderung tragen ihre Macken nach außen aus, sie schämen sich nicht dafür. Okay, viele haben auch kein Bewusstsein dafür, aber gerade das Mädchen, das ich kenne, lebt und liebt ihr Leben. Sie ist sie selbst und in vielen Dingen genau wie jedes andere Mädchen in der Pubertät. Zickig, launisch, aber gleichzeitig hilfsbereit, liebevoll und verliebt.
Oft denkt man, dass Menschen mit Behinderung nicht alles verstehen wie ein Kleinkind, was für viele Dinge zu jung ist. Doch sie verstehen mehr, als wir denken, und manchmal sind wir es, die sie nicht verstehen.
Und das nächste Mal, wenn du behindert als Schimpfwort verwenden willst, denke doch erst mal drüber nach! Sie haben so viel mehr, was uns noch fehlt.
Denn letztendlich sind wir alle Menschen. Menschen mit Special Effects. Und diese Special Effects sind bei jedem Menschen anders ausgeprägt, sonst wären sie nicht mehr special.
Wir alle sind besonders, berührend, bärenstark, bedeutend und bedingungslos, bedingungslos geliebt. Von Menschen und von Gott, der jeden Menschen mit anderen Special Effects ausgestattet hat. Und zusammen erstellen wir Menschen: alle – groß, klein, dick, dünn, mit Behinderung und ohne Behinderung – alle. Zusammen spielen wir mit all den Special Effects den größten und coolsten Kinofilm. Ein Film, der das reale Leben darstellt.
Und durch all diese individuellen, einzigartigen Special Effects wird der Film, wird unser Leben zu einer Limited Edition, einer Ausgabe, die es nur einmal gibt. Zusammen sind wir alle eins.
Ebbe und Flucht
Viele können das Wort nicht mehr hören und oft gehöre ich dazu: Flüchtlinge. Ich schlage die Zeitung auf: neue Skandale, neue Probleme. Ich kann das nicht mehr sehen, nicht mehr hören. Die meisten halten sich schon die Ohren zu, verschließen ihre Augen und leider auch ihr Herz. Parolen von »Wir schaffen das« bis »Ausländer raus« durchstreifen das Land. Meinungen, zweigeteilt. Und dann werde ich gefragt. Und stelle fest, dass ich keine Meinung hab oder haben will. Doch gewiss, aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Die »Richtig oder Falsch«-Methode funktioniert hier nicht. Es ist ein Dilemma. Es zerbricht mein Herz, wenn ich die Bilder seh, die Geschichten höre. Und dann streiten sich die Menschen über Menschen, als wären es Dinge, sachliche Probleme, und ich werde wütend. Die Objektivität ist dahin. Die Verantwortung wird abgegeben, aufgeschoben, aufgehoben. Grenzen werden dicht gemacht.
Ebbe und Flucht.
Die Flucht kommt wie eine Welle, wie die Flut. Menschen fliehen vor dem Krieg und riskieren ihr Leben. Um Frieden zu finden. Doch statt Frieden finden sie das »Jeder gegen Jeden«-Prinzip vor. Enttäuschte Hoffnungen und enttäuschte Erwartungen. Der Traum ist geplatzt. Doch statt Hilfe und Anerkennung stoßen sie auf Ablehnung, Fremdenhass und Vorurteile: Flüchtlinge kosten zu viel Geld, Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze …
Man kann doch nicht berechnen, was ein Mensch im Jahr kostet. Menschen sind unbezahlbar und wir alle sind Menschen. Keiner ist besser oder schlechter als ein anderer.
Ebbe und Flucht.
In ihrem Land herrschte Ebbe. Dürre, Krieg, Zerstörung.
Flucht, auf und davon in ein neues Zuhause.
Zukunft und Perspektive suchen und finden.
Ebbe und Flucht. Die Hoffnung auf Frucht.
Die Briten diskutieren schon seit Ewigkeiten, ob die Migranten »gain« oder »drain« sind, ein Nutzen oder eine Belastung. Kritiker sagen, sie würden das Gesundheitssystem belasten, und andere sagen, Multikulturalismus sei Freiheit. Ethnische Gruppen wachsen zusammen und bereichern vor allem die Großstadt London. Also auch die Briten sind sich uneinig, ja, verlassen sogar die EU. Um unter anderem ihre eigene Flüchtlingspolitik zu betreiben. Wo sind die Werte geblieben?
Und doch stelle ich fest, dass auch ich zweifle, Fragen habe, ja sogar Ängste. Sicherlich kann Deutschland nicht jeden aufnehmen, aber es gibt Länder, die nehmen noch mehr auf. Doch die Luft ist raus, und so oft bekommt man nichts mit und ein anderes Mal zu viel. Ist die Politik in einer Sackgasse?
Ebbe und Flucht.
Was ist jetzt meine Meinung? Ich sitze im Bus und neue Menschen kommen rein. Man hört an ihrer Sprache, dass sie nicht aus Deutschland kommen, und auch ihre Hautfarbe ist anders. Ich denke erst mal nichts. Und irgendwann denke ich nach, will meine Vorurteile unterdrücken und schäme mich für diese. Oder ist es doch nur Angst? Wenn sie plötzlich anfangen, über Messer zu reden, die sie immer dabeihaben, um sich selbst zu verteidigen, frage ich mich: Bin ich noch sicher? Aber im nächsten Moment sag ich mir, nicht alle sind gleich. Jeder ist anders. Und anders ist nicht schlechter. Nicht jeder gleicht dem anderen. Nicht jeder ist schlecht. Nicht jeder ist gut.
Ebbe und Flut.
Was wird aus der Zukunft? Was wird aus meiner Zukunft? Was ist meine Meinung? Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Es ist nicht leicht. Und ich glaube, es gibt nicht die Lösung.
Aber was ich weiß, ist, dass wir alle eine Gemeinsamkeit haben: Wir sind Menschen. Und wir haben das Recht auf Frieden, auf Freiheit. Können wir nicht öfters auf die Gemeinsamkeiten, anstatt auf die Unterschiede schauen? Viel mehr auf das, was verbindet, als auf das, was trennt?
Wir sind Menschen. Wir sind gleich.
Und darum finde ich, hat jeder eine Chance verdient.
Ebbe und Flut.
Können wir nicht alle zusammen der Anker auf See, das Ufer am Fluss, der sichere Halt im Sturm sein?
Alle an einem Strang?
Die Welt im Einklang?
Bitte? Für uns Menschen, für den Frieden.
Dorfliebe
Trubel, Hektik, Chaos, viel Verkehr, viele Geschäfte, Businessleben: Stadtleben.
Ruhe, weite Felder, kleine Tante-Emma-Lädchen, Tiere, Landwirtschaft: Dorfleben.
In einer Stadt ist viel los. Gestresste Menschen hechten durch die Geschäfte, kaufen sich jeden Morgen den gleichen Kaffee im gleichen Café, um ihn dann mit ins Büro zu nehmen. Wenn die Stadtmenschen ihre U-Bahn verpassen, schimpfen sie durch die Gegend: »So ein Mist, in zwei Minuten kommt erst die nächste.«
Man könnte meinen, in einem Dorf ginge es gediegener zu. Es gibt nicht so viele Einkaufsgeschäfte, also auch nicht ganz so viele hektische Menschen. Falsch gedacht. Montagmorgens um halb acht tauchen die ganzen Menschen mit ihren Autos auf der Straße auf. Menschen, die am Wochenende versteckt schienen. Wo kommen diese Menschen bloß her? Deshalb komme ich fast jeden Montag zu spät zur Schule. Weil es auf einmal Chaos gibt. Aber Busse verursachen immer Chaos. Manchmal wünschte ich, die Zuglinie würde noch existieren, aber das ist zu städtisch. Wenn wir einen Bus verpassen, heißt es: »Mist, der nächste fährt erst in einer Dreiviertelstunde.«
Stadtmenschen sind manchmal ganz schön verwöhnt. Die meisten arbeiten in der Stadt, können dort